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Foto: Antoni Lallican und Oleksandr Magula

Milizionäre in der UkraineGeneration Asow

Sie kämpfen gegen Russland, tragen rechte Symbole und werden in der Ukraine gefeiert. Doch wer sind die Asow-Kämpfer? Ein Treffen in Charkiw.

Philip Malzahn
Von Philip Malzahn aus Charkiw

Z wischen den Trümmern seiner Kindheit sitzt Sledak. Neben ihm sein zehnjähriges Ich. Der Junge auf dem Bild lächelt. Der Erwachsene starrt auf das Dosengulasch, das die Russen in sein Wohnzimmer gebracht haben. Der Junge auf dem Bild liest ein Buch. Der Erwachsene hält eine Waffe. Der Junge auf dem Bild wird von seiner Mutter gestreichelt. Dort ist es Herbst, vor zwölf Jahren. Niemand streichelt Sledak, den Erwachsenen. Es ist Sommer in Pitomnik, einem Dorf zwischen der Millionenstadt Charkiw in der Ostukraine und Russland.

Das Haus, in dem er aufgewachsen ist, in dem die Russen gehaust haben, ist ein Außenposten seiner Truppe, Asow. Durch das Bild, die Momentaufnahme einer glücklicheren Vergangenheit, geht ein langer Schlitz. Mit dem Messer haben die Russen Oberkörper von Mutter und Sohn getrennt. Sie haben es im Wohnzimmer liegen lassen. An das Sofa angelehnt, als Willkommensgruß. Wir kriegen euch – das ist die Botschaft.

Die Katzen sind tot. Ebenfalls durch das Messer. Eine hängt in der Plastiktüte, die andere hat Sledak mit einem Pullover zugedeckt. Sie liegt im oberen Stock auf dem Teppichboden neben dem Computer. Die Mutter, die ihn als Kind geliebkost hat, ist in Bulgarien. „Töte sie!“, soll sie ihm gesagt haben. „Sie“, das sind die Russen. Töten, das macht Sledak mit seinem engsten Freund Rijs. „Sledak“ heißt Detekiv; „Rijs“ heißt Luchs. Spitznamen, Rufnamen, Kampfnamen. Echte Namen gibt es im Krieg nicht. Man weiß nie, wer womöglich gerade zuhört.

Der 22-jährige Sledak war bis Februar Kadett an der Polizeiakademie. Deshalb „Detektiv“. Rijs träumte von einer Karriere als Stand-Up-Comedian, hatte kurz vor dem Krieg bereits die ersten Auftritte. Im Februar, als Putin zum Angriff bläst und die Panzer auf sie zurollen, wollen die beiden kämpfen – und zwar bei Asow. Es ist eine von ukrainischen Rechtsextremisten gegründete, berühmt gewordene Miliz. Über die Frage, zu welchen Anteilen diese heute noch aus rechtsextremen Kämp­fe­rn oder einfachen Sol­da­ten besteht, gibt es heftige Debatten.

Nach nur wenigen Wochen landen Sledak und Rijs auf eigenen Wunsch bei den Kraken, einer Spezialeinheit des Asow-Regiments. Auf ihre Uniformen nähen sie Patches mit Thors Hammer – einem der wichtigsten, global verbreiteten Symbole der Rechten.

Auszeit vom Kampf: Asow-Milizionäre beim Baden in einem Fluss Foto: Antoni Lallican und Oleksandr Magula

Der Artillerie die Koordinaten des eigenen Hauses gegeben

Sledaks Heimatdorf Pitomnik wird vom Feind eingenommen, die Russen erreichen die Tore Charkiws. Es hagelt Bomben, die Großstadt droht im Terror unterzugehen. Dann, Ende April, starten das Asow-Regiment und die Armee eine Gegenoffensive. Der Detektiv und der Luchs sind mit dabei. Sie kennen dabei keine Gnade, auch nicht gegenüber sich selbst. „Ich hab unserer Artillerie freiwillig die Koordinaten meines Hauses gegeben“, sagt Sledak. „Freiwillig“, das betont er. Es war ein Bekannter, der Sledak verraten hatte, dass die Russen in dem Haus eine Stellung bezogen hatten.

