Streit um Gelder für Stallumbauten: FDP wegen Tierwohlcent in der Kritik
Der Bauernverband und eine ExpertInnenkommission kritisieren die Partei. Sie lehnt mehr Subventionen für den Umbau der Tierhaltung ab.
Berlin taz | Der Druck auf die FDP wächst, ihre Blockade zusätzlicher Subventionen für mehr Tierschutz in der Landwirtschaft aufzugeben: Sowohl der Bauernverband als auch die vom Bundesagrarministerium beauftragte Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen CDU-Landwirtschaftsministers Jochen Borchert haben kürzlich ausdrücklich die Liberalen für ihre Haltung bei dem Thema kritisiert.
Viele Tiere werden durch Operationen wie das Kürzen von Schnäbeln oder Schwänzen an reizarme und enge Ställe angepasst. In der konventionellen Landwirtschaft kommt das meiste Vieh nie an die frische Luft. Die Tierhaltung trägt durch die Massen an Vieh maßgeblich dazu bei, dass die Bauern laut Umweltbundesamt 8 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland verursachen.
Deshalb hat die offiziell „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ genannte Borchert-Kommission eine staatliche Abgabe oder Steuer auf tierische Produkte wie Fleisch empfohlen, um mit den Einnahmen tierfreundlichere Ställe und Haltungsmethoden zu finanzieren. Die ExpertInnen rechnen mit einem Bedarf von 3,6 Milliarden Euro jährlich und zum Beispiel 40 Cent pro Kilogramm Fleisch Aufschlag auf den VerbraucherInnenpreis. Für arme Haushalte solle es einen Ausgleich geben.
„Die FDP stimmt bisher keiner der vom Kompetenznetzwerk vorgeschlagenen und machbaren Finanzierungsoptionen zu“, kritisiert die Borchert-Kommission nun in ihrem jüngsten Beschluss. Solange sich die Ampelkoalition nicht den „Einstieg in eine langfristig vertraglich zugesicherte und staatlich finanzierte Tierwohlprämie beschließt“, lasse die Kommission ihre Arbeit ruhen.
FDP nach wie vor gegen Steuererhöhungen
Zuvor hatte schon Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied die Partei explizit ins Visier genommen: „Speziell die FDP fordere ich auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben und sich endlich zur Zukunft der Tierhaltung in Deutschland zu bekennen. Ohne zusätzliches Geld wird das nicht gelingen“, sagte er anlässlich der Haushaltsdebatte im Bundestag.
Der Bauernverband arbeitet in der Kommission mit, deren Mitglieder aus Behörden, Wissenschaft, Praxis, Branchenverbänden und Umweltorganisationen kommen.
Die FDP hat die Pläne abgelehnt, weil sie sich im Wahlkampf mehrfach gegen Steuererhöhungen ausgesprochen hatte. Zudem ist sie gegen weitere Subventionen der Landwirtschaft, deren Einkommen teilweise zu mehr als der Hälfte aus staatlichen Zuschüssen bestehe.
Am Donnerstag sagte der agrarpolitische Sprecher der FDP, Gero Hocker, jedoch im Bundestag laut Plenarprotokoll, seine Fraktion sei bereit, „die von der Borchert-Kommission geforderte Mehrbelastung von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch mitzutragen“. Allerdings stellte Hocker dafür eine Bedingung: 20 Jahre lang sollten die Bauern, die das Geld bekommen, von zusätzlichen „Auflagen“ verschont werden. Wahrscheinlich meinte der FDP-Politiker damit, dass zum Beispiel Tierschutzvorschriften nicht verschärft werden dürften.
Das stieß bei der agrarpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, Renate Künast, auf Widerstand. Sie quittierte Hockers Rede mit dem Zwischenruf: „Gero, wie schaffst du es, mit dem Hintern einzureißen, was du gerade aufbauen wolltest?“ Es gibt also weiter keinen Konsens in Sachen Tierwohlcent in der Ampelkoalition.
Leser*innenkommentare
Günter Witte
Die FDP hat vollkommen recht eine Planungssicherheit für Landwirte zu verlangen. Wer zig tausende Euro pro Stallplatz ( Rinder/Schweine ) ausgibt, muss sicher sein das nicht die Anti Landwirtschaftslobby nach ein paar Jahren wieder ganz was anderes fordert.
Felis
Vorschlag: die gesamte FDP-Bundestagsfraktion verbringt ein paar Tage in Ställen der Massentierhaltung mit Hühnern, Schweinen, Rindern. Anschließend macht sie auch gleich noch einen kurzen Ausflug in einen großen Schlachtbetrieb, um das Bild abzurunden. Danach wird dann nochmal über die Vorschläge der Borchert-Kommission abgestimmt.
Und noch was: wenn Schnäbel und Schwänze der Tiere in Massentierhaltung gekürzt werden, so sind das keine "Operationen" mit Narkose, Vor- und Nachsorge, sondern brutale Eingriffe und Verletzungen. Das kann man dann auch bitte so benennen und nicht als "Operation" tarnen.
PolitDiscussion
Es sollte nicht Tierschutz genannt werden. Es geht um minimalste Erleichterungen für Tiere, die in unerträglichen Verhältnissen weiterhin leben und sterben werden. Das System der Nutztierhaltung ist nicht reformierbar, sondern kann nur abgeschafft werden. Es gibt sogar eine reale Gefahr solchen "Tierschutzes": Menschen reden sich so den eigenen Tierkonsum schön ("ist ja human") und setzen ihn deshalb fort. Es ist leider immer ein zweischneidiges Schwer, wenn ein komplettes Unrechtssystem vorliegt, was eigentlich nur abschaffbar ist, und dennoch jemand bereits vorher etwas für die Opfer tun möchte. Eine Mindeststrategie ist, immer klarzumachen, dass es weiterhin um unerträgliche Haltungen und Ausbeutung geht und es keineswegs so ist, dass es nun human wird.
Farmer
@PolitDiscussion Das Problem ist und bleibt doch immer noch wer ist bereit dies alles zu bezahlen. Für diese Vorstellungen brauchen wir einen Gaspreismäßigen Anstieg der Fleischpreise und das zahlt in Deutschland kein Mensch. Alle die vor 2 Jahren beteuert haben Viel mehr für Lebensmittel ausgeben zu wollen lassen derzeit Biomärkte pleite gehen und Direktvermarkter vom Wochenmarkt fernbleiben. Das ist halt leider die Realität - es ist in der Gesellschaft kein Spielraum für höhere Fleischpreise und Tierwohl gibt es nicht geschenkt.