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Energieversorgung in DeutschlandDroht uns im Winter ein Blackout?

Die Angst vor Stromausfällen ist da. Aber die Aussichten, dass die Stromversorgung auch ohne russisches Gas stabil bleibt, sind gut.

Auch wenn kein flächendeckender Stromfall droht, Feuerzug oder Taschenlampe sollte man haben Foto: Michael Bihlmayer/imago

1 Warnungen vor einem großflächigen Stromausfall in Deutschland werden lauter. Wie wahrscheinlich ist ein Blackout?

Sehr unwahrscheinlich. Zwar sind die Herausforderungen für das Stromnetz durch ausbleibende Gaslieferungen und möglicherweise ausfallende Kraftwerke größer geworden. Aber die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout steigt nur wenig. „Wir haben eine sehr, sehr hohe Versorgungssicherheit“, sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Branchenverbände und die Bundesnetzagentur, die das Stromnetz überwacht, halten flächendeckende, lang andauernde Stromausfälle mit katastrophalen Folgen ebenfalls für sehr unwahrscheinlich. Das sehen unabhängige En­er­gie­ex­per­t:in­nen genauso. „Auch stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur im Winter 22/23 sehr unwahrscheinlich, diese können aber nie vollständig ausgeschlossen werden“, sagt eine Sprecherin der Bundesnetzagentur. Zu 100 Prozent wird einen solchen Fall niemand ausschließen, weil unerwartete Dinge durch unglückliche Verkettungen geschehen können. Aber: Damit das nicht geschieht, wird das Stormnetz permanent überwacht. Und liefern Kraftwerke nicht mehr, stehen Ersatzanlagen bereit.

2 Aber der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller hat doch gerade selbst vor einem Blackout gewarnt, wenn im Winter zu viele Leute gleichzeitig einen Heizlüfter anstellen.

Ja, aber ihm ging es vor allem um das Energiesparen durch das Senken der Raumtemperatur gegenüber dem Versuch, mit einem anderen Energieträger Wärme zu erzeugen. Heizlüfter ziehen sehr viel Strom, anders als etwa Heizdecken, die eine Alternative dazu sind. Es kann nicht schaden, das auch den Nachbarn zu erzählen. „Wenn zu viele Menschen gleichzeitig mit Heizlüftern heizen, kann das die Stromnetze lokal an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus bringen“, sagt die Sprecherin der Bundesnetzagentur. „Lang­anhaltende oder überregionale Stromversorgungsstörungen durch den übermäßigen Einsatz von Heizlüftern sind hingegen als sehr unwahrscheinlich einzustufen.“ Zu einem massenhaften Gebrauch von Heizlüftern würde es erst kommen, wenn das Gas abgeschaltet wird. Privathaushalte gehören zu den geschützten Kund:innen, sagt Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands Energie- und Wasserwirtschaft. „Das heißt, sollte trotz aller bereits eingeleiteter und noch anstehender Maßnahmen doch die Situation eintreten, dass das Gas knapper wird, dann werden sie stets vorrangig mit Gas beliefert.“

3 Was passiert, wenn im Winter kaum Sonne scheint, kein Wind weht und kein Gas aus Russland kommt?

Das Bundeswirtschaftsministerium hat in Stresstests verschiedene Lagen durchspielen lassen und prüft die Situation permanent. Absehbare Probleme im Stromnetz können gelöst werden, wirklich schwierig wird es, wenn sie plötzlich auftreten. Um keine Überraschung zu erleben, wird für jeden möglichen Ausfall eine Alternative vorgehalten. Und es gibt zusätzliche Reserven. Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen zur Krisenvorsorge für den Stromsektor eingeleitet. Mit dem „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz“ hat sie bereits im Sommer dafür gesorgt, dass zusätzliche Kapazitäten ins System kommen. Zum Beispiel werden Kohlekraftwerke reaktiviert. Ab dem 1. Oktober gehören Anlagen, die bislang für den äußersten Notfall vorgesehen waren, zur neu geschaffenen Versorgungsreserve. So sind bei Bedarf viele Kraftwerke betriebsbereit, die sonst nicht laufen.

4 In Frankreich ist die Rede von kurzzeitigen kontrollierten Stromabschaltungen für einzelne Regionen. Droht das in Deutschland auch?

