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Dy­ke*­M­arch in HamburgFrauen bedrohen Frauen

Hunderte Lesben haben beim Hamburger Dy­ke*­M­arch am Freitag gemeinsam friedlich demonstriert. Doch Radikalfeministinnen wollten Gewalt provozieren.

„Alle Lesben sind schön“ – diese Einstellung vertreten nicht alle Menschen innerhalb der Community Foto: Miriam Wagner

Hamburg taz | Es sollte ein feierlicher und solidarischer Umzug der lesbischen Community sein, doch dann gab es mal wieder Feindlichkeit gegen eine Gruppe unter ihnen: Am Freitag warteten beim Dy­ke*­M­arch in Hamburg etwa zehn Frauen mit transfeindlichen Plakaten auf den vorbeiziehenden Umzug. Sie drängten sich in den Block, der für trans und genderdiverse Menschen vorgesehen war, und wollten eine aggressive Ablehnungsreaktion seitens der Teil­neh­me­r*in­nen provozieren, erzählten die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen der taz.

Statt darauf einzugehen, antwortete der Block mit einem gewaltfreien Zeichen des Widerstands, sagt Cornelia Kost, Vertreterin des Hamburger Bündnisses für trans und non-binäre Menschen – sie legten sich auf den Boden, ließen andere De­mons­tran­t*in­nen an sich vorbeiziehen und machten so auf die Situation aufmerksam. Weil parlamentarische Be­ob­ach­te­r*in­nen anwesend waren und die Polizei schnell reagierte, konnte Kost zufolge eine Eskalation verhindert werden.

Organisiert wurde der Dy­ke*­M­arch vom Lesbennetzwerk Hamburg. Obwohl die Demonstrationen deutschlandweit als transinklusiv gelten, werden immer noch häufig trans Menschen ausgegrenzt. Das Lesbische Aktionszentrum Berlin (LAZ Reloaded) und Women’s Declaration International Germany (WDI) hatten bereits eine Woche zuvor bei Twitter ihre Empörung darüber ausgedrückt, dass trans und gender-diverse Menschen beim Dy­ke*­M­arch mitlaufen.

Verschiedene Maßnahmen

Cornelia Kost und auch Eva Burgdorf, Versammlungsleiterin und Vertreterin des Lesbennetzwerkes Hamburg, sehen darin eine Provokation. Das Hauptziel des Verhaltens der LAZ Reloaded und des WDI sei es, Bilder zu produzieren, auf denen trans und nonbinäre Menschen als gewalttätig dargestellt werden, sagt Kost: „Der trans Community wird Aggressivität unterstellt und diese Gruppen werfen uns oft Angriffe gegen ihre Mitglieder vor. Deshalb haben wir darauf geachtet, mit unserer Reaktion eindeutig friedlich zu sein und diese Bilder nicht zu reproduzieren.“ Die Hamburger Linken-Fraktionssprecherin Carola Ensslen, die als parlamentarische Beobachterin vor Ort war, bestätigte Kosts Schilderung auf taz-Anfrage.

Wegen der vorherigen Ankündigungen von LAZ Reloaded und WDI hat das Lesbennetzwerk zusammen mit dem Bündnisfür trans und nicht-binäre Personen verschiedene Maßnahmen beschlossen: Sie haben parlamentarische Be­ob­ach­te­r*in­nen angefragt und die Polizei über mögliche Vorfälle informiert. Sowohl am Anfang der Demo als auch währenddessen haben die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen betont, dass der Dy­ke*­M­arch trans­inklusiv ist.

Doch trotz aller Vorkehrungen empfanden die Teil­neh­me­r*in­nen des trans Blocks die Situation als bedrohlich. „Trans Personen erleben oft Gewalt auf offener Straße. Dementsprechend hatten alle Personen im Block massive Angst. Viele Mitglieder standen unter Schock. Wir wussten nicht, was passieren würde – nur dass körperliche Gewalt provoziert werden sollte“, sagt Kost. Sich auf den Boden zu legen statt auf die Provokation zu reagieren, sollte nicht nur eine Eskalation verhindern, sondern auch ein Zeichen setzen, sagt Kost. „Radikalfeministinnen wollen uns die Teilnahme am Dy­ke*­M­arch verweigern. Sie behaupten, trans Menschen würden gar nicht existieren“, sagt sie. „Aber wenn wir nicht existieren sollen, sind wir faktisch tot. Unsere Aktion sollte ihnen vor Augen führen, was ihre Aussagen und Forderungen eigentlich bedeuten.“

Bündnisse statt Lager

Nach dem Vorfall löste die Polizei den Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen und Ensslen zufolge schnell und friedlich die Situation: Die Frauen mit den Plakaten wurden vom Dy­ke*­M­arch entfernt und mussten im Anschluss ihre eigene Versammlung anmelden. Die De­mons­tran­t*in­nen durften weiterziehen.

