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Corona-Planung für den HerbstNur Stochern im Nebel möglich

Kommentar von Stefan Alberti

Der Berliner Senat fände eine Rückkehr zur allgemeinen Maskenpflicht gut. Aber was nach dem Sommer wirklich nötig ist, ist völlig offen.

Sie lässt sich auch freiwillig aufsetzen: Die Corona-Schutzmaske, hier mit Minister Karl Lauterbach

E ine Maskenpflicht nicht nur in Bus und Bahn wie derzeit, sondern auch generell in öffentlich zugänglichen Räumen und vor allem beim Einkaufen: Das ist im Kern das, worüber der rot-grün-rote Senat in dieser Woche mit Blick auf die anzunehmende nächste Corona-Welle im Herbst diskutiert hat. Das klingt nicht nach viel, ist aber trotzdem nicht zu kritisieren: Denn für alles andere fehlt die Grundlage – niemand weiß, was da nach den Sommerferien wie stark oder schwach anrollen wird.

Das beste Beispiel dafür ist der gegenwärtige Anstieg der Ansteckungszahlen, in Berlin am Freitag auf eine Inzidenz von 472,6 und damit den höchsten Wert seit dem Frühjahr. Das ist so hoch, dass Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Dienstag vor Journalisten von einer „Sommerwelle“ sprach. Die ist weithin unerwartet gekommen und auch entgegen der Annahme, bei warmen Temperaturen seien die Menschen viel mehr draußen und dadurch weniger Ansteckungsrisiken ausgesetzt. Eine solche Welle sollte es erst im Herbst wieder geben.

Dass Gote sich trotzdem nicht beunruhigt zeigte, liegt daran, dass sich die Zahl deren, die mit oder wegen Corona ins Krankenhaus müssen, weiter im handhabbaren Bereich bewegt – mutmaßlich wegen der auch nicht ungefährlichen, aber weniger heftigen Omikron-Variante.

Probleme macht das gerade mehr jenen Unternehmen, bei denen der plötzliche Ausfall von – wenn auch nicht schwer – Corona-erkrankten Mitarbeitern samt Isolation drastische Folgen haben kann. Ein einigermaßen reibungsfreier Ferienstart nächste Woche am Flughafen BER – das verdeutlichte beispielsweise Flughafenchefin Aletta von Massenbach am Donnerstag – hängt auch davon ab, wie viele Mitarbeiter bis dahin wegen Corona ausfallen oder eben nicht.

Ob Omikron aber auch im Herbst noch vorherrschen oder von einer aggressiveren Variante abgelöst sein wird, ist offen. Welche Maßnahmen nötig sind, wird sich erst dann zeigen. Was aber jetzt schon jeder und jede tun kann, ist freiwillig auch dort eine Maske zu tragen, wo es – noch – nicht vorgeschrieben ist, wo aber alle hin müssen, auch die für Corona besonders Anfälligen: Im Supermarkt und in sonstigen Geschäften.

Jetzt freiwillig tun, was im Herbst wohl wieder Pflicht wird?

Bei Kultur- und Sportveranstaltungen mag es eine individuelle Entscheidung sein, in einen Konzertsaal oder in eine Halle zu gehen oder wegen Ansteckungsfahr darauf zu verzichten. Für den Lebensmitteleinkauf gilt das nicht und auch nicht für Behördengänge. Warum also nicht freiwillig jetzt schon machen, was im Herbst wieder Pflicht werden wird?

Über eineinhalb Masken-Stunden in einem stickigen Konzertsaal ließe sich diskutieren, aber die Maske für ein paar Einkaufsminuten aufzusetzen, sollte wirklich kein Problem und ein einfaches Zeichen von Solidarität mit denen sein, die mit Corona – egal ob im Körper oder im Kopf – weniger gut klar kommen.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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8 Kommentare

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  • Ich dachte immer, schlimmer als mit Jens Spahn kann es kaum noch kommen.