Der kleine Bruder des Blackouts ist der Brownout. Bei einem kontrollierten Brownout nehmen die Netzbetreiber große Industriewerke oder Stadtviertel gezielt vom Netz. Bei einem unkontrollierten Brownout kommt es zu einem nicht vorhersehbaren Stromausfall – was zu Problemen bei am Netz hängenden Maschinen oder Geräten führen kann. Dass in Frankreich über gezielte Brownouts diskutiert wird, liegt an der dortigen auch durch die AKW fragileren Stromversorgung. In Deutschland ist so etwas sehr unwahrscheinlich. „Das ist keine Option“, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium.

5 Wäre es nicht sinnvoll, in Deutschland die noch laufenden drei AKW in Betrieb zu behalten?

Die Punkte Sicherheit und Weiterbetrieb von AKW vertragen sich nicht gut. Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie, deshalb hat die seinerzeit von Angela Merkel geführte Bundesregierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima den Ausstieg beschlossen. Wie prekär Atomkraft auch ohne Unfälle im Normalbetrieb ist, zeigt die Lage in Frankreich. Dort mussten viele Meiler auch aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen werden, was zu erheblichen Problemen geführt hat. Der Anteil der noch laufenden AKW an der deutschen Stromproduktion wurde in den vergangenen Jahren heruntergefahren, im 1. Quartal 2022 lag er noch bei sechs Prozent. Die Energiebranche ist auf die Kompensation dieses Anteils gut vorbereitet. Nach jetzigem Stand will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein AKW abschalten und zwei vorübergehend als Einsatzreserve nutzen. Dafür wird er heftig kritisiert – auch mit dem Argument, Deutschland drohe ansonsten ein Blackout.

6 Ich trau dem Braten trotzdem noch nicht ganz. Was kann ich tun, um möglichst gut auf einen Blackout vorbereitet zu sein?

Auch wenn ein Komplettausfall sehr unwahrscheinlich ist: Vorsorgen kann nicht schaden. Denn auch nach Unwettern kann der Strom ausfallen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat Tipps für solche Fälle zusammengestellt: Neben Lichtquellen wie Taschenlampen oder Kerzen, einem Campingkocher oder kalt verzehrbaren Lebensmitteln ist ein batteriebetriebenes Radio wichtig, um Nachrichten hören zu können. Auch solarbetriebene Batterieladegeräte oder Powerbanks anzuschaffen, ist sinnvoll.

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16 Kommentare

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  • 2. Problem: Dummer Nationalismus:

    Inzwischen haben wir einen europäischen Strommarkt, der wachsen müßte um Wärmepumpen und Elektoautos zu versorgen. Der beschriebene ungewollte Ausfall der französischen Kernkraftwerke ist für alle Europäer schmerzlich spürbar. In dieser Situation ziehen es deutsche Politiker erbarmungslos durch, gewollt die Strommenge weiter zu verknappen und die Einkaufspreise für alle zu treiben. Solche deutschen Freunde braucht und möchte keiner haben. Dazu kauft Deutschland zusätzliches Gas auf internationalen Märkten und bringt die Gaspreise auch für ärmere Nationen in neue Höhen. Das ist rücksichtloser Nationalismus.

    Schon seit Jahren schreibt z.B. die Chemieindustrie mehr ab, als sie investiert. D.h. die vorhanden Anlagen laufen aus. Neue Anlagen mit hohen Energiebedarf werden in Deutschland kaum noch entstehen.

    Unser Wirtschaftsminister prognostizierte, daß in diesem Winter viele Betriebe nicht insolvent gehen würden. "Sie würden nur aufhören zu produzieren." Wenn die Energiepreise nicht sofort wieder sinken, werden sie allerdings auch nicht die Produktion wieder aufnehmen. Damit entfielen zukünftig dauerhaft Steuereinnahmen und Sozialbeiträge bei steigenden Sozialausgaben. Es ist jetzt absolut der falsche Zeitpunkt die Atomkraftwerke aus dem Netz zu nehmen. Jetzt wäre das einfach nur dumm.

    Es werden wohl etliche Betriebe die Produktion einstellen. Vielleicht lassen sich mit Kurzarbeitergeld, die Arbeitsplätze noch bis April 2023 halten. Dann wären nach der Niedersachsenwahl am 9. Oktober noch 6 Monate zur Korrektur der Energiepolitik vorhanden.