Das Haus steht noch – teilweise. Sledak verlässt das Sofa, den Moment der Ruhe und Trauer und läuft die Treppe hoch. Vorbei an mehr Familienbildern, seinen toten Katzen und in das alte Schlafzimmer. Vorbei an Patronen, Klamotten, Waffen und einer kleinen Spendenbox, die seine Kameraden zum Spaß aufgestellt haben. Oben angekommen sind weitere Mitglieder der Kraken dabei, mit einem Brecheisen den Fensterrahmen rauszureißen. Andere versetzen eine Drohne mit einer Sprengladung. Das Fenster ist raus, die Drohne fliegt Richtung Waldrand. Nur 800 Meter, da steht der Feind.

Der Krieg findet nun auf dem Bildschirm statt. Die jungen Soldaten haben die Russen erspäht. Die Drohne wird über den Ahnungslosen im Schützengraben positioniert. Der rote Knopf sinkt reibungslos in die Plastikfassung. Die Explosion ist zuerst auf dem kleinen Bildschirm zu sehen. Dann dringt ihr Lärm durch den offenen Fensterrahmen.

Ich will nicht für diese Leute sterben, die Däumchen drehen und auf Putin warten.

Der Asow-Kämpfer Punf

So kämpfen wir bei Asow, sagen die beiden. Das eigene Haus: „Ein kleiner Preis für Freiheit“, sagt Sledak. Über Politik reden die beiden wenig, weder untereinander noch im Interview. „Bei uns kämpft auch ein Muslim, Spitzname Ararat“, sagt Rijs. Patrioten wären sie alle, natürlich. Nationalisten, ja. Keine Nazis. Ein anderes Volk auslöschen, das wollten die anderen, die Russen, sagen sie. Nach ihrer Mission laufen sie zum Auto. 300 Meter vom Haus durch den Wald. Es dauert eine Ewigkeit. Wenn man so nah am Feind ist, kann man unmöglich erkennen, ob ein Knall bedeutet: wir schießen, oder die anderen. Bei jedem Geräusch halten die beiden inne.

In ihrer Freizeit treffen sich Rijs und Sledek mit ihren Freunden, um an einem See am Stadtrand von Charkiw mit Kalaschnikows zu schießen Foto: Antoni Lallican und Oleksandr Magula

Dann geht es ab in den VW Caddy, waldgrün lackiert, „Kraken-Mobil“ genannt, sie fahren die 15 Kilometer zurück nach Charkiw. Zum Feierabend wollen sie schwimmen gehen und ein paar Granaten werfen, zum Trainieren. Die Laune ist gut, der Tag ein Erfolg. Sie leben.

„Thor mit uns“ steht in Runenschrift auf ihren Uniform-Armen. Aus Boxen tönt ein Loblied auf den jüdischen Präsidenten Wolodimir Selenski, Spitzname Wowa. Techno. „Du bist der Einzige, der das Volk vereinen konnte“, sagt die Stimme, „Fick sie, Wowa!“ Sledak und Rijs wippen begeistert mit. Das ist die Ukraine nach über 145 Tagen Krieg. Ein jüdischer Präsident motiviert junge Asow-Kämpfer mit einem Faible für Germanenkult. „Das Leben ist kurz“, sagt der Luchs.

Um die Politik kümmert sich ihr Kommandant. Er heißt Konstantin Nemitschew. Spitzkinnig, bullig. Früher Fußball-Hooligan des Vereins Metallist. Asow-Kämpfer erster Stunde, seit 2014. In den Folgejahren Politiker, Bürgermeisterkandidat bei den Wahlen im Oktober für die extrem rechte Partei Nationaler Korpus, den politischen Arm von Asow. Nemitschew scheitert dabei mit fünf Prozent. Dann kommt Putins Invasion, und Nemi­tschew wechselt wieder Zwirn gegen Uniform.

Der Krieg kreiert ungewöhnliche und unübliche Freundschaften.