    Bis wir dann Hrn Lauterbach mit seinem Buddy Buschmann erleben mussten.



    Jetzt weiß ich es besser.



    Und mache mir große Sorgen, ob es im Herbst wegen der Empathielosigkeit, Ignoranz und Unfähigkeit der Ampel viele Corona-Tote geben wird

  • Warum auch nicht noch ein wenig warten? Schließlich ist Masketragen ein äußerst brutaler Eingriff. Außerdem machen Krankenpfleger*innen ihre Arbeit doch gerne. Was stören da also volle Krankenhäuser? Im allgemeinen sollte viel mehr auf Freiwilligkeit gesetzt werden. Mensch sollte das Prinzip Freiwilligkeit auf den Straßenverkehr ausweiten - wie bspw. Schritttempo vor Kindergärten auf freiwilliger Basis festlegen bzw. empfehlen. Wenn dann doch ein Kind von einem Auto überrollt wird, dann haben halt Erzieher*innen oder Eltern nicht gut genug aufgepasst ... /Sarkasmus/

  • "Das klingt nicht nach viel, ist aber trotzdem nicht zu kritisieren: Denn für alles andere fehlt die Grundlage"



    Derzeit fehlt auch dafür die Grundlage. Man kann die Maskenpflicht als Möglichkeit vorsehen für den Fall, dass sich nochmal eine schwere Belastung der Krankenhäuser einstellen sollte. Momentan deuten allerdings alle Faktoren auf Entspannung.

    Gerade findet noch eine weitere Nachdurchseuchung statt, die die Immunität gegen den Omikron-Strang weiter erhöht und bis zum Winter werden wohl auch alle, die besonders gefährdet sind oder generell einfach ihre Gefahr weiter reduzieren möchten, noch eine angepasste Auffrischungsimpfung mit dem auch gegen die Omikron-Varianten wirkenden Kombiimpfstoff bekommen haben.

    Sollte nicht eine neue, deutlich krankmachendere Variante auftauchen, werden wir keine einzige Maßnahme mehr benötigen und trotzdem weniger Probleme als im Februar/März diesen Jahres haben.

    "Probleme macht das gerade mehr jenen Unternehmen, bei denen der plötzliche Ausfall von – wenn auch nicht schwer – Corona-erkrankten Mitarbeitern samt Isolation drastische Folgen haben kann."

    Richtig. Das ist das Problem. Die Isolation, die bei einem immer größer werdenden Anteil der Infizierten ohne gesundheitliche Notwendigkeit geschieht, da viele bereits den hybriden Immunschutz aus Impfung und Erstinfektion haben, was bei Folgeinfektionen meist zu milder bis asymptomatischer Infektion führt.

    "Warum also nicht freiwillig jetzt schon machen, was im Herbst wieder Pflicht werden wird?"

    Weil eine Verlagerung von Infektionen (= Nach-Immunisierungen) in den Herbst/Winter die Gefahr vergrößert statt verringert. Man verhindert die im Sommer deutlich ungefährlichere Annäherung an das endemische Gleichgewicht. Das ist epidemiologisch komplett widersinnig.

    Jeder, der besonders gefährdet ist oder sich gefährdet fühlt, kann und sollte gerne weiter Maske tragen. Aber eine Moralisierung des Masketragens als Dienst an der Gesellschaft ist einfach nur unangebracht.

    • @Co-Bold:

      Erstaunlich, dass Sie so genau wissen, mit welcher Logik und Dynamik die Immunisierung und 'Nach=Immunisierung' mittel- und langfristig erfolgt.