Dennoch wünscht sich Burgdorf, es wäre nicht so weit gekommen. Das Lesbennetzwerk war ihr zufolge gewillt, den Dialog zu suchen: „Es hätte im Netzwerk eine offene Diskussion über der Teilnahme von LAZ Reloaded und WDI an der Demonstration gegeben. Miteinander reden ist immer der erste Schritt der Gewaltprävention. Stattdessen wirkte ihre Anwesenheit bedrohlich.“

Die Spannungen in Hamburg spiegeln die Diskussion darüber wider, ob trans Menschen bei Veranstaltungen einbezogen werden sollen, bei denen es vordergründig um lesbische Sichtbarkeit und Öffentlichkeit geht. Es sei aber notwendig, Bündnisse zu schließen, statt in Lagern gegeneinander zu kämpfen, betont Burgdorf: „Wir in Hamburg üben Solidarität aus, insbesondere wenn wir klar wissen, wogegen wir gemeinsam kämpfen – nämlich gegen patriarchale Strukturen!“

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22 Kommentare

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  • Letztlich sind wir doch alle Menschen.



    Es ist schade das es nicht so einfach ist.

  • Das ist eine sehr traurige und gleichzeitig bizarre Entwicklung:

    Belegt und nicht überraschend ist, dass Vorbehalte gegen Transpersonen und non-binären Personen von rechtsgerichteten Kreisen und religiösen Fundamentalisten vertreten werden. Diese gehen von einer simplifizierten Biologie aus, die sie mehr oder weniger mit religiösen Dogmen verbinden. Auch die Angst des Konservatismus vor Neuem und das dadurch bedingte Festhalten an allem, was lange als etabliert galt, gehört hier zu.

    Nun aber beobachten wir, dass eine (kleine) Gruppe eigentlich radikaler Feministinnen, die sich früher gerade gegen Biologismus und für die Überwindung der binären Geschlechtergrenzen einsetzte, gemeinsam mit Rechten auf den Zug der Transphobie aufspringen. Sie reden Probleme herbei, die bisher nur Rechte kannten, oder sie suchen sich in klassischer Manier gruppenbezogene Hetze Einzelfälle heraus, um diese gegen eine ganze Gruppe zu wenden. Sie verbinden sich bereits teilweise auch in Zusammenschlüssen mit der Rechten, auch wenn sich andere noch von ihr distanzieren, ohne zu merken, dass diese Distanzierung an der Parallelität der Gedanken und Praktiken nichts ändert.

  • Weitermachen!: Immer schön spalten und trennen, trennen und spalten, vereinzelnen bis hin zum Einzeller. Evolution im Rückwärtsgang.



    Das konnte selbst Darwin nicht ahnen.

  • „Die Zurückweisung des eigenen Körpers ist keine Identität“, was für ein fürchterlicher, reaktionärer Spruch! Menschen, die trans sind, ausschliessen zu wollen, das tut einfach nur weh. Wisst ihr selbst nicht mehr, wie das ist, wenn man ausgeschlossen wird, oder ist es euch immer einfach viel zu gut gegangen? Transfrauen sind Frauen, was gibt es denn da zu diskutieren?

    Es ist ja völlig legitim, dass man nicht auf alle körperlichen Merkmale steht. Jede/r hat da ihr/sein Beuteschema. Insbesondere finden viele Menschen körperliche Normabweichungen regelrecht abstossend – und ja, ein nicht zum Identitätsgefühl passender Körper gehört auch dazu. Aber würdet ihr lesbische Frauen von einer Demo ausschliessen, nur weil sie kleine oder große Brüste haben? Oder nach einer Krebs-OP vielleicht gar keine mehr?- Eben.

    Könnt ihr euch nicht vorstellen, wie es für eine Frau anfühlt, die SELBST am meisten darunter leidet, einen Penis zu haben, wenn sie dann auch noch als „Mann“ bezeichnet wird?



    Mir stehen die Haare zu Berge angesichts dieser Diskussionen „Transfrauen sind keine Frauen.“ Die Folgen sehen wir hier.