Kuzya, Asow-Kämpfer

Das gelbe Logo Asows, das wie die SS-Wolfsangel aussieht, von dem sie beteuern, es seien lediglich die Anfangsbuchstaben der „Nationalen Idee“, prangt auf seiner Schulter. „Das ist ein russisches Narrativ, eine Erfindung, uns zu diffamieren“, sagt er über die Nazi-Vorwürfe. „Alle Ethnien und Religionen bei Asow sind willkommen. Alle, die für die Ukraine kämpfen.“

Und die russischsprachige Bevölkerung? „Dass wir diese Menschen unterdrücken, ist eine Lüge. Ich bin ein russischsprachiger Ukrainer. Die Russen dachten, sie werden mit Blumen empfangen“, sagt Nemitschew. „Aber es gibt hier nur Waffen.“

Auf dem Übungsplatz außerhalb von Charkiw Foto: Antoni Lallican und Oleksandr Magula

Wie viel Prozent Nemitschew jetzt bei einer Wahl erhalten würde, kann man nicht sagen. Auf jeden Fall mehr als fünf. Wahrscheinlich weitaus mehr. Asow ist überall, in aller Munde, im Internet, auf den Straßen. Warum? Wegen der Schlacht um die belagerte Stahl- und Hafenstadt Mariupol am Schwarzen Meer. Wegen der Kämpfer, die nun in russischer Gefangenschaft sind. Asow sind die, die nicht aufgeben. Überdimensionale Graffitis würdigen die Kämpfer auf den Straßen.

Töten, gefangen nehmen, zurückdrängen

In Kiew, Charkiw, Dnipro. „Asowstal“ steht da, „Kraken“ dort. Nach Mariupol kam die spektakuläre Gegenoffensive um Charkiw. Während die Russen woanders vormarschieren, befreien die Kraken Dutzende Ortschaften. Als kämpften sie in einem anderen Krieg, vermeldet die Spezialeinheit aus Charkiw einen Erfolg nach dem nächsten. Hunderttausende schauen die Videos der Kämpfer. Auf Youtube, Instagram oder Telegram ist man bei reißerischeren Technobeats fast live dabei, wenn sie den Feind töten, gefangen nehmen, zurückdrängen.

In Russland steht Nemitschew ganz oben auf der Abschussliste: Am 29. März behauptet der russische Abgeordnete und General a. D. Wladimir Schamanow vor der Duma, die Spezialeinheiten Speznaz hätten Nemitschew und seinen Co-Kommandaten, Sergei Welikow, alias „Chilli“, festgenommen. „Diese Bastarde sind Nazis aus einer Fangruppe des örtlichen Fußballvereins Metallist. Jetzt sind sie auf den Knien und flehen um Gnade“, so Schamanow. Fake News, die Nemitschew in die Hände spielt. „Jetzt schreiben mir sogar viele Menschen aus Russland, die unsere Sache unterstützen“, sagt er.

Der ganze Wirbel um Asow hat dafür gesorgt, dass die Zahl der Kämpfer nach eigenen Angaben rasant zunimmt. Vor Februar wurde die Truppenstärke Asows auf 2.500 Mann geschätzt. Wie viele es heute sind, will Nemitschew nicht sagen. Alleine die Kraken in Charkiw sind über 1.800 Mann stark. Dazu kommen Spezialkräfte, Infanterie, Artillerie, eine eigene Nachrichtendienstabteilung und Asow-Freiwilligenbataillone an mehreren Fronten im ganzen Land. Mittlerweile haben sie eigene Panzer. Nicht von Europa oder den USA, sondern von ihrem Feind.

Konstantin Nemitschev ist Asow-Lokalpolitiker und einer der Kommandanten der Kraken-Einheit Foto: Antoni Lallican und Oleksandr Magula

Viele wie Sledak und Rijs, die sich vorher weder für Politik noch Krieg interessiert haben, gehen lieber zu Asow als zur normalen Armee. Sie kommen, weil sie in ihrer Heimatstadt und mit ihren Freunden kämpfen können. Viele kennen sich von früher, vor allem aus dem Hooligan-Umfeld. Sie kommen wegen der Moral, des Kampfgeists, vielleicht auch wegen des Ruhms.

Wobei: Wer in das Gesicht der Anfang-20-jährigen schaut, Gesichter, die gelernt haben, was es heißt, ein Leben zu nehmen, der weiß: Es gibt nichts Rühmliches am Krieg. Rijs und Sledak klagen von Schlafproblemen, von Traumata, machen aber weiter. „Bis zum Tod.“ Nemitschew spricht in den Ruinen des zerbombten Gouverneurspalasts, doch er hat eine Vision für die Zukunft. „Als die Wohnungen der Menschen von Raketen getroffen wurden, ist das Land aufgewacht“, sagt er. Er will die Ukraine weder als Teil der EU noch der Nato. Er sieht eine Union mit Polen, Estland, Litauen. Länder, die in ihrer Entschlossenheit im Kampf gegen Russland vereint sind. Der Krieg und die Frage nach dem Danach, sie dominieren in der Ukraine alles: Politik, Medien, Gesellschaft.

