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Plan für staatliches TierwohllabelSchnitzel vom glücklichen Schwein

Agrarminister Özdemir schlägt eine staatliche Kennzeichnung von Fleisch und Wurst vor. Das Wichtigste zum geplanten Fleischlabel.

Freilandschweine auf einem Bioland-Bauernhof Foto: Rupert Oberhäuser/imago images

Berlin taz | Ob ein Tier ein besseres oder schlechteres Leben hatte, bevor es als Wurst, Schnitzel, Steak auf dem Teller landet, wird künftig auf der Verpackung zu sehen sein: Der grüne Bundesagrarminister Cem Özdemir hat am Dienstag Eckpunkte für eine staatliche Kennzeichnung vorgestellt, die Pflicht werden soll. Sie sei, sagte er, ein Baustein, um die Tierhaltung „zukunftsfest“ zu machen, sodass es ein „gutes Einkommen“ für Landwirtinnen und Landwirte gebe, das Tierwohl geachtet und der Schutz der Biodiversität und der Klimaschutz gewährleistet werde. Was ändert sich?

Liegen Fleisch und Wurst mit neuer Kennzeichnung in jedem Supermarkt?

Die Kennzeichnungspflicht soll sich zunächst auf frisches Schweinefleisch beschränken: gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, im Lebensmittelladen, Fleischereifachgeschäft, auf dem Wochenmarkt oder im Onlinehandel. Es ist die beliebteste Fleischart in Deutschland. Im vergangenen Jahr hat jede und jeder Deutsche 9,4 Kilo Fleisch vom Rind und Kalb sowie 13,1 Kilo vom Geflügel gegessen. Vom Schwein waren es, wenn auch 10 Kilo weniger als noch vor zehn Jahren, satte 31 Kilo.

Woran lässt sich erkennen, wie es dem Schwein erging?

Die Kennzeichnung soll fünf Stufen haben. „Stall“ wird für eine Haltung stehen, die den gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht. Bei „Stall+Platz“ soll das Schwein 20 Prozent mehr Platz haben, der Stall etwas komfortabler eingerichtet sein. „Frischluftstall“ heißt: Das Schwein hat 46 Prozent mehr Platz, eine Seite des Stalls ist offen. Bei „Auslauf/Freiland“ kann das Tier mindestens acht Stunden am Tag raus. Dazu kommt die Stufe: „Bio“. Wie die Tiere transportiert und geschlachtet werden, spielt für das Label keine Rolle, das soll gesetzlich geregelt werden. Wer schummelt, soll mit Bußgeldern rechnen müssen.

Werden alle Tiere künftig besser leben?

Die Tiere werden auf keinen Fall sofort glücklicher, nach und nach dürfte sich aber etwas tun. Das zeigt die Erfahrung. Schon im April 2019 haben die großen deutschen Handelskonzerne freiwillig selbst ein vierstufiges Label eingeführt.

Seither fragt die Umweltorganisation Greenpeace jedes Jahr bei den großen Ketten nach, 2021 waren in den Supermärkten demnach noch 90 Prozent des Fleisches mit den unteren Haltungsformen 1 oder 2 gekennzeichnet, allerdings mit einer Verschiebung von 1 nach 2. Und: Aldi, Rewe, Penny haben zum Beispiel angekündigt, ab 2030 nur noch Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 zu verkaufen. Ein Grund: In Umfragen geben 92 Prozent der Deutschen an, dass ihnen wichtig sei, wie Tiere gehalten werden.

Wem schmeckt das Label nicht?

Bäuerinnen und Bauern sind unter Druck. Die Zahl der Betriebe, die Schweine halten, sinkt schon jetzt: 2019 waren es noch 21.200 deutschlandweit, 2021 noch 18.800 – ein Rückgang um gut 11 Prozent. Nun treibt noch der Ukraine­krieg die Kosten für Energie und Getreide nach oben. Schweine bringen derzeit wenig ein, eher zahlt ein Betrieb noch drauf. Das Geld für einen Umbau der Ställe: knapp. Allerdings stemmt sich niemand gänzlich gegen Özdemirs Plan. Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbands, sieht „einen ersten wichtigen Schritt, aber auch noch erhebliche Lücken“.

Steigt der Preis fürs Schnitzel?

Regierungsberater schlagen schon seit Längerem einen Aufschlag von 40 Cent pro Kilo Fleisch vor, damit Bauern für eine bessere Tierhaltung mehr Geld bekommen. Das will die FDP in der Ampelkoalition aber nicht, sie lehnt eine Abgabe, auch einen höheren Mehrwertsteuersatz ab. Für Bäuerinnen und Bauern, die ihre Ställe nun tierfreundlicher umbauen, sind im Bundeshaushalt bis zum Jahr 2026 1 Milliarde Euro vorgesehen. Özdemir meint, das reiche langfristig nicht. Er versicherte: „Wir lassen die Bauern nicht im Stich.“

Oder doch lieber ganz ohne Fleisch?

Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 98.000 Tonnen Lebensmittel hergestellt, die Fleisch oder Fleischprodukte mit pflanzlichen Alternativen ersetzen – 17 Prozent mehr als 2020. Schon seit geraumer Zeit geht der Fleischkonsum insgesamt in Deutschland zurück. 2021 lag er pro Person und Jahr bei 55 Kilogramm. Das sind 7,8 Kilo weniger als noch zehn Jahre zuvor. Dennoch: Der Wert der Fleischproduktion 2021 entsprach mit 35,6 Milliarden Euro noch immer rund dem 80-Fachen des Wertes der Fleisch­ersatz­produkte.

Wann wird das Label kommen?

Schon CDU-Frau Julia Klöckner und CSU-Mann Christian Schmidt, die vor Özdemir das Agrarressort innehatten, planten mehr Tierwohl. Sie scheiterten. „Wir sind zum Erfolg verdammt“, meinte Özdemir. Und: „Ich möchte, dass die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland eine Zukunft hat.“ Geht es nach ihm, startet die Kennzeichnung im Laufe des kommenden Jahres.

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17 Kommentare

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  • Warum nicht Dönerbuden und Burgerschmieden zu Hinweisen ala Tabakswerbung verpflichten? An der Fassade, auf der Speisekarte. Vielleicht ein Weg, den geistlosen Massenfrass an der Quelle einzudämmen?

  • Der Versuch, die Nutztierhaltung humaner zu machen, entspricht früheren Versuchen, die Sklavenhaltung humaner zu machen.

    Ein grundlegend brutales und verbrecherisches System soll durch "Verbesserungen" humaner wirken, ohne dass etwas an seinem verbrecherischen Charakter geändert wird.

    Tiere empfinden Leid und Schmerz und diese werden durch sehr ähnliche biochemische Prozesse vermittelt wie bei Menschen. Tiere kämpfen, um zu überleben oder fliehen, wenn es ihnen möglich ist.

    Menschen benötigen keine tierische Nahrung und im Gegenteil würde der internationale Übergang zu einer veganen Lebensweise nach vorliegenden Studien den Klimawandel verlangsamen, die Biodiversität schützen, die Landnutzung verringern, die Vergiftung von Böden und Luft mindern, Milliarden Tieren Leid ersparen und Millionen Menschenleben retten.

    Bei dem Versuch, tiefgreifend brutale, menschen- und tierverachtende Systeme durch kosmetische Verbesserungen akzeptabler zu machen, führt zu keiner echten Verbesserung, sondern verzögert den Wandel.

    • @PolitDiscussion:

      ja, der Verzicht auf Fleisch und auch schon die deutliche Reduzierung des Konsums würde den Klimawandel verlangsamen und es würde ca. 3mal (Schweinefleisch) bis ca. 10mal (Rindfleisch) so viel Nahrung zur Verfügung stehen, wenn das Getreide direkt zur Nahrung würde und nicht verfüttert. Das ist durch die derzeitige kriegs-verursachte Verknappung ganz aktuell.

      Vorschläge:



      - Steuer von 10 Euro pro kg Fleisch, außer Wild (um die Konsum-Menge radikal zu reduzieren)



      - Steuer von 2 Euro pro Liter Milch bzw. dessen Milchprodukte (um die Konsum-Menge radikal zu reduzieren)



      - Export-Verbot von Lebensmitteln (um nicht traditionelle Landwirtschaft in armen Ländern zu zerstören)



      - Import-Verbot von Lebensmitteln (um nicht die Verdrängung von Food-Crops durch Cash-Crops in verschuldeten Ländern zu fördern)



      - wenige Ausnahmen, unter 5% des gesamten Lebensmittelkonsums



      - evtl. Fleisch nur für Menschen, die das Tier eigenhändig schlachten und dadurch ganzheitlich Bezug haben zu dessen Schicksal

    • @PolitDiscussion:

      Ich sag nur: Vitamin B 12!



      Kleine Kinder vegan, ohne Nahrungsergänzungsmittel, zu ernähren, ist schlicht nicht möglich und lebensgefährlich!

      • @Emsch:

        Und? Durch Supplemente kann mensch sich einfach mit VitaminB12 versorgen. Und klar, auch vegan ernährte Kinder müssten Vitamin-B12 über Supplemente erhalten. Vegane Ernährung für Kinder ist schon möglich, sollte aber gut geplant sein. Hierfür gibt es diverse Hinweise. Hier bspw. wird das kurz angerissen:



        www.vegan.at/tipps-mutter-kind

  • Wie sagt mein Sohn: "Mehr Fleisch aus Massentierhaltung oder willst du schuld sein am Tod eines glücklichen Schweins?"

  • eigentlich ist es doch paradox, dass wir uns dran gewöhnt haben unsere schlechten Lebensmittel nicht zu kennzeichnen. Das wäre ja als stände auf dem Fahrstuhl nicht mehr "Im Brandfall nicht benutzen". So wollen wir faire, saubere Produkte kennzeichnen, ist wohl einfacher, weil weniger.

