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Urteil des Berliner VerwaltungsgerichtsPanzer darf vor russische Botschaft

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Eine Stadträtin sperrte sich dagegen, dass Unter den Linden ein Panzerwrack aufgestellt wird. Ein Gericht lehrt sie nun, was Meinungsfreiheit ist.

Bald muss der russische Botschafter nicht nur auf Transparente schauen Foto: picture alliance/dpa | Michael Hanschke

N atürlich ist Almut Neumann nicht für werteorientierte Außenpolitik zuständig. Als Stadträtin im Bezirk Mitte ist die Grünen-Politikerin für Ordnung, Umwelt, Natur, Straßen und Grünflächen zuständig. Gleichwohl hätte Neumann Geschichte schreiben können. Im August lag ein Antrag von Enno Lenze und Wieland Giebel vom Museum Berlin Story Bunker auf dem Tisch. Einen zerstörten russischen Panzer wollten die beiden gegenüber der Russischen Botschaft Unter den Linden aufstellen.

Doch Almut Neumann lehnte den Antrag ab. Begründung: Bei der Aktion handle es sich „nicht um ein Vorhaben von Kunst im Stadtraum“, sondern „um ein dezidiert aktuell politisches Statement zum Angriffskrieg gegen die Ukraine“. Außerdem bedeute ein Panzerwrack Unter den Linden „eine erhebliche Beeinträchtigung des geschätzten Erscheinungsbildes“.

Die Geschichte, die Neumann hätte schreiben können, hat nun das Berliner Verwaltungsgericht geschrieben. Es hat am Dienstag einem Eilantrag von Lenze und Giebel stattgegeben. Wenn der Bezirk keinen Widerspruch einlegt und vor das Oberverwaltungsgericht zieht, kann nun auch in Berlin – so wie zuvor in Prag oder Warschau – ein zerstörter russischer Panzer gezeigt werden.

Kunst oder Politik? Meinungsfreiheit!

Interessant an diesem Urteilsspruch ist, dass das Gericht gar nicht darüber urteilen wollte, ob der Panzer nun Kunst sei oder ein politisches Statement. In beiden Fällen, so heißt es in der Urteilsbegründung, sei die Aktion von der Meinungsfreiheit gedeckt. Heißt im Umkehrschluss: Das Bezirksamt wertete das Erscheinungsbild am Boulevard unter den Linden höher als die Meinungsfreiheit. Die musste erst vom Gericht in ihr Recht gesetzt werden.

Nicht nur der Bezirk Mitte dürfte ob des Richterspruchs not amused sein, sondern auch der russische Botschafter. Manch einer mag Sergei Netschajew, der fließend Deutsch spricht und als Feingeist gilt, noch einen Funken Anstand unterstellen. So hat der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, nach dem russischen Überfall auf die Ukraine an Netschajew appelliert: „Jetzt ist der Punkt, an dem du in die Öffentlichkeit gehen und dies öffentlich wiederholen solltest: Dies ist nicht mein Krieg. Dies ist nicht der Krieg der Russen. Wenn du das tust, wenn das viele deiner Kollegen weltweit tun würden, wäre das ein ungeheuer starkes Signal. Weil dieser Präsident führt euch ins Verderben.“

Doch der Botschafter dachte nicht daran. Stattdessen bezeichnete er das Massaker in Butscha als „Inszenierung“ der Ukraine. Nun muss er selbst mit einer Inszenierung klarkommen. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis der Schrottpanzer kommt. Er muss erst noch besorgt werden. Aufgestellt wird er auch nicht Unter den Linden, weil der Boulevard für eine 40 Tonnen schwere Last nicht ausgelegt sei, heißt es im Richterspruch. Stattdessen soll der Panzer in der Schadowstraße aufgestellt werden – allerdings in Sichtachse der russischen Botschaft.

Im Gegensatz zu Almut Neumann und Sergei Netschajew dürfte sich zumindest Burkhard Kieker von Visit Berlin freuen. Wieder ein Bild von Berlin, das um die Welt geht. Auch wenn sich die Ukraine lieber deutsche Leopard wünscht. In Prag wurde freilich deutlich, dass beides kein Widerspruch sein muss. Vor kurzem erst wurden in Tschechien 1,2 Millionen Euro gesammelt um einen renovierten T-72 an die ukrainische Armee zu übergeben. Die Sammlung lief unter dem Hashtag „Ein Geschenk für Putin“.

Das zumindest war eindeutig keine Kunst, sondern ein politisches Statement.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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21 Kommentare

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  • Ich würde nicht nur den Panzer sondern auch ein zerschossenes Auto aus Butscha mit einer Schrifttafel -Eine Familie ausgelöscht- in die Schadow stellen und ich würde die Adresse der Russischen Botschaft -Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin- umbenennen in -Platz der Helden der Ukraine 1-3.-

    • @Ringelnatz1:

      Und waren Sie auch dafür, dass ein irakischer Panzer vor der US-Botschaft plaziert und die Adresse umbenannt wird, oder zählt Moral mal wieder nur, wenn man sie den Russen unter die Nase reiben kann?

      • @O.F.:

        Damals gab es die Idee noch nicht.

        Sie sind grundsätzlich gegen neue Ausdrucksformen?

        Der Irakkrieg wird immer der Maßstab bleiben?

        Als hätte sich in den Jahrzehnten nichts weiterentwickelt?

      • @O.F.:

        Haben oder wollten die Amerikaner den Irak annektieren? Die Iraker dürfen jetzt wählen, die Ukrainer nicht mehr wenn die Russen mit ihnen fertig sind. Äpfel-Birnen Vergleich?