De jure Teil des Staates, de facto etwas anderes

Die zwielichtige Vergangenheit Asows, sie scheint keine Rolle zu spielen. Dabei gibt es sie: Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen, Misshandlung von Kriegsgefangenen, Angriffe auf Sinti und Roma. Die USA wollten die Gruppe einst auf die Terrorliste setzen. Heute präsentiert sich Asow bedachter, vorsichtiger. Die Aufmachung, die Präsenz in den sozialen Medien: hochprofessionell. Die hohe Anzahl neuer Mitglieder, die nichts mit dem politischen Kader zu tun haben, sowie die vielen Heldengeschichten haben dazu geführt, dass Asow in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Was bedeutet das für die Zukunft, für die Generation, die im Krieg aufwächst? Und was passiert, wenn der Krieg einmal vorbei ist? Ziemlich sicher wird sich einiges in der Ukraine ändern, ziemlich sicher wird Asow ein großer Teil dieser Veränderung sein. Wohin es genau geht, dafür gibt es nur Indizien. Auch wenn das Regiment formell dem Innenministerium unterstellt ist, auch wenn Kiew die Gehälter zahlt: Asow fährt keineswegs auf Regierungslinie. De jure sind sie Teil des Staates, de facto etwas anderes.

Kuzya (links) spielt Rugby, Punf liebt das Bogenschießen Foto: Antoni Lallican und Oleksandr Magula

Bereits während der Belagerung des Stahlwerks in Mariupol drangen aus den Katakomben harte Vorwürfe. Auf den wenigen Pressekonferenzen in diesen Tagen hieß es: „Wir haben Kiew gewarnt. Dies ist auch die Schuld der Regierung. Wir hätten diese Katastrophe verhindern können.“

Nemitschew selbst schlägt versöhnliche Töne an. Die wichtigste Lektion des Krieges hätten die Ukrainer bereits gelernt. „Zusammenhalt. Nur so sind wir stark, und nur so können wir das Land wieder aufbauen.“ So zu reden kann sich das Regiment leisten. Asow agiert aus einer absoluten Machtposition.

Namen auf russischen Fahndungslisten

Zurück in Charkiw, auf dem Boden der Tatsachen, an der Front. Teil der Artillerie, die Sledaks Haus auf dessen Wunsch ins Visier genommen hat, sind Kuzya und Punf. Die Haubitze, mit der sie schießen, haben sie geklaut. Von Russland. Jetzt feuert die Kanone auf die Soldaten, die sie gebracht haben. Kuzya führt die kleine Einheit an, Punf zieht die Schnur. Ihr Auftreten ist ungewöhnlich für den Krieg, zu hipsterig. In Berlin-Kreuzberg würde sich keiner nach ihnen umdrehen. Kuzya trägt einen gepflegten Schnauzer, nimmt seine silberne Analogkamera immer mit. Den Krieg hält er dort fest. 35 mm. Schwarz-weiß. Unzensierte Eindrücke eines Asow-Kämpfers, 22 Jahre alt. Die Russen wissen von ihm: Wie Kommandant Nemitschew ist sein Name auf einer Fahndungsliste aufgetaucht.

Kuzya zuckt mit den Schultern. Er und sein Kumpel seien normale Jungs. Kuzya spielt Rugby, Punf liebt das Bogenschießen. Punfs Mutter ist Krankenschwester, jetzt auch in der Armee. Sein Vater? „Ein Arschloch“, sagt er. Normale Probleme halt.