    Ansonsten viel Glück

  • 1. Problem: Teure Preise

    Die Redakteurin schreibt, zur "... Lage in Frankreich. Lage in Frankreich. Dort mussten viele Meiler auch aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen werden, was zu erheblichen Problemen geführt hat.“

    In Frankreich liegen Gründe vor, weswegen die Meiler zur Zeit nicht betrieben werden können. In Deutschland werden Meiler vorsätzlich vom Netz genommen, obwohl sie betrieben werden können, was zu erheblichen Problemen führt.

    Probleme neben dem Fehlen der wetterunabhängigen Grundlast, sind: Der Preis. Die Investitionskosten der Atomkraftwerke sind abgeschrieben, daher überschlage ich hier mit 3 Cent / kWh. Der Strom den 3 Atomkraftwerke erzeugen, reicht für 10 Mio. Haushalte, der von 6 für 20 Mio. Haushalte oder 40 Mio. Bürger. Dieser Stromausfall wird nicht durch Kohlkraftwerke ersetzt, die schon im Einsatz sind, sondern durch den Betrieb teurer Gaskraftwerke. Der Einfachhalt halber nur mit 30 Cent /kWh angesetzt.

    In den Medien wird verbreitet, daß hätte keinen Einfluß auf den Preis, da aufgrund des Merit-Order-Systems zur Zeit immer ein teures Gaskraftwerk den Preis vorgibt, egal ob einen AKW im Betrieb ist oder nicht. Bei diesem Preisunterschied sehe ich das anders. Die Politik selbst sieht deutliche abschöpfbare Zufallsgewinne. Der Preisnachlaß vom Atomstrom zum Strom aus Gas wird bis zur Änderung des Merit-Order-Systems nicht voll durchschlagen, aber er wird die Stromerzeugungskosten senken und den Strompreisanstieg mildern. Es geht nicht nur um diesen einen Winter.

  • Ich habe Kaminholz gehortet, einen GAZ-Campingkocher und ein benzingetriebenes 220V Notstromaggregat. Für den Fall der Fälle, aber das schon seit Jahren. Ich empfinde unser Land mittlerweile in einer Dauerhysterie und Panikmache. Medien tragen dazu bei mit Sondersendungen und Quatsch dieser Art. Mal wieder soll die Welt untergehen wie in den letzten 10 Jahren permanent vorausgesagt, und siehe da, es gibt uns noch. Uns mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir im nächsten Frühjahr erstaunt sein wie gut wir dann doch durch den Winter gekommen sind. Aber dann lassen sich sicherlich wieder ein paar polemische Weltuntergangsszenarien finden die dann gerne aufgegriffen werden. Allen SchwarzmalerInnen einen schönen und gut geheizten Winter.

    • @maestroblanco:

      Würden Sie auch ohne Brennholz, ohne Notstrom und ohne Benzin so optimistisch sein? Nicht jeder hat einen Kamin oder ein solches Aggregat.

  • Das ist ja beruhigend: es bestehen also gute Aussichten, dass wir ohne Strom-Blackout über den Winter kommen. Leider bedeutet ein Blackout Tod, Tod in vielen Facetten. Ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, der ja nur einen Zustand der letzten 40 Jahre fortschreibt, ist dagegen regelrecht harmlos.

  • Klingt genau wie eine Pressemitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums.



    Liebe taz, eigentlich könnt Ihr doch kritischen Journalismus?



    Tip: die Widersprüche zwischen dem Abschlussbericht der Netzbetreiber und den Behauptungen des Wirtschafstministeriums durch Recherche vertiefen - das wird spannend.

    • @u62:

      Das sehe ich auch so. Ich möchte lieber von jemandem der in der Thematik drinsteckt wissen, mit konkreteten Angaben, welche Lösungen/Effekte und Kraftwerke helfen das Netz zu stabilisieren, und was wir haben in dem Fall, dass der Stromverbrauch steigt und die Gaskraftwerke nicht mehr produzieren können.

      Wenn ich selbst wenigstens im Ansatz verstehe, wie das Konzept dahinter funktioniert, dann bin ich deutlich überzeugter und gelassener, als wenn ich den Pressemitteilungen blind vertrauen muss.