        • @Suchender:

          Was hat ein Angriffskrieg damit zu tun, was das Ziel ist? Den 100.000en Toten ist das egal. Klar, die Iraker:innen "dürfen" jetzt wählen. Aber das Land ist kaputt und zerstritten, den Frauen geht es wegen der religiösen Übermacht schlechter.

      • @O.F.:

        Woher kommt mir nur die Diktion bekannt vor?



        S. Sahr. Wag.. ich hab's gleich.



        oder



        D. Da..len!



        Wobei, schon Geschichte!

        • @Ringelnatz1:

          Haben Sie inhaltlich etwas zu erwidern? O.F. hat völlig Recht: diese Doppelmoral ist zum Ko..

          • @resto:

            Und was verbessert sich ohne Doppelmoral? Tun dann alle anderen endlich das richtige, bzw folgen dem leuchtenden Vorbild Deutschland?

  • In anderen Hauptstädten ist man schon viel weiter:

    www.baltictimes.co...at_war_in_ukraine/

  • Das geschätzte Erscheinungsbild? In Berlin? Unter den Linden, die seit 20 Jahren Baustelle sind?

  • Ganz Allgemein macht man sich zu viel Gedanken um das Befinden u verletzte Gefühle von Tyrannen. Putin begräbt jeden Tag dutzende Menschen unter den Trümmern ihrer Wohnblöcke aber wenn sein Lieblingsprojekt Krimbrücke ein Kratzer bekommt oder ihm ein abgewrackter Panzer vor die Botschaft gestellt wird, auf eine Straße in Dtl.,dann machen sich alle Sorgen, dass dies ihn nun wirklich so demütigen könnte, dass er die Bombe schmeißt. Geht's noch? Wie lächerlich ist das denn?

  • Was ein Schwachsinn.. dann müssen ab jetzt vor jede Villa ausgebrannte suv stehen... ich fange gleich an.

    • @Christian Ziems:

      Machen Sie es doch.

      So hat jeder sein Thema, wofür er sich am liebsten engagiert.

      Villen gibt es viele, aber nur eine russische Botschaft in Berlin Unter den Linden.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob ich die offensichtliche Doppelmoral lustig oder ekelhaft finde: dasselbe juste milieu, das im Falle der doumenta mit einer wochenlangen Diffamierungskampagne bewiesen hat, was es von Kunst- und Meinungsfreiheit (und eigentlich vom globalen Süden insgesamt) hält, entdeckt nun seine Begeisterung für zerstörte russische Panzer in Berlin und funktionierende deutsche Panzer an der Frontlinie von 1942... Revanchismus mit Biogemüse. Ein kleiner Denkanstoß: Meinungsfreiheit ist nur dann etwas wert, wenn man sie auch für andere gelten lässt.

    • @O.F.:

      Revanchismus? Im Gegenteil. Wenn einer revanchistisch ist, dann Russland, das die Ukraine als Staat und Gesellschaft auslöschen und damit wieder in die Zarenzeit zurückwill.

    • @O.F.:

      Antisemitismus ist keine Meinung.

    • @O.F.:

      Die Unterstellung der gesamte globale Süden habe einen Hang zum Antisemitismus halte ich für maßlos übertrieben. Damit wird mMn eine ziemliche Verachtung ggf. dem globalen Süden ausgedrückt.

      Ich habe keine Probleme damit funktionierende deutsche Panzer in die Ukraine zu schicken um damit Menschen zu verteidigen deren Vorfahren von meinen Vorfahren mit deutschen Panzern überfallen wurden. Eine gute Gelegenheit einen weiteren kleinen Schritt der Wiedergutmachung zu leisten.

    • @O.F.:

      Nur noch mal ein kleiner Denkanstoß für Sie: Putin hat den Krieg begonnen, also ist es auch kein Revanchismus. Nein, wir haben nicht wieder 1941. Ich dachte Sie sind immer so differenziert.

  • "Meinungsfreiheit" so ein Schwachsinn. Was Berliner Richter schon für chaotische Urteile fällen konnten - von wegen Lehrstück und so - , das findet man sehr leicht, wenn mal mal Renate Künast ins Google eingibt. Und das ist kein Einzelfall. Häufig glänzen Jurist*innen durch weltfremde Urteile, z.B. auch daran erkennbar, dass höhere Instanzen die Urteile kippen. Hier sollte Mann als Schreibender sehr vorsichtig sein, wenn das Urteil noch keine rechtskraft erlangt hat.

  • welch ein Segen das es mehrheitlich Richter ohne braunem Parteiausweis gibt



    Auch Neumann macht seine Arbeit. Trifft als Politiker Entscheidung gegen den Mainstream; selten sowas und gut.



    Ich hoffe jedoch das ein abgefrackter Panzer als demonstration der freien Meinung dort stehen wird und nicht als Denkmal gegen den Krieg. Berlin hat ausreichend solcher Denkmäler für das am Ende die Stadt viel Geld bezahlen muss um sie zu erhalten.



    Es ist richtig und wichtig diesen Menschen in der Botschaft täglich vor Augen zu halten wohin ihr Wirken letztendlich führt. Hoffentlich wird der Schrott zu Pflugscharen nachdem die Ukraine vollständig befreit ist und rostet nicht noch 10 Jahre vor sich hin



    schön ist was anderes :))

  • Ich möchte vorschlagen, den Panzer zusammen mit einem Trecker aufzustellen.



    Man entsinne sich:



    www.youtube.com/watch?v=SgE_zrft5J4

    www.agrarheute.com...b-selenskyj-591955