    • @Wald und Flur:

      Mir stehen die Haare zu Berge, wenn auf Anweisung der Transfrauen die Lesben per Polizei aus der Lesbenveranstaltung entfernt werden.



      Mir stehen die Haare zu Berge, wenn wie bei den Dyke Marches in Köln und Berlin Transfrauen und ihre Allys den Lesben ihre Transparente gewaltsam entreißen und die Lesben körperlich attackiert werden. Das Verbrechen, das die Lesben begangen haben? Auf ihren Transparenten stand "Lesben sind erwachsene weibliche Personen" und "Lesben haben keinen Penis". Dank der unermüdlichen "Arbeit" der Transrechtsaktivisten dürfen solche Transparente auf Lesbenveranstaltungen nicht mehr gezeigt werden, ohne das Risiko, körperlich angegriffen zu werden. Ganze Arbeit, liebe Transfrauen! Seit stolz auf euch! Wen treffen eure Attacken als Nächstes?

      • @abraxas:

        Und in welcher Hinsicht ist das jetzt eine Antwort auf meinen Kommentar, außer dem Versuch einer polemischen Entwertung durch Ablenken?

        Es ist doch komplett albern, so zu tun, als wäre der Slogan "Lesben haben keinen Penis" harmlos. Wir kennen doch beide den Hintergrund davon: Transfrauen als "Männer" zu beleidigen.

        • @Wald und Flur:

          Z.B. weil Lesben inzwischen als "transfeindlich" beschimpft werden, wenn sie nicht mit PenisträgerInnen ins Bett steigen wollen (umgekehrt ergeht es Schwulen inzwischen genauso).

          • @Irene Reindl:

            Ja, aber eine gemeinsame Demo ist der falsche Ort, um so etwas miteinander auszudiskutieren.

  • Die männlich sozialisierten Transfrauen:

    "Yeah, eine Frauendemo! Da machen wir mit! Gemeinsam sind wir stark! Wenn wir viele sind, können wir mehr erreichen!

    Ein paar "Wortführerinnen" (kennt jede Frau schon seit dem Kindergartenalter): "Nääääh, ihr gehört aber NICHT dazu!!! Ihr dürft bei uns nicht mitspielen!!! Ihr seid gar keine richigen rosa Katzen!"

    Ausgrenzen statt Allianzen schmieden, eine Top-Mißerfolgsstrategie mancher Frauen.

    • @Wald und Flur:

      Das Problem: es geht ja nicht ums Mitmachen. Es werden keine Allianzen geschmiedet.



      Die Transfrauen lassen die Lesben per Polizei aus der Lesbenveranstaltung schmeißen.

  • Schade, dass in dem Artikel nicht erwähnt wird, was auf den Plakaten stand.



    Oder Absicht? Denn dann wäre ja zu klären gewesen, was an Aussagen wie z.B. "Lesben sind homosexuelle erwachsene weibliche Personen" oder "Du brauchst dich nicht (bzw. ich werde mich nicht) entschuldigen, wenn du keinen Penis magst" so gewaltvoll und menschenfeindlich ist. Auf einer Lesbenveranstaltung, wohlgemerkt.

    Da braucht es dann "parlamentarische Beobachterinnen", die die Polizei rufen, um die Frauen mit diesen Schildern aus der Demonstration zu entfernen? Denn die Gefühle der auf einer Lesbenveranstaltung anwesenden Transpersonen wurden durch diese Schilder so außerordentlich verletzt, dass sie sich in Notwehr auf den Boden werfen und schreien mussten, bis die Polizei dafür sorgte, dass die unerwünschten lesbischen Frauen sich von dem Lesbenmarsch entfernten und nicht mehr mit ihren Schildern die Gefühle der empfindsamen Transpersonen störten.

    • @abraxas:

      Den "Maikäfer" (so nannte das meine Mutter wenn kleine Kinder sich bockig auf den Rücken legen) machen und Schergen in Körperpanzer rufen ist sicher eine gute Art der Deeskalation, wenn man von Plakaten in seiner Sicherheit bedroht wird. ;)

  • Schön wie sch das Bild auf den Mann in der Mitte des Wimmelbildes konzentriert. 🤪 Inklusive und Zeichen setzend ist das auf alle Fälle.

    • @Rudolf Fissner:

      Woher wissen Sie dass das ein Mann ist?

