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Kinder im öffentlichen RaumWider den Kinderhass

Ablehnung von Kindern ist im deutschsprachigen Raum weit verbreitet. Doch Eltern und Kindern das Leben schwer zu machen, ist antifeministisch.

Manch ei­ne*r sieht Kinder im öffentlichen Raum nur als Störfaktor Foto: Imago

K inderhasser*innen. Bei dem Wort denke ich immer an alte, grimmige Leute. Vielleicht, weil das die Kin­der­has­se­r*in­nen waren, denen ich in meiner Kindheit begegnet bin. Dabei war ich nicht mal frech. Ich war schüchtern und wusste etwa ab dem Grundschulalter, dass viele Leute ein Problem damit hatten, dass ich nicht weiß bin. Also war ich überkorrekt, um ihnen keinen Grund zu geben, mich noch mehr zu hassen. Ob diese Leute nun Kin­der­has­se­r*in­nen oder Ras­sis­t*in­nen oder beides waren, weiß ich nicht.

Bis heute kriege ich das nicht so richtig aus meinem System. Vermutlich ist das der Grund, warum es mir sehr wichtig ist, meine Kinder zur Rücksichtnahme zu erziehen. Ich versuche nicht zu übertreiben, aber ich möchte auf jeden Fall, dass sie ihre Umwelt wahrnehmen. Dass sie merken, sie sind nicht alleine. Dass sie hilfsbereit sind und freundlich. Mir ist wichtig, dass sie respektvoll mit anderen Menschen umgehen, unabhängig von deren beruflichem Status oder Einkommen.

Letzte Woche kommen wir gerade aus dem Kindergarten. Der Fünfjährige fährt vor mir auf dem Gehwegrand mit dem Roller, ich hinter ihm mit dem Kinderwagen. Uns kommen mehrere Leute entgegen. Auch eine Frau, Ende 20 vielleicht. Sie überholt die uns entgegenkommenden Menschen und läuft fast in mein Kind. Er träumt gerade, merkt es gar nicht. Sie sagt, gut für alle hörbar: „Scheiß Kinder.“ Ich schaue sie entgeistert an und frage, was ihr Problem ist, sie zeigt mir den Mittelfinger. Ich rufe ihr unter anderem hinterher, dass sie zu Hause bleiben sollte, wenn sie nicht damit klarkommt, dass noch andere Menschen existieren. Sie zeigt mir rücklings den Mittelfinger, während sie weitergeht.

Ablehnung von Kindern ist im deutschsprachigen Raum eine anerkannte Meinung durch alle Alters- und Einkommensschichten. Niemand von den Leuten um uns herum hat reagiert. Es gilt auch irgendwie als „edgy“, in seinen Zwanzigern Kinder abzulehnen. Wobei ich nicht sicher bin, ob es dabei um Kinder geht oder Mütter. Die Autorin Franziska Schutzbach beschreibt in ihrem Buch „Die Erschöpfung der Frauen“ die „Matrophobie“. Also Mutterhass, der als gesellschaftliche Struktur schon seit der Antike zu finden sei. Schutzbach zitiert außerdem die Autorin Adrienne Rich über Mutter-Tochter-Beziehungen: „Frauen müssen das Weibliche, die Mutter ablehnen, wenn sie als Subjekt wahrgenommen werden wollen […]“

Ob es nun Ablehnung von Kindern oder Müttern ist, das sind im Grunde zwei Seiten derselben Medaille. Denn beides ist zutiefst antifeministisch. Eltern und Kindern die Existenz in der Öffentlichkeit schwer zu machen, trifft immer noch vor allem Mütter. Es ist keine große Gehirnakrobatik, dennoch möchte ich einmal festhalten: Wer Kinder in der Öffentlichkeit ablehnt, lehnt auch Frauen in der Öffentlichkeit ab. Und ist damit sicher alles andere als eine Feminist*in.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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17 Kommentare

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  • Nicht jede Aversion ist zwangsläufig strukturell bedingt. Ich stamme aus einer ziemlich großen Familie und habe inzwischen (zumindest im dt. Durchschnitt) selbst eine. Mir sind sowohl als Kind als auch als Vater schon eine Menge genervter Kommentare in Erinnerung geblieben, aber ich habe diese eigentlich nie als Kinder-spezifisch empfunden.

    Die Leute regen sich über die Kinder genauso auf wie sie sich über einen Hund aufregen der ihren Weg schneidet oder ein Müllauto das sie auf der Straße zum Bremsen zwingt. Da steht kein struktureller Hass auf Kinder, Hunde oder Müllautos hinter, da steht eine strukturelle Überlastung/Überforderung mit sich und der Welt dahinter.