  • WARUM eine Kennzeichnungspflicht wieder NUR für Deutsche Produkte ?? es gibt ja auch keine TÜV Plakette NUR für Deutsche Autos.



    Im Ausland ( Niederlande, Dänemark ) ist das betäubungslose Kastrieren der Ferkel, im Gegensatz zu Deutschland, immer noch erlaubt, genauso das Schwänze kopieren, diese Ferkel werden Massenweise Importiert und gelten dann als " Deutsch".



    Solange nicht alle Produkte gleich behandelt werden ist es nur eine optische Makulatur zu Ungunsten der Deutschen Landwirte.

  • Fleisch von Schweinen wie auf dem Foto gab's noch in den späten 90er Jahren in der SU. Exzellenter Geschmack, etwas bissfest. Weiß jeder Pumper. Dann wollten aber alle Schwein für Zahnlose vom McDonalds und mit der SU war es auch vorbei. Ganz Schlaue werden sagen: Eichelmastschwein! Ist aber auch nicht tiergerecht, wenn auch teurer, das macht wahrscheinlich den Unterschied!

  • Wer kam eigentlich auf die glorreiche Idee, die Kennzeichnung des Schweinefleisches exakt umgekehrt zur kennzeichnung von Hühnereiern zu formulieren.



    bei Eiern geht es von null bis 3 und beim Schweinefleisch von vier bis 1. Ist diese Verwirrung der Verbraucher Absicht?

    • @Herma Huhn:

      Weil das eine System ( 1-5 ) von Staatlichen Gesetzgeber ist und die umgekehrte von den Gesetzgebern des Lebensmitteleinzelhandels ist.

      • @Günter Witte:

        Das eine System ist aber seit Jahrzehnten etabliert und das andere soll jetzt neu eingeführt werden.



        Ok, nicht jetzt, vor deutlich weniger als zehn Jahren kam der Handel auf die Idee, solche Zahlen freiwillig aufzuschreiben.



        Ich hätte gleich merken können, wer auf diese glorreiche Idee mit der Zahlenumkehr kam.

  • "In Umfragen geben 92 Prozent der Deutschen an, dass ihnen wichtig sei, wie Tiere gehalten werden."



    "2021 waren [...] 90 Prozent des Fleisches mit den unteren Haltungsformen 1 oder 2 gekennzeichnet"



    Mit diesen beiden Sätzen ist doch fast schon alles zum Thema gesagt. Wie die große Mehrheit der Tiere gehalten wird, wird faktisch nicht an der Kasse entschieden sondern über den gesetzlichen Mindeststandard. Entsprechend wenig werden Labels auch an dem Elend in den Ställen ändern.

  • Beim Aufschlag aufs Schnitzel hat die FDP ausnahmsweise mal recht.



    Davon käme beim Bauern ohnehin nichts an.



    Nur gleichzeitig ist es auch wichtig, das Jammern der Bauern nicht überzuinterpretieren. Wenn der Staat hier mit Subventionen hilft, lässt das die Preise nur noch weiter sinken.



    Die Preise werden schon steigen, wenn die Supermarktketten nur noch halb so viele Betriebe vorfinden, die ihnen was verkaufen können.



    Das Tierwohl verpflichtend zu machen würde hier noch schneller helfen.

    • @Herma Huhn:

      ach so: Importschutz wird es in Europa nicht geben. freier Handel war wohl der erste EU-Grundsatz.

    • @Herma Huhn:

      Und sie meinen, dass nur deutsche Bauern Schweinefleisch liefern können? Spanien wartet nur, Niederlande und Dänemark liefern gerade jetzt viel Fleisch. Der Preis ist dort halt billíger.

      Ohne Importgrenzen werden einfach die Bauernhöfe verschwinden. Die Tierhaltung trägt zu 50% zum Bauerneinkommen bei. Bricht das weg oder ein, gibt es kaum Wege zur Kompensation.

      Ungeil, aber Realität.

      • @gynnie24:

        "Die Tierhaltung trägt zu 50% zum Bauerneinkommen bei."



        So, so, die auslänsiche Billigkonkurrenz wartet also nur darauf endlich auch den letzten deutschen Schweinehalter vom Markt zu drängen? Schon eigenartig, dass trotz dieser Konkurrenz die deutschen Schweinefleischexporte mehr als doppelt so hoch sind wie die Importe.



        www.schweine.net/n...t-deutschland.html



        "Der Preis ist dort halt billíger."



        Dann wäre es wohl vernünftig dort zu produzieren wo es am günstigsten ist, Qualitätsstandards lassen sich ja auch für importierte Ware verankern. In anderen Brachen werden ja auch nicht mit eine Budget von über 50 Mrd. € jährlich nicht mehr konkurrenzfähige Strukturen künstlich am Leben gehalten.



        "Die Tierhaltung trägt zu 50% zum Bauerneinkommen bei."



        Während die andere Hälfte vom Steuerzahler subventioniert wird.



        www.landwirtschaft...ark-subventioniert