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Wahlmanipulation durch RusslandLügen, die Politik machen

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Ein Geheimdienstbericht offenbart, dass Russland weltweit mit Desinformation Wahlen manipuliert hat. Für Wäh­le­r:in­nen in den USA ist das nicht neu.

Sticker in einem Wahlbüro Foto: Charles Krupa/ap

E s ist ein Problem für demokratische Gemeinwesen, wenn Lügen und andere Formen der Propaganda den Ausgang von Wahlen beeinflussen. Und es ist besonders hässlich, wenn die Drahtzieher der Operationen dabei im Dunkeln bleiben. Aber wirklich neu oder überraschend ist es nicht. Auch wenn Russland es tut.

Dass Washington jetzt Teile eines Geheimdienstberichts öffentlich macht, der Moskauer Desinformationskampagnen beschreibt, hat zumindest teilweise innenpolitische Gründe: In knapp zwei Monaten finden Halbzeitwahlen statt. Und demokratische Strategen befürchten, dass ihre Kandidaten dabei schlecht abschneiden und ihre Partei die Mehrheit im US-Kongress verlieren könnte. Der US-Präsident würde damit weitgehend handlungsunfähig.

Der Bericht, den Biden nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine in Auftrag gegeben hat, beschreibt Dinge, die spätestens seit den US-Wahlen von 2016 grob bekannt sind. Nach dem Bericht hat Moskau seit 2014 mindestens 300 Millionen Dollar investiert, um weltweit Wahlen zugunsten moskaufreundlicher Politik zu manipulieren. Mehr als zwei Dutzend Länder soll es getroffen haben. Vor allem rechte und rechtsextreme Kandidaten sollen begünstigt worden sein – darunter Trump.

Im politischen Geschäft der USA sind der Einsatz enormer Geldsummen und verdeckte Einflussnahme trauriger Alltag. Eine Armee von Lobbygruppen – im Auftrag der Pharmaindustrie, der Hersteller von Schusswaffen, der Kohle- und Erdölbranche etc. – ist darauf spezialisiert, Politiker mit Millionensummen und „Argumenten“ auszustatten, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben. US-Wähler sind diesen Lügen permanent ausgesetzt. Auch wenn sie von einem ihrer Kandidaten hören, dass Arbeitsplätze im Kohlebergbau sauber seien, wissen sie nicht, wer letztlich dahinter steckt.

Immerhin gibt es für „Lobbying“ in den USA – so undurchsichtig es für die Wähler sein mag – festgelegte Regeln. Moskau hat diese Regeln gebrochen. Aber im November wird das wenig am Wahlergebnis ändern. Ein Teil der US-Amerikaner weiß seit 2016, dass Trump der Favorit von Putin ist. Einem anderen Teil ist das völlig egal. Und allen ist gemeinsam, dass sie sich vor allem dafür interessieren, wie es ihrer wirtschaftlichen Situation und ihren Rechten geht. Aus ihrer Perspektive ist Russland ein anderer Planet.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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17 Kommentare

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  • Welche großartigen Lügen sollen das denn im einzelnen konkret gewesen sein?



    Dass Trump Amerika an Rußland verkauft hat? Das ist doch wahr.

  • Soweit ich weiß, sind die Regeln für Wahlkampffinanzierung in den USA so, dass Transparenz keineswegs existiert. "Sponsoren" können sich zusammenschließen (PAC / Superpac), und anonym Kampagnen finanzieren.

    en.wikipedia.org/w...l_action_committee

    • @Kaboom:

      So ist es. Da geht es inzwischen um Milliarden - die läppischen 300 russischen Millionen für 20 Länder.....

    • @Kaboom:

      Ist doch eher ein Problem der US-Gesetzgebung und nicht eines der russischen Manipulation, oder?

      • @Abdurchdiemitte:

        Die Einmischung in Wahlkämpfe hat nicht nur in den USA stattgefunden. Es handelt sich also nicht um ein Problem der US-Gesetzgebung.

  • Auch wenn nicht bestritten werden kann, dass es diese russischen Desinformations-Kampagnen gibt und es eine massive Einmischung in den US-Wahlkampf 2016 gegeben hat, werde ich den Verdacht nicht los, dass diese Kampagnen - aus naheliegenden Gründen - eindeutig überbewertet werden.



