Gaslieferungen aus Nordstream 1: Die Turbine und der Kanzler

Wladimir Putins Bluff scheint entlarvt. Olaf Scholz verschafft sich selbst einen Eindruck über das Gerät und vergibt das Prädikat: perfekter Zustand.

Olas Scholz vor einer Turbine

Ein Ding mit Swing: Bundeskanzler Olaf Scholz und die Turbine in Mülheim an der Ruhr Foto: Wolfgang Rattay/reuters

BERLIN taz | Mit diesem Besuch hatte nun wirklich niemand gerechnet. Mitten in der Sommerpause an einem heißen Mittwoch: Bundeskanzler Olaf Scholz besucht kurzfristig die derzeit wichtigste Turbine Deutschlands, wenn nicht die bekannteste weltweit, in Mülheim an der Ruhr. Zuvor lag sie in Kanada zur Reparatur, jetzt wartet sie seit Mitte Juli im Ruhrgebiet auf den Weitertransport nach Russland.

Scholz traf am Mittwoch also auf die Turbine mit der Serien­nummer 9260, Modell SGT-A65, rund 12 Meter lang, 18,5 Tonnen schwer. Ihr eigentlicher Platz ist in der russischen Gasverdichter­station Portowaja. Dort sorgt sie mit anderen Turbinen dafür, dass richtig Druck aufgebaut wird in der Ostseepipeline, damit das Gas fließen kann.

Jetzt also Mülheim. Ihre Reise gerät gerade ins Stocken, weil der russische Energiekonzern Gazprom behauptet, dass die Turbine gar nicht da sei. Es würden Dokumente und Informationen zur Reparatur des Geräts fehlen, so die Behauptung. Die Folge: reduzierte Gaslieferungen über Nord Stream 1 und nicht erfüllte Gaslieferungsverträge. Der Betreiberkonzern Siemens Energy hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Nun aber macht sich der Kanzler ein Bild von dem Stahlungetüm und kann dann via Twitter vermelden: „Bei Siemens Energy konnte ich mit eigenen Augen sehen: Die gewartete Turbine ist da und jederzeit einsatzbereit.“

Bekanntermaßen ist Scholz nicht derjenige, der gerne launige PR-Bilder macht, sondern nur dann, wenn Außenbesuche nötig sind. Ein kurzes „Rein und raus“ ist ja eigentlich nicht sein Fall. Solche Aussagen haben ihm in anderen heiklen Situationen, etwa als es um einen Besuch in der Ukraine ging, um Präsident Selenski seine Solidarität auszusprechen, viel Häme eingebracht. Bei der Turbine sieht das offenbar anders aus. Bis vor Kurzem ließ die Bundesregierung immer wieder ausrichten, dass ihr genauer Standort nicht bekannt gegeben werden dürfe. Aus Sicherheitsgründen. Verständlicherweise. Nun gibt es schöne Fotos mit Scholz am Gerät, eine Pressekonferenz und das Signal: Schluss mit dem Mythos um die Turbine. Er – Scholz – habe sich gedacht, es wäre vielleicht ganz sinnvoll, „wenn wir uns sie mal gemeinsam anschauen, damit man sieht, es gibt sie wirklich, sie steht hier, sie ist einsatzbereit“.

Putins Energiespielchen lassen Scholz posieren

Aus technischer Sicht spricht offenbar nichts dagegen, dass die Turbine dort zum Einsatz kommt, wo sie wirklich gebraucht wird. Das bestätigt auch Siemens-Energy-Vorstandschef Christian Bruch. „Sie brauchen fünf von solchen Turbinen, damit 100 Prozent Leistung erzeugt wird. Davon läuft heute eine. Deswegen sind wir bei 20 Prozent“, sagte Bruch beim Kanzlerbesuch in Mülheim.

Putins Energiespielchen haben dafür gesorgt, dass Kanzler Scholz sich sogar mit der SGT-A65 ablichten lässt. Nun ist Gazprom am Zug. Doch so einfach wird es nicht. Der Scholzsche Besuch kommt im russischen Staatsfernsehen alles andere als gut an. Unmittelbar im Anschluss an den Turbinen-Besuch wurden Videos mit Hitler-Vergleichen zu Scholz verbreitet. (mit dpa)

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