      24% sind in D ungeimpft, bzw. haben keine sog. Grundimmunisierung. Bei vielen dürfte die Immunität in unkalkulierbarem Maße bereits abgeschwächt sein. Folgedaten der BA5-Variante fehlen noch. Zu dem strukturellen Arbeitskräftemangel kommen viele, wenn auch anscheinend harmlos Erkrankte, die dem Arbeitsmarkt fehlen. Es gibt eine Menge nicht kalkulierbarer epidemiologischer, virologischer und medizinischer Variablen. Seit kurzem ist bewiesen, dass Maskentragen in Innenräumen bewirkt, das Infektionsgeschehen zu bremsen. Warum sollte man darauf verzichten, nur weil Sie mit Ihrer privaten Logik die probable Immunisierung angeblich vollständig durchschaut haben?



      Maskentragende bewusst und unbewusst Gefährdete sind in einem Pulk von Menschen ohne Maske leider nicht 100%ig geschützt, aber umso mehr, wie es solidarisches Maskentragen gibt. Was ist an diesem moralischen Aspekt eines 'Dienstes an der Gesellschaft' unangebracht? Es geht schließlich nicht darum, eine fremde Moral zu übernehmen, sondern auf ganz simple Weise (bei einem Infektionsgeschehen, von dem wir und Sie nicht wissen, ob es Ihrer Logik folgt) mit wenig Aufwand aktuell und konkret Schaden zu mindern. Ist Dienst an der Gesellschaft, ist Gemeinsinn etwas Vermeidenswertes?

      • @Jossito:

        "24% sind in D ungeimpft"



        Das ist falsch. Machen Sie sich hier schlau:



        www.ndr.de/nachric...,impfungen260.html

        "bzw. haben keine sog. Grundimmunisierung"



        Nicht alle Ungeimpften haben deshalb keine Immunisierung. Seit Omikron hat sich (bei angenommenem Faktor 2 bzgl. Dunkelziffer) mittlerweile mehr als jeder zweite infiziert. Daher hat die Hälfte der Ungeimpften ebenfalls eine gewisse Immunisierung. Diese bietet ebenfalls einen prozentualen Schutz vor schweren Verläufen. Die Zahl der Ungeimpften ist - im Gegensatz zum letzten Jahr - keine Größe mehr, aus der man irgendwelche Schlüsse ziehen könnte. Die Zahl der Ungeimpften, die auch noch immunologisch naiv sind, nimmt mit jedem Tag weiter ab. Die Gefahr einer signifikanten Belastung des Gesundheitssystems sinkt daher beständig.

        "Zu dem strukturellen Arbeitskräftemangel kommen viele, wenn auch anscheinend harmlos Erkrankte, die dem Arbeitsmarkt fehlen."



        Klar, das Problem ist hier die immer noch praktizierte, aber nicht mehr sinnvolle Sonderbehandlung von Corona. Die Quarantäne-Regel wurde ja nicht ohne Grund nach Beratung des Gesundheitsminister mit den Experten und den Landeschefs abgeschafft. Dass Herr Lauterbach nach erwartbaren Beschwerden über Twitter diese Entscheidung im Alleingang in einer Talkshow rückgängig macht... kein Kommentar.

        "Ist Dienst an der Gesellschaft, ist Gemeinsinn etwas Vermeidenswertes?"



        Nein. Aber Maskentragen im Sommer ist eben kein Dienst an der Gesellschaft. Es ist Eigenschutz für Menschen, die diesen benötigen. Je eher der Rest eine belastbare Immunität aufgebaut hat, um so eher gehören signifikante Wellen der Vergangenheit an, und erst dann können sich gefährdete Gruppen durch Masketragen auch real besser schützen als der Rest. In den bisherigen Zeiten geringer Hintergrundimmunität war die Ansteckungsgefahr teils so hoch, dass man sich eben trotz Maske immer noch mit signifikanter Wahrscheinlichkeit ansteckt.

        • @Co-Bold:

          Na ja, mit dem apodiktischen falsch oder richtig bei Pandemie-Daten werden ja viele Behauptungen aufgestellt.