    Im Falle von Trumps Wahlsieg lag es doch auf der Hand, dass die Dems und ihre Kandidatin von der Mehrheit der Wählern wegen der sozialen und ökonomischen Krise der USA abgestraft wurden … Trump brauchte dann nur noch Honig aus dieser für viele US-Amerikaner durchaus existenziell bedrohlichen Misere zu ziehen. Hinzu kommt, dass Hillary Clinton ganz offensichtlich mit dem politischen Establishment identifiziert wurde, eine strategisch schlaue wie populistische Kampagne der Reps, die sowohl auf der sozialen wie der kulturellen Schiene gefahren wurde und dabei die Spaltung der US-Gesellschaft ausnutzte.



    Es ist jedoch eindeutig ein Narrativ, Putin für die gesellschaftlichen Friktionen in den USA verantwortlich zu machen, indem der russische Einfluss auf den damaligen Wahlsieg Trumps derart hochgejazzt wird. Auch Biden fährt jetzt offensichtlich auf dieser Schiene, denn den Dems droht bei den Midterms eine möglicherweise derbe Klatsche … da muss man sich wohl schon prophylaktisch in Stellung bringen.



    Misstrauisch stimmen sollte, dass die Berichte über russische Manipulationen im US-Wahlkampf aus der Feder des US-Geheimdienstes stammen … und dass sie Biden direkt nach Ausbruch des Ukraine-Krieges in Auftrag gegeben hat. Da passt es gut, dass man dem bad boy Putin jetzt alle Abscheulichkeiten dieser Welt unterschieben und so von seinem eigenen innenpolitischen Versagen ablenken kann.

    • @Abdurchdiemitte:

      Wenn Fakten nicht mehr bestritten werden können, werden sie relativiert und die Motivation der Quelle in Frage gestellt. Das haben Sie gerade gemacht.



      Danke für diese Lektion aus „Manipulation für Dummies“, lieber Trump-Versteher.

      • @Christian Lange:

        Es fällt nicht schwer, die Motivation der Quelle anzuzweifeln … ja, man sollte es sogar tun.



        Oder halten Sie Geheimdienst-Dossiers für sakrosankt wie US-Evangelikale die Bibel?



        Dann wären Sie nämlich der Trump-Versteher. Oder der Putin-Versteher … dieser hat den geschönten Berichten seines Geheimdienstes zur Stärke seiner Truppen und der militärischen Lage in der Ukraine auch vertraut.



        Der britische Geheimdienst hingegen kann getrost als Propaganda-Abteilung der britischen Regierung bezeichnet werden … schließlich hält er seine Informationen zur Lage in der Ukraine nicht geheim.

  • „ Immerhin gibt es für „Lobbying“ in den USA – so undurchsichtig es für die Wähler sein mag – festgelegte Regeln. “ und welche Regeln sind das?



    Und davon abgesehen, machen feste Regeln die Situation dadurch besser, gerechter, durchschaubar? hier in Deutschland ist doch die Situation trotz Lobbyregister nicht durchschaubar!



    Und wer hat Zeit und Musse sich all die Argumente genauer anzuschauen. Früher gab’s den Brockhaus – darauf war wenigstens einigermaßen Verlass. Worauf kann man sich heutzutage verlassen?



    Auf Regeln, die ich nicht kenne? Auf meinen so genannten gesunden Menschenverstand?



    Für mich ist das einzige Kriterium, dass der Menschlichkeit und der Brüderlichkeit. wem nützt es und wem schadet es?

  • Lügen, die Politik machen

    Gibt's auch hier, sogar bürgerlich: Markt, soziale Marktwirtschaft, das Öffentliche sei Kostgänger der Gesellschaft..

    S.g. etablierte Politik muss sich idR nicht wundern, denn diese Manipulationen geht Vertrauen verloren, was Verschwörungstheorien und permanente Gegenpositionen urbar macht.

  • Das intransparente Beeinflussen von Wahlen gehört von der UN unter Strafe gestellt. Weltweit. Immer.