Der Hang zu extrem rechter Ästhetik ist da Foto: Antoni Lallican und Oleksandr Magula

Während ihre Kameraden Sledak und Rijs Anfang Juli in den Donbass versetzt werden – der Asow-Effekt soll auch dort eine Kehrtwende bringen –, sind die beiden in Charkiw geblieben, erst mal. Punf hat wenig Lust auf „Bombass“. „Deshalb bin ich auch 2014 nicht Soldat geworden“, sagt er. Damals konzentrierte sich der Konflikt auf den Osten des Landes. „Ich will nicht für diese Leute sterben, die Däumchen drehen und auf Putin warten.“ Bei Asow machen sie sich keine Illusionen: Es gibt Ukrainer, die sich Russland zugehörig fühlen. „Dieses Mal ist trotzdem alles anders. Es geht ums Ganze. Wenn sie mir befehlen zu gehen, gehe ich.“

Beide bezeichnen sich offen als rechts, warum auch nicht? Die Interessen der Ukraine seien schließlich auch die der Menschen. Zehntausende sind schon gestorben. Eine Titulierung als „Nazi“ lehnen sie ab. Die Russen, das seien die ideologischen Nazis, getarnt mit sowjetischer Ästhetik. Der Krieg habe sie in ihrer rechten Einstellung nicht extremer oder radikaler gemacht.

Kuzya produziert T-Shirts mit seinem eigenen Logo, ein eingerahmter Totenkopf. Der erinnert an die SS-Division, ist angeblich aber nur ein Piratenlogo. Vergangene Woche hat er an einen Hooligan von Arsenal Kiew ein Exemplar verkauft. Der Hoods Hoods Klan von Arsenal ist die einzige linke Hool-Gruppe in der Ukraine. Der Klan hat eine eigene Einheit, kämpft ebenfalls. „Der Krieg kreiert ungewöhnliche und unübliche Freundschaften“, sagt Kuzya. In Charkiw würden sie ab und zu auch mal mit Antifaschisten ein Bier trinken. „Früher war das unmöglich.“

Der Hang zu extrem rechter Ästhetik ist trotzdem da, der Totenkopf ist nicht das einzige Beispiel. Punfs Arme sind mit Tattoos dekoriert. Zwischen den farbigen Bildern, Schnörkeln und den US-amerikanischen Cartoon-Charaktären Rick and Morty schwebt ein rotes Logo. Ein Hakenkreuz. Auf seinem Finger prangt ein S. Der gleiche Stil der „Schutzstaffel“, der SS der Nazis. Punf bestreitet das. „Das Hakenkreuz ist ein altes Symbol, viel älter als die Nazis, und das S ist eine Sonnenrune.“ Es ist das gängige Argumentationsmuster, um diese Art von Symbolik zu rechtfertigen. „Wir stehen auf die alten Sachen“, sagt er. „Auf germanische, slawische Tradition. Das sind unsere Vorfahren.“

Sicher ist in jedem Fall: Wenn die Russen Punf oder die anderen Kraken-Milizionäre gefangen nähmen – sie würden die Tattoos fotografieren und veröffentlichen, so wie sie es mit seinen Kameraden gemacht haben. Sie würden sich bestätigt sehen in ihrer Behauptung, die Ukraine zu „entnazifizieren“. Für Punf ist das eine akzeptable Aussicht. Alle jungen Asow-Kämpfer haben Zweifel daran, dass sie lange leben. Das ist es ihnen wert.

Nach ihrer Versetzung in den Donbass bricht der Kontakt zu Sledak und Rijs ab. Ein paar Wochen später lädt die Einheit ein neues Video hoch. Es zeigt brutale Kämpfe im Donbass, Feuergefechte aus nächster Nähe. Am Ende nehmen die Ukrainer zwei russische Soldaten gefangen. Sledak postet das Video, dazu schreibt er: „Deshalb waren wir eine Weile unerreichbar. Das ist unsere Arbeit. Denkt darüber nach, wenn ihr in einem fremden Land sitzt und Bier trinkt.“ Es ist eine Botschaft an die vor dem Krieg geflohenen Landsleute. Sledak und seine Kameraden würden nie fliehen, sagen sie. Zwischen Krieg und Tod, zwischen Techno und Thor, zwischen Jugendträumen und Analogfotos werden viele junge Ukrainer geprägt. Es ist die Generation Asow.

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23 Kommentare

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  • Man sollte vielleicht nicht gänzlich vergessen, dass die Maßstäbe der westeuropäischen Kultur nur bedingt bei Ländern in Osteuropa funktionieren. Den nationalistisch geprägten Neopaganismus mit seinem Bezug zu den slawischen Wurzeln findet man in fast allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Auch und vor allen in Russland. Diese Leute mit den Neonazis in Deutschland gleichzusetzen funktioniert nur bedingt.