  • 6G
    651629 (Profil gelöscht)

    Die letzten 3 AKW in dieser Situation abzuschalten ist einfach nur bescheuert.

    • @651629 (Profil gelöscht):

      Die letzten 3 AKW in dieser Situation weiterlaufen zu lassen ist einfach nur bescheuert.

  • @tomás zerolo



    Naja, ordentlich befestigen sollte man Solarmodule schon, damit sie bei Wind nicht wegfliegen :-)



    Hilft aber nix gegen das "Zappeln" des Solarstroms. Da helfen nur ausreichend große (und teure) Saisonspeicher.



    BTW: JS wird bei der taz immer lästiger. Jetzt muss man auch noch das Cookiebanner wegklicken...

  • @SOLLNDAS

    Ich würde die ja fest an die Fensterbank anschnallen, wegen des Zappelstroms 🤦

  • 6G
    656279 (Profil gelöscht)

    Von einem klassischen Blackout und fast ohne Vorwarnung gehe icht nicht aus. Das zu vermeiden dürfte auch die aktuelle Regierung noch schaffen.

    Einstellen sollte man sich dagegen auf mehr oder weniger intensive Brownouts nebst ggf. vorlaufender Netzschwankungen und mit mehr oder weniger Reaktionszeit in Sachen Ankündigung bzw. Warnung. Und gerade dafür ist es wichtig, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

    Die Ossis, gerade die älteren sind dabei im Vorteil, waren bis Ende 1989 immer mal damit konfrontiert; wie ich es damals bei meinen vielen Besuchen "drüben" lernen konnte.

    • @656279 (Profil gelöscht):

      Das kann ich als älterer Ossi voll und ganz bestätigen. Mit Stromausfällen gingen wir auf dem Dorf damals routiniert und relativ gelassen um.

      Allerdings:



      Wir heizten unsere Plattenbauwohnung mit Braunkohlebrikett, auch den Badeofen im Bad. Elektrischen Warmwasserboiler gab es nicht. Gekocht wurde mit Gas aus der Flasche. Telefon konnte nicht ausfallen. Hatten wir nicht. TV-Ausfall war nicht schlimm. Zur Arbeit fahren mussten die wenigsten. Die meisten waren bei uns auf dem Dorf beschäftigt. Wer mehr 10 km zur Arbeit musste, konnte einem Leid tun. (Der Trabi wäre allerdings auch ohne Stromladesäule gefahren, wenn er gemusst hätte.) Ausfall von Verkehrsleitsystemen war kein Thema, notfalls gab‘s Verkehrspolizisten (Die „Weiße Maus“), die in der Lage waren, auf damals üblichen, übersichtlichen Kreuzungen den Verkehr zu regeln. Ausfall von Sicherheitstechnik, IT, Gefrierschränken oder anderem Schnickschnack war ebenfalls kein Thema. Fahrstühle gab’s in unserem Plattenbau auch nicht.



      Habe heutige Studenten gefragt, was sie zuerst bei einem Blackout machen würden. Habe keine Antwort bekommen. (Fragt ruhig mal Oma und Opa, wie es damals war!)



      Für den geübten Ossi war damals klar: Sofort Trinkwasser in Eimer abfüllen, solange noch Druck auf der Leitung ist.



      Ich könnte noch mehr aufzählen, aber vielleicht wollen sich andere ja auch an dieser Retrospektive beteiligen?

      • @Mecklenburger:

        Kerzen sind gut. Und dafür sorgen, dass die Wasserleitung nicht einfriert.

      • @Mecklenburger:

        Die "Wessis" und die Nachwendegeborenen ahnen gar nicht hinter welche zivilisatorische Standards man in Deutschland so zurück fallen kann. Deswegen sind ja alle so scharf darauf: Frieren für den Frieden, einfach ein Pullover mehr und das wars. Das wars leider nicht.

  • "Auch solarbetriebene Batterieladegeräte oder Powerbanks anzuschaffen, ist sinnvoll."



    Stimmt :-)



    Allerdings weniger zur Notstromversorgung. Aber zur Weiterbildung: Man kann sich damit einen Eindruck verschaffen, wie das mit der Solarenergie im Winter ist...