      • @Saile:

        Aus dem selben Grund, weshalb Sie bei genau der gleichen Person nachfragen. 😊

        • @Rudolf Fissner:

          Der Kandidat hat 100 Punkte!



          Gratuliere, das war der Volltreffer dieses Sommers!

  • Nochmal auf Twitter gesucht: Die Plakate, die ich finden kann, sind



    - "Lesbian (noun) - homosexual adult female"



    - "I like women not men"



    - "you never need to apologize for not liking dick"



    - "Radfems wehren sich"



    - "Deine Pronomen sind mir egal, Markus"



    - "Die Zurückweisung des eigenen Körpers ist keine Identität. Wir werden nicht im falschen Körper geboren, sondern leben in einer homophoben und sexistischen Gesellschaft"

    Kann man sicher diskutieren, die persönliche Addressierung an eine spezifische Person des öffentlichen Lebens ist sicherlich nicht die gute Kinderstube, aber sich davon bedroht und zur Eskalation provoziert zu fühlen, erscheint mir fast als das größere Problem.

  • Die 10 Lesben vom LAZ und WDI haben andere Teilnehmer_innen durch Plakate "bedroht"?

    Als Reaktion auf die Plakate "konnte Kost zufolge eine Eskalation verhindert werden" nur weil "parlamentarische Be­ob­ach­te­r*in­nen anwesend waren und die Polizei schnell reagierte"?

    Das ist doch absurd...Wieviel Raum für unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse haben wir noch? Scheinbar keine 3 Zentimeter. Ich hab früher mal eine queere Ringvorlesung mitorganisiert, aber inzwischen graut mir vor der tollen neuen Einheits-Diversity.

  • Ich finde diesen Bericht sehr einseitig.

    Auch ich war nicht vor Ort, aber ich habe mich auf beiden Seiten informiert und komme zu einem anderen Bild.

    Wer hat wann die LGB-Community zu einer LGBTQIA-Community umdefiniert? Wie viele Schwule und Lesben haben diesen Prozess mitgestaltet, wie viele fühlen sich dieser sogenannten Community zugehörig?

    Ich als schwuler (und früher durchaus bewegungsaktiver) Mann jedenfalls nicht. Für mich ist diese Erweiterung lediglich ein Symptom davon, dass einigen Verbandsfunktionären seit Einführung der Ehe für alle ihre Daseinsberechtigung weitgehend abhandengekommen ist.

    Homosexualität kommt von Sexus, nicht von Genus. Lesben sind Frauen, die Frauen lieben, Schwule sind Männer, die Männer lieben, und wir reden hier vom biologischen Geschlecht. Wenn Sie Frauen, die dieser Aussage zustimmen, als "Radikalfeministinnen" bezeichen, dann ist das in meinen Augen diffamierend, denn diese Aussage ist einfach nur Common Sense.

    Dass beim Dyke March als Veranstaltung von und für Lesben die Trans-Person Tessa Ganserer als Hauptrednerin angekündigt war (jedoch wegen Krankheit ausfiel), darf man befremdlich finden.

    Dass "Demonstrationen deutschlandweit als transinklusiv gelten" ist ein Scheinargument, denn wer legt das fest? Ein Handvoll Vereins- und Verbandsfunktionäre.

    Insofern finde ich es absolut legitim, dass manche Lesben sichtbar und lautstark gegen eine solche Vereinnahmung protestieren.

    Selbstverständlich darf es keine Gewalt oder Aufrufe dazu geben. Allerdings gab es wohl auch durchaus Aggressionen von der "transinklusiven" Seite, wie etwa ein Plakat mit der Aufschrift "Some women have a penis, and some TERFs have no teeth", das ich als Veranstalter nicht geduldet hätte.

    Es ist wohl an der Zeit, eine neue "Old School" Schwulen- und Lesben-Interessenvertretung zu begründen.

    • @Harald Wellmann:

      Ja, es ist Zeit, etwas zu tun gegen diese autoritative Vereinnahmung.

  • Der Kommentar wurde entfernt. Unsere Netiquette können Sie hier nachlesen: taz.de/netiquette

    Die Moderation

  • Es wäre sinnvoll gewesen, im Artikel mitzuteilen, was auf den Plakaten stand. Dann könnten sich die Leser auch selbst eine Meinung bilden, ob die betreffenden Inhalte transfeindlich waren. Anderswo wird berichtet, auf den Plakaten hätten die Slogans »Ich stehe auf Frauen, nicht Männer“ und »Lesbe: Eine erwachsene homosexuelle Frau« gestanden.