  • Machen uns 2.000 Asow Kämpfer wirklich mehr Sorgen als 2 Millionen Russen Kämpfer?

    Putin nutzt perfide eine post WW2 Rhetorik: Entnazifizierung und Umerziehung der Ukrainer. Wenn man sich die Säulen des Nationalsozialismus anschaut, insbesondere völkisches Denken unsd Militarismus, dann ist Putin der Nazi in diesem "Spiel".

  • In Zeiten wie diesen gilt es, Ambivalenzen auszuhalten und zur Kenntnis zu nehmen, dass auch Leute mit rechter oder rechtsextremer Gesinnung einen gerechten Kampf gegen Putins Terrorarmee führen. Wenn der Krieg vorbei ist, die Ukraine in gesicherten Grenzen und im Schutz der Nato-Staatengemeinschaft leben darf, dann kommt wieder die Abgrenzung zur ukrainischen Rechten. Bis dahin verdienen auch diese Leute Respekt für ihren heroischen Widerstand, mit dem die Zukunft und die Freiheit Europas verteidigt werden.

    • @Michael Myers:

      Das dachten Hindenburg und die Konservativen Eliten auch, als sie Hitler und den Nationalsozialisten die Hand reichten und den Gruß entboten.

    • @Michael Myers:

      "dann kommt wieder die Abgrenzung zur ukrainischen Rechten."

      Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch: Bertolt Brecht.

      Die von Ihnen benannte Abgrenzung zur ukrainischen Rechten, hat es schon vor



      dem Konflikt nicht konsquent gegeben.



      Glauben Sie allen Ernstes, dass diese Nazis



      ihre Waffen freiwillig abgeben?

      "Bis dahin verdienen auch diese Leute Respekt für ihren heroischen Widerstand.."

      Verdienenen auch die Faschisten von dem



      Dritten Weg und weiteren Nazis aus Deutschland und anderen Ländern Respekt, die in der Ukraine ihr Unwesen treiben?

      "und im Schutz der Nato-Staatengemeinschaft leben darf."

      Diese Leute, wie Sie diese Nazis bezeichnen,



      lehnen die NATO generell ab.



      Dass, die Ukraine in absehbarer Zeit, der NATO



      beitritt, ist zwar höchst unwahrscheinlich,



      aber selbst die nicht faschistischen Gegner eines NATO Beitritts der Ukraine, würden nicht mit diesen Nazis sympathisieren.

      Wehret den Anfängen!

    • @Michael Myers:

      Man darf halt nur nicht Roma sein, oder behindert. Oder im falschen Moment russisch sprechen. Schwul sollte man auch nicht sein. Oder einem Oligarchen im Weg.

      Das ist eine verbrecherische Terrorarmee von Hitler-Verehrern, die jetzt zufällig halbwegs auf der richtigen Seite steht und das glänzend auszubeuten weiß.



      Die kämpfen die letzten 8 Jahre nicht für eine demokratische, pluralistische Ukraine sondern, wie Putin, für das genaue Gegenteil.



      Die gehören weggesperrt. Aber das hat sich bisher kein ukrainischer Präsident getraut. Zu viele Morde, zu viele Verstrickungen, zu viel Kontakte zu den Mächtigen. Also geht's bergauf mit ihnen.

    • @Michael Myers:

      Lassen Sie es mich so sagen:



      Diese Leute scheinen mir eine wichtige Rolle zu spielen, warum der Donbas nicht befriedet wurde (Minsker Abkommen).

    • @Michael Myers:

      Ja und nein; wenn sie nachher die Ukraine beherrschen, hat man vielleicht ein größeres Übel durch ein geringeres verhindert. Dem demokratischen Europa hat es dann allerdings nicht gedient, und bei derlei Perspektiven frage ich mich dann, ob es wirklich unser Krieg ist, den wir da unterstützen. Putin muss weg. Eine Allianz weißer Rechtsextremisten möchte ich zumindest nicht an unseren Ostgrenzen wissen.

      (Und einen Kommentar am Rande will ich loswerden, „slawisch“ und „germanisch“ ist im rechten Ideologieraum traditionell etwas sehr verschiedenes. Wenn man schon mit Rassenmüll anfängt - ich habe es anders „gelernt“. Wenn heute solche Transnazional-Sprüche kommen muss ich lachen. Entweder oder. Aber ich reibe mir eh immer wieder die Augen wer am rechten Rand mit wem Freundschaften schließt.)

