Umgang mit der Pandemie: Senat hadert mit der Maske
Rot-Grün-Rot sorgt sich um die Akzeptanz: Trotz deutlich gestiegener Inzidenz hat die Landesregierung Anti-Corona-Schritte auf nächste Woche vertagt.
BERLIN taz | Das „Team Vorsicht“ um Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) hat es noch nicht geschafft, mehr Coronaschutz im Senat durchzusetzen: Trotz steigender Ansteckungszahlen konnte sich die rot-grün-rote Landesregierung am Dienstag nicht auf eine Maskenpflicht in Supermärkten und weiteren Geschäften sowie öffentlichen Gebäuden einigen. Erkennbar war in der Pressekonferenz nach der Sitzung die Furcht vor mangelnder Akzeptanz in der Bevölkerung. Die äußert sich bereits darin, dass oft keine Maske mehr in Bus und Bahn getragen wird, wo sie seit Langem Pflicht ist. Nächste Woche soll es auf jeden Fall einen Beschluss geben, weil die aktuelle Coronaverordnung Ende Oktober ausläuft.
In der vergangenen Woche hatte Gote vor Journalisten stark für ein Dreistufenmodell geworben. Mehrere andere Senatsmitglieder, darunter Regierungschefin Franziska Giffey (SPD), traten danach auf die Bremse. „Aktuell handelt es sich um einen Vorschlag von Senatorin Gote, der noch nicht im Senat besprochen wurde“, sagte Giffey am Donnerstag.
Doch auch fünf Tage später und trotz einer von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) als „erschreckend“ bezeichneten Pandemieentwicklung waren im Senat noch nicht alle überzeugt. Dabei stand offenbar weniger die Sinnhaftigkeit des Maskentragens in Frage als der Zeitpunkt einer Pflicht. Von kolportiertem Streit in der Regierung mochten Wesener und Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) vor Journalisten nichts wissen: „Wir sitzen hier nicht zerstritten.“
Man sei sich einig, dass die Maske „ein ganz wesentlicher Baustein der Pandemiebekämpfung ist“, äußerte sich Schwarz. Aus seiner Sicht gehe es aber auch darum, „die Menschen mitzunehmen“. Sinn und Zweck zu vermitteln sei ganz entscheidend für den Erfolg der Maßnahme – „wir brauchen die Akzeptanz“. Laut Schwarz ist es nicht so, dass sich Gastronomie und Einzelhandel komplett gegen eine Maskenpflicht wehren würden: Sie wollten lediglich Planungssicherheit haben.
Wesener verwies darauf, dass sich diese Woche die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Thema befassen will und der Senat bei den Coronavorgaben der Bundesländer „möglichst wenig Flickenteppich“ anstrebt – vor allem nicht im Verhältnis zu Brandenburg. Ob beide Länder sich vorher dazu absprechen, ist laut Senatssprecherin Lisa Frerichs aber offen.
Für die Bewertung der Lage ist Schwarz zufolge die Belastung des Gesundheitssystems der zentrale Faktor, also die Frage: Ist in den Krankenhäusern genug medizinisches Personal einsatzfähig? Die im Frühjahr noch stark beachtete Corona-Ampel, die die Häufigkeit von Fällen insgesamt sowie in Krankenhäusern und auf Intensivstationen betrachtete, tritt offenbar in den Hintergrund.
Leser*innenkommentare
Dr. McSchreck
Berlin macht sich doch lächerlich. Ausgerechnet da, wo die Maskenpflicht im ÖPNV (wobei man absurderweise sogar die FFP-Maske vorschreibt) nicht kontrolliert und daher auch nur noch von einer knappen Mehrheit befolgt wird, will man offenbar der Vorreiter sein, diese Pflicht auch an anderen Orten vorzuschreiben, wo sie dann auch nicht kontrolliert und auch nicht befolgt wird.
Es ist, als würde man in ganz Berlin - einschließlich Autobahnen - Tempo 30 vorschreiben, zugleich aber alle "Blitzer" abschaffen.
Bemerkenswert allerdings, dass die Zahlen nicht darauf hindeuten, als würde die Missachtung der Pflicht irgendwelche negativen Folgen haben, im Bundesvergleich steht man ja recht gut da. Das spräche aber eher dafür, die Pflicht fallen zu lassen als sie auszudehnen.
meerwind7
Nach zweieinhalb Jahren gibt es immer noch keine besseren Maßnahmen als "überall in xy Maske" oder "verbieten", geschweige denn ein Verständnis, welche Maßnahmen wie effektiv wirken.
Z.B. FFP2-Pflicht statt der international im Fall von Maskenpflicht ausreichenden OP-Masken.
Z.B. Gaststätten "am Tisch ohne Maske, im stehen mit" unanhängig von der Lüftungsqualität im Raum und auch von einer etwa besseren Entlüftung an den Tischen (die es aber gerade deswegen nirgendwo gibt, weil sie dem Wirt nie Vorteile bei den Schließungsanordnungen gab).