    Es gilt Hanlons Rasiermesser: Nimm niemals Boshaftigkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist :-)

    • @Questor:

      Also ich bremse für Müllautos genauso wie für Hunde, Kinder und vorwiegend auch vermehrt für Fahrradfahrer. Was ich allerdings schon öfters beim Spaziergang mit unserem Hund erlebt habe - zwei Entgegenkommene Kinderwagen, nebeneinander - geschoben von ihren telefonierenen Handyabhängigen Müttern oder zumindest Aufsichtspersonen. Also kein Platz zum vorbeikommen. Statt dessen eine Erwartungshaltung, wahrscheinlich durch die subjektive Sicherheitsempfindung eines vor sich herschiebenen Kinderwagens, der einfache Fußgänger mit Hund kann ja wohl auf die Straße ausweichen, warum sollten wir hintereinander unseren schreienden Nachwuchs schieben.Also ich mache da grundsätzlich einen smarten Handstand und Befehle dem Hund zu bellen...



      Will sagen etwas gegenseitige Rücksichtnahme würde einiges im täglichem Miteinander erleichtern.

      • @Alex_der_Wunderer:

        # Wunderer, genauso habe ich das auch schon mit unseren Hunden erlebt...Mütter mit Kinderwagen gehen nebeneinander und machen grundsätzlich keinen Platz...es wird einfach erwartet, dass man am besten auf die Straße ausweicht... absolut unmöglich... Rücksicht wird da nur grundsätzlich erwartet und eingefordert und wenn man keinen Platz macht, wird man angemotzt, wie rücksichtslos man doch den Kindern gegenüber sei. 😳

        • @Fabienne B.:

          Ja, es kommt ebend immer darauf an, ob Mensch sich nun vor oder hinter dem Kinderwagen befindet...



          - schmunzel -



          Aber im ernst, wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, denke ich oft - he, was sind denn heute nur für radikale Autofahrer unterwegs...



          Fahre ich aber mit dem Auto, habe ich oft den Eindruck, einige Radfahrer glauben sie hätten mehrere Leben, oder halten sich für unverletzlich.



          Man kann und sollte die Menschen trotzdem so nehmen wie " wir " sind, es gibt keine anderen...

    • @Questor:

      anschließe mich.

      Vorweg: Schland ist schlicht nicht sonderlich kinderfreundlich.



      Da gibt’s von der Südschiene noch sehr viel zu lernen! But.



      Daß da ne Perle offensichtlich nen schlechten Tach hatte¿! So what!



      Mit zwei Runden Kids & Enkeln - seit ewig wohnend allbekannt am Eck eines satt kidsbestückten Gevierts - nunmehr in einer Großstadt - kann ich die kühne Hochrechnung der Autorin schlicht nicht einmal ansatzweise bestätigen!



      Im Gegenteil - nehm ich die kinderreiche Venne - den Wasserspielplatz im Grüngürtel - den Stadtgarten: ein Eldorado! Ok Ok.



      &



      Wenn ich was zu meckern habe - ist es das genderneutrale Gesabbel in die digiKlöterkästen •

  • Ich war schon oft in Westafrika und bin auch hier viel in afrikanischen Communitys unterwegs. Der Umgang mit Kindern ist viel freundlicher und geduldiger. Der Anteil von Menschen die von Kindern schnell genervt bis komplett desinteressiert sind und mit Kindern nicht umgehen können, ist hier viel höher.

  • 6G
    659428 (Profil gelöscht)

    Also die Frau hasst Frauen, quasi sich selbst?



    Und wenn man der schwer haltbaren These der Autorin folgt, wieso sollte es nicht genauso sehr für Männerhass sprechen, die sind ja zur Hälfte mit für das Kind verantwortlich.

    Die Autorin scheint mir ständig Kleinigkeiten aus ihrem Leben zur großen Diskriminierung zu erklären, was mir nicht der richtige Weg zu sein scheint. Mir z.B. ist es schon passiert, dass Kinder zu meinem angeleinten Hund rannten, von diesem angeknurrt wurden und die Mutter auch noch dreist genug war mich zu beschimpfen. Ich sollte doch bitte auf meinen Hund aufpassen.



    Also, vielleicht auch mal auf den Nachwuchs acht geben (das ist schließlich die einzige Aufgabe der Eltern) und nicht immer die Schuld bei anderen suchen. Und nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen.