    • @Michael Myers:

      Unsere [Europa] Zukunft und Freiheit soll also auf diesem faschistischen Fundament gedeihen. Da könnten wir doch gleich ganz positiv an ´45 anschließen. Warum der Umweg über ukrainische Nazis?

    • @Michael Myers:

      Rechtsextremisten als Freiheitskämpfer für eine gerechte Sache? Geht's noch? Die Freikorps der 20er Jahre waren mit die Wegbereiter für die Nazis. Einmal an der Macht, wird diese niemand mehr so einfach loswerden können. Abwählen lassen sich solche Leute halt nicht.

    • @Michael Myers:

      Muss immer an die Freiheitsrat - die politisch-militäre Leutung der Freiheitskämpfer - in Dänemark während die deutsche Besatzung. denken Da waren stramm nationale, tiefgläubige Christen und Kommunisten zusammen, haben sogar gemeinsam bewaffnete Aktionen durchgeführt.

      Als die Nazis die ersten funf Dänen hingerichtet haben, waren 4 junge Konservative und einer war Kommunist. Die haben zusammen gekämpt und starben jetzt auch zusammen.

      Wenn also Rechte Ukrainer jetzt gegen die Landnahm Putins kämpfen, sind sie genau so grosse Patrioten wie die LGBTQ-freiwillige.

    • @Michael Myers:

      Glauben Sie wirklich, dass hinterher alles palleti ist? Sicherlich nicht. Die werden auch ihren Anspruch an der Macht geltend machen. Und wenn es sein muss, mit Gewalt. Und gegenüber diesen toxisch-männlichen Rechtsextremen kann ich sowieso niemals Respekt empfingen. Als Frau schon gar nicht.

      • @resto:

        Resto, sicher wird das Probleme geben.



        Das Leben in einem russischen Protektorat wäre vermutlich auch nicht schön.



        Aus meiner Sicht kann es sich die Ukraine derzeit nicjt erlauben auszuwählen, wer für ihre Freigeit kämpft. Nicht schön, ist aber so.



        Vielleicht hätte eine frühzeitige, wirksame Unterstützung diese Gewichtsverschiebung abgemildert. Herzlichen Dank an unsete appeasifistischen Philosophen und "Intelkektuellen" in diesem Zusammenhang. Soe helfen das auszubrüten, was später Probleme macht. Danke!

  • Bedrückende Reportage.

  • Beim Lesen wurde es mir fast schlecht. Kämpfen als Lebenssinn. Wehe, wenn sie losgelassen...

    • @resto:

      Ist Lügen als Lebensstrategie besser?



      Sich ergeben und den Bückling machen? Sich freiwillig einem diktatorischen Regime Untertan machen? Sich vielleicht als Beamtin durch die Widrigkeiten dieser Welt alimentieren lassen nach Kompromissen mit Russland rufend? Leben ist komplex und machmal ist Übelkeit ein Privileg, das andere nicht (mehr) haben.

    • @resto:

      Das erinnert mich an die Freikorps der Weimarer Republik, ein wenig.

      • @Kartöfellchen:

        Nicht ganz falsch, aber die Ukraine befindet sich im Krieg und muss nehmen was sie hat, wenn sie sich verteidigen will.



        Mit der zaghaften Unterstützung der regulären Armee unterstützen wir faktisch den rechten Rand.

        • @Carsten S.:

          Könnte mir nicht vorstellen in so einem Krieg zu kämpfen. Ich käme mir verarscht vor, von den Amis und den Russen und den Ukrainern.???

        • @Carsten S.:

          Die Ukraine hat Asow doch auch schon vorher genommen.

    • @resto:

      Für wenn wären Sie denn bereit zu kämpfen? Oder gibt es da etwa gar nichts. Vielleicht einen geliebten Menschen? Oder lieber doch nicht und ihm seinem Schicksal überlassen? Egal wie dieses auch aussehen mag?

    • @resto:

      Laufen von anderen Kriegen die ganze Zeit unter uns rum. Gut finde ich das auch nicht.

    • @resto:

      Wenn um einen herum alles



      zerstört wird, was Leben Sinn gibt,



      bleibt vielleicht nur kämpfen.