piwik no script img

Satire-Aktion in TschechienPetition der Absurditäten

In Tschechien fordert eine satirische Internetpetition die Annexion Kaliningrads. Tatsächlich beruht die Aktion auf historischen Begebenheiten.

Bald ein Teil von Tschechien? Eine Satire-Aktion macht sich für die Annexion Kaliningrads stark Foto: Ulf Mauder/dpa

Prag taz | Einer der tschechischen Nationalheiligen ist der brave Soldat Josef Schwejk aus dem berühmten Roman von Jaroslav Hašek. Dieser weiß, dass man dem Absurden dieser Welt mit noch größeren Absurditäten einen kämpferischen Spiegel vorhalten soll. Getreu seinem Vermächtnis haben tschechische Ak­ti­vis­t:in­nen eine Spaßpetition im Internet verbreitet. Sie fordert den Anschluss Kaliningrads (ehemals Ostpreußen) an die Tschechische Republik.

„Wie uns Russland auf der Krim und anschließend in der Ostukraine gezeigt hat, ist es völlig in Ordnung, in das Gebiet eines fremden Staates einzufallen, dort ein Referendum auszurufen und es dann zu annektieren“, heißt es in der Petition. Innerhalb weniger Tage erhielt sie über 13.000 Unterschriften, darunter Hunderte aus Kaliningrad selbst.

Der Anspruch sei natürlich historisch begründet, so die Petition. Es war der böhmische König Ottokar II. Přemysl, der sich im 13. Jahrhundert bei den Kreuzzügen des Deutschen Ritterordens gegen preußische Heidenvölker so verdient gemacht hat, dass die Kreuzritter ihre Stadt zu seinen Ehren benannten: Königsberg.

„Memes statt Bomben“

In Anbetracht dieser geschichtlichen Tatsachen halten es die Tschechen nun für angemessen, Verantwortung zu übernehmen. Wenn nötig, so scherzen die Ak­ti­vis­t:in­nen in der Petition, soll diese historische Verbundenheit auch „in einer Spezialoperation“ durchgesetzt werden. Das Motto lautet: „Memes statt Bomben“.

Die ersten Reaktionen kamen bereits aus den Nachbarländern. In den sozialen Netzwerken war zu lesen, dass die Polen sich darüber freuen, dass ihre „tschechischen Brüder“ endlich Zugang zum Meer haben dürfen. Die Slowaken haben ihre Spezialisten Pat und Patachon angeboten, um die beiden Nord-Stream-Röhren zu reparieren. Nur in Kroatien hat man Sorge, dass die tschechischen Touristen nun an die Strände Böhmens abwandern, die eine Konkurrenz für das Adriatische Meer werden könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Schon Shakespeare beschreibt (im Sommernachtstraum) die böhmische Küste.



    Endlich ist klar, was damit gemeint war. Damals war das Allgemeinwissen. Bis ins 17. Jh. war der rechtmäßige Anspruch Tschechiens auf Königsberg in Europa also allgemein anerkannt.



    Ich weise an dieser Stelle außerdem daraufhin, dass in die letzte Zarendynastie fast in jeder Generation deutscher Adel eingeheiratet hat, z.B. Karl Friedrich von Holstein-Gottorp, Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst (=Katharina II), Sophia von Württemberg, Charlotte von Preußen, Marie und Alix von Hessen-Darmstadt. Bevor Gebietsansprüche gegen Russland erhoben werden können, ist leider mit einem Bürgerkrieg in Deutschland zu rechnen.

    • @Barbara Falk:

      Ja, wir hätten Christian Lindner besser mit einer Putin-Tochter verheiratet.

      • @yul:

        Eigntlich eine Unverschämtheit und völlig unpatriotisch, dass der sich überhaupt eine Frau selbst aussuchen durfte. Dank er denn gar nicht an sein Volk?



        :-)

      • @yul:

        Das ganze Verschwippschwägern der europäischen Königshäuser hat den 1. Weltkrieg nicht verhindert - Familienfeste sind nicht die harmonischsten Veranstaltungen.

  • Was ist mit Mallorka?

  • Klasse Idee. Tschechen an die Memel!

  • Historisch gesehen scheint mir das wasserdicht.

    Ich hoffe, unsere Vertriebenenverbände machen keinen Ärger.

  • Es ist doch stark diskriminierend, wenn nur die Leute im Oblast Kaliningrad die Möglichkeit zur Teilnahme am Referendum bekommen.

    Um hier diskriminierungsfrei zu agieren, sollte dieses Referendum in ganz Russland durchgeführt werden.

    Zudem ist es doch recht undemokratisch, wenn man nur ein Land zur Auswahl.

    Ich bin dafür, dass in dem Referendum neben der Tschechei auch Luxemburg oder Island zur Auswahl steht.

    Nur so ist wahre Demokratie gewährleistet.

    Schließlich sind die Wikinger die Wolga runtergefahren und haben dort Reiche gegründet.

    Bei der Sicherung der isländisch-chinesischen Grenze könnten dann ja notfalls die Luxemburger unterstützen.

    • @rero:

      Ich bin dafür, dass in dem Referendum neben der Tschechei auch Luxemburg oder Island zur Auswahl steht.



      Aber die Tschechen SIND Luxemburger!



      de.wikipedia.org/w...nn_von_B%C3%B6hmen

      • @Barbara Falk:

        Ich Unwissender!

        Asche auf mein Haupt.

        Danke für den Hinweis. :-)

  • Es musste ja passieren.



    Egal wie, nun scheint es sartirisch mit knallhartem Kern endlich gelungen, das Thema Kaliningrad entgegen aller Schlafwandlerei en passant als Absurditätenkammer Moskauer Strategie Kabinetts ins öffentliche Bewusstsein zu heben, dass von dort für gesamten EU Länder, voran im Baltikum, Polen, Deutschland, Tschechien, Slowakei sicherheitsrelevant konventionelle, bio-chemisch atomare Gefahrenlagen ausgehen könnten durch entsprechend dort stationiert russische Waffensystem Arsenale unbekannter Provenience?

  • Dass man bei so einem Artikel mindestens 4x groß "Satire" schreiben muss (und vermutlich dennoch Gefahr läuft, dass irgendein Shit-Storm losgeht), beschreibt, in was für einer traurigen Zeit wir leben