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Waffen für die UkraineDeutsche Geparden für die Ukraine

Die Ampelkoalition exportiert nach viel Hin und Her schwere Waffen. Obwohl die SPD vorher vor einer Eskalationsgefahr gewarnt hatte.

Sowas liefert man lieber: Nachtsichtgerät der Bundeswehr Foto: Christoph Hardt/Panama Pictures

Am Dienstag lernten die Deutschen also mal wieder einen neuen Panzer kennen. Den Leopard, den Marder, die Panzerhaubitze 2000: Kennt man inzwischen alle, sie sind in der wochenlangen Diskussion über neue Waffen für die Ukraine schließlich oft genug durch die Tagesschau gefahren. Als Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Vormittag den Wendepunkt in der Debatte verkündete, ging es aber weder um den Kampf- noch um den Schützenpanzer und auch nicht um das Artilleriegeschütz. Nein, die erste schwere Waffe, die die Ukraine direkt aus Deutschland erhält, ist der Gepard.

Lambrecht verkündete die Nachricht in Ramstein, wohin die USA 40 Staaten geladen hatte, um über weitere Waffenhilfen für Kiew zu sprechen. „Erst gestern haben wir entschieden, dass Deutschland die Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern an die Ukraine ermöglichen wird“, sagte sie dort. Es ist kein Panzer aus Bundeswehrbeständen: Das deutsche Militär hat den Gepard schon vor Jahren aus Kostengründen aussortiert. Stattdessen kommt die Lieferung vom Rüstungshersteller Krauss-Maffei Wegmann, der ein paar Dutzend der alten Geräte besitzt und sie der Ukraine direkt angeboten hat. Die Regierung genehmigt den Export jetzt.

Die Panzer stammen noch aus der Zeit des Kalten Kriegs. Vorgesehen sind sie vor allem zur Bekämpfung von Zielen in der Luft, tieffliegende Flugzeuge und