    • @659428 (Profil gelöscht):

      Ganz genau, so sehe ich dies auch.

    • @659428 (Profil gelöscht):

      Die Frau macht einen Fehler (Beim Überholen den Gegenverkehr übersehen) und raunzt dafür den Menschen an den sie fast über den Haufen gerannt hätte.



      Und niemand der umstehenden reagiert in irgendeiner Weise hilfreich.



      Was wurde hier aufgebauscht? Und was war die Schuld des Kindes? Erklären Sie es mir, damit ich den Fehler nicht auch begehe!

  • Also ... Ich kann Kinder nicht leiden. Das konnte ich schon nicht, als ich selber noch eines war (ständige Hänseleien haben diesen Effekt manchmal), und ich wusste früh, dass ich niemals welche haben würde. Soweit möglich, halte ich mich von Kindern und Jugendlichen sehr fern.



    Dennoch habe ich größten Respekt vor Menschen, die irgendwoher die Kraft nehmen, so ein kleines Menschlein großzuziehen und irgendwie durchs tägliche Gewühl zu leiten, sei es auf der Straße, im Supermarkt etc. Ein Kind zu verfluchen, nur weil es wagt, dieselbe Straße wie ich zu nutzen, käme mir nie in den Sinn. Auch wenn ich es generell für löblich halte, ein Kind zur Rücksicht zu erziehen, kann man sowas von Kindern nun einmal nicht erwarten - sie lernen ja noch! Ich kann die Entgeisterung der Autorin also durchaus nachvollziehen, trotz meiner Kinderaversion.



    Gut, dass dem Kleinen nichts passiert ist!

  • Meine Frau bekommt den Trend des "Mum-Shamings" deutlich zu spüren. Sie hat in der Strasse als einzige junge Frau keine Kinder und wird für die Mutter-Gang damit automatisch zur Persona non Grata degradiert.

    Reden wir also doch Mal über dieses Phänomen.

    • @SeppW:

      Geht es in dem Artikel darum, dass Mütter gehasst werden? Nein.



      Hat Ihr Kommentar also irgendwie irgendwas mit dem Artikel zu tun? Nein.



      Die Kinder können am wenigsten etwas für diese komische Abneigung, die ihnen teilweise entgegengebracht wird. Wobei die meisten dann ganz kleinlaut werden, wenn Sie bemerken, dass ein Elternteil dabei ist.

      • @Naffoff:

        Ganz einfach : Weil es eine einseitige Berichterstattung ist. Als ob das Problem des Mom-Shamings gar nicht geben würde. Und der Treppenwitz an der ganzen Sache ist ja noch das diese Diskriminierung genau von der Gruppe ausgeht, die sich sehr gerne in die Opferrolle begibt : Mütter

        • @SeppW:

          Zum einem hat das nix mit dem Thema zu tun und zum anderen kenne ich einige Frauen ohne Kinder, die nicht dafür Diskriminiert werden. Wir sind nicht mehr in 50ern. Mit der Bezeichnung "Mutter-Gang" macht man sich bei denen auch nicht gerade beliebt.

          • @Andreas J:

            Oh ich kenne auch viele AfD-Wähler die keine Nazis sind. Mit Hinsicht auf das Verhalten von Müttern gegenüber kinderlosen Frauen, besonders wenn sie in der Überzahl sind, kann man durchaus von einer Gang sprechen. Oder einem Rudel. Oder einem wildgewordenen Hühnerhaufen.

            Beide Parteien haben jeweils für sich entscheiden Kinder zu bekommen bzw. Kinderlos zu bleiben. Wenn einem später klar wird das man in der Hinsicht aufs falsche Pferd gesetzt hat sollte man nicht seine Umgebung bestrafen, sondern den Fehler bei sich selbst suchen. Und das betrifft ausdrücklich (!) auch die im Land durchaus vorherrschende Kinderfeindlichkeit, die gar nicht in Anrede gestellt werden darf.

            • @SeppW:

              Gang, Rudel, Hühnerhaufen. Frauen mit Kinder sind für sie also ein Rudel Hühner. Alter Schwede. Sich über Diskriminierung Beschwerden und dabei selbst derb vom Leder ziehen.

  • Vielleicht hätte die Frau, wenn sie über ein Kabel gestolpert wäre, auch scheiss Bauarbeiter gesagt, oder über ein Rollator, scheiss Rentner. In dem Fall hilft nur ignorieren und sich über die nächste freuen, die die Kinder anlächelt (soweit das kein Eingriff in deren Privatsphäre ist).