          Ihre NDR-Daten, die ich nicht detailliert auf Reliabilität geprüft habe, stammen aus dem Februar 2022.



          Meine Angaben und begrifflichen Formulierungen habe ich gestern, am 3.7., aus der Corona-Warn-App gezogen. Schauen Sie selbst nach, wenn Sie Lust haben.



          Die 'signifikante Belastung des Gesundheitswesens' ist erst mal nur ein Wort. Ich sehe zumindest eine solche und zwar teilweise unnötige, durchaus beim Personal, habe aber dieses Fass bewusst gar nicht erst aufgemacht.



          ‚ ... Die Quarantäne-Regel ...‘ ff., betreffen politische Entscheidungen, die nichts beweisen außer der Deutungshoheit des politischen Mandats.



          ‚ ... Aber Maskentragen im Sommer ist eben kein Dienst an der Gesellschaft. ...‘ nehme ich als Ihre Meinung zur Kenntnis. Und schreibe dies als jemand, der sich neben zwei ebenfalls dreimal geimpften Familienmitgliedern vor zwanzig Tagen, wahrscheinlich im ÖPNV, infiziert hat, mit der Folge von zwei Krankschreibungen, Verschiebung und Umbuchung eines Transatlantik-Rückfluges und maßgeblichen Fehlzeiten im Job. Auf diese vorsätzlich herbeigeführte und imo irgendwie darwinistisch anmutende ‚Durchseuchung‘ möchte ich verzichten. Besonders in Zeiten durch das 9€-Ticket zusätzlich überfüllter ÖPNV-Verkehrsmittel.

          • @Jossito:

            "Meine Angaben ... aus der Corona-Warn-App gezogen."



            Sie haben die von mir angegebene Quelle also nicht gelesen. Die angegebenen Impfquoten sind aufgrund der mangelhaften Datenerhebung lediglich als "Mindestimpfquoten" zu verstehen. Das RKI selbst geht von einer Untererfassung von ca. 5% aus. Die genaue Impfquote in Deutschland ist schlicht unbekannt, aber mittlerweile wie geschildert auch nahezu irrelevant.

            Natürlich gibt es eine signifikante Belastung. Die wurde durch Corona zeitweise verstärkt, war aber bereits vorher vorhanden und daher ist diese auch jetzt nicht weg, wo durch Corona selbst keine merkliche Last mehr verursacht wird. Die liegt einfach im Personalmangel und in den daraus resultierenden Arbeitsbedingungen begründet.

            Wie oft Sie geimpft sind, ist für Ihre Infektionswahrscheinlichkeit nahezu irrelevant. Sie haben allerdings eine deutlich reduzierte Wahrscheinlichkeit eines schweren verlaufs. Mit der zusätzlichen natürlichen Exposition verbessert sich Ihr Immunschutz und die Wahrscheinlichkeit merklicher Symptome bei zukünftigen Infektionen nimmt ab.

            Das mit dem verschobenen Flug ist natürlich sehr ärgerlich, das sehe ich ein. Der Rest ist dauerhaft einfach nur unvermeidlich.

  • Tatsächlich trugen 2-3 Wochen nach Aufhebung der Maskenpflicht noch viele Menschen Maske beim Einkaufen. Doch die individuelle Vernunft löste sich mit immer mehr Maskenlosen auf. Beim Einkaufen schützt mensch mit Maske das Personal und all jene, die Hochrisikofaktoren in sich tragen. Daher ist es auch bei kurzen Einkäufen sinnvoll. Das Argument, im Gegenzug in stickigen Veranstaltungsräumen in denen mensch stundenlang ist auf die Maske zu verzichten eeil es unbequem ist, ist unlogisch. Je länger man in schlecht belüfteten Räumen verweilt, desto höher das Ansteckungsrisiko. Bequem ist eine Maske nicht, sie schützt erwiesenermaßen sich und andere und ist die mildeste Form möglicher Coronamaßnahmen.