    Ganz gleich ob die russische Regierung im Ausland die Sockenpuppen tanzen lässt oder die Gegenseite. Das gehört sich einfach nicht, bringt nur Verschwörungsspinnern auf allen Seiten Auftrieb, dient so nur antidemokratischen Regimes und zerlegt die Glaubwürdigkeit der Demokratie. Wenn wir die Guten sind sollten wir das lassen. Dann wären die Bösen wenigstens eindeutig zu erkennen.



    Snowden und Assange haben mehr als genug Material dazu geliefert.

    • @Bernd Berndner:

      So sollte es sein. Echte Demokratien sind leider anfällig für diese Art von Kriegsführung. Weil die USA da mitmischen, muss man aber nicht gleich von „der Westen ist auch nicht besser“ sprechen.

    • @Bernd Berndner:

      Ist es nicht immer noch so, dass es in Gesellschaften handfeste politische, soziale. ökonomische Interessen, Konflikte und Krisen gibt, die in erster Linie wahlentscheidend sind (in westlichen liberal-parlamentarischen Demokratien. in Autokraten natürlich nicht) … und nicht die Versuche von außen, auf demokratische Entscheidungsprozesse desinformierend und manipulierend einzuwirken?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Im Jahr 2020 hat allein das National Endowment for Democracy 254 Millionen US-Dollar in über 100 Ländern investiert, um dort eine liberal-kapitalistische parlamentarische Demokratie einzuführen, "freie" Märkte, kapitalistische Interessenvereinigungen, Lobbystrukturen und Parteien. Putins globales Propagandabudget sieht andessen schon klein aus, da muss noch nicht einmal das US-Geheimdienstbudget von 60 Milliarden angesprochen werden, das mit Sicherheit auch nicht nur dazu da ist, um Informationen zu sammeln und sich ansonsten an die diplomatischen Regeln politischer Einflussnahme zu halten.



    Die US-amerikanischen Geldeliten haben sich allein den letzten Wahlkampf in Bidens Steueroase Delaware mit seinen 10 Millionen Einwohnern über eine Milliarde US-Dollar kosten lassen. Da machen Putins Gelder auch nur den Unterschied eines rechten Großunternehmers mehr oder weniger.



    Mit dem Finger nach Russland zu zeigen und "Haltet den Dieb" zu rufen, ist bequem, um davon abzulenken, dass liberal-kapitalistische Parteien selbst den Mist machen, auf denen rechte Ideologien gedeihen.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Sehr gute Anslyse. Danke. Zumindest stimme ich darin überein, dass die Krise westlicher Demokratien „hausgemachter“ Natur ist … stattdessen wird heutzutage von vielen Zeitgenossen die äußere Bedrohungslage in den Vordergrund geschoben (die ist aber nur ein Resultat des selbstverschuldeten Niedergangs des kapitalistisch-neoliberalen Gesellschaftsmodells, ja, auch der Putinismus ist Ausfluss dieser neoliberalen Ideologie, selbst in seinem nationalistischen und imperialistischen Rekurs).



      Das macht „betriebsblind“ und das kann sogar hier in der taz beobachtet werden.

  • Der Teil der US-Amerikaner der Demokraten wählt, weiß seit 2016, dass Trump der Favorit von Putin ist. Dem Teil der Amerikaner der Republikaner wählt, ist das völlig egal. Dass ihre Politiker bestechlich sind, wissen alle.

    • @WernerS:

      Ohne eine Analyse der tiefgreifenden ökonomischen, sozialen und kulturpolitischen Krise der US-Gesellschaft wird man die anhaltende Popularität Trumps wohl nie verstehen können … nein, Trump ist kein Trojanisches Pferd Putins, diese Erklärung greift zu kurz.



      Richtig ist jedoch, dass Putin diese Schwachstellen seiner Gegner - das gilt auch für die europäischen Staaten - nur zu gut kennt und das auszunutzen versucht … gezielte Tritte in die “Weichteile” liberal-parlamentarisch verfasster Gesellschaften. Ihre innenpolitischen Probleme können die Staaten des demokratischen Westens allerdings nur selber lösen … Feindbildzuschreibungen helfen da in der Regel nicht weiter und wirken wenig überzeugend auf die “Zuschauer” im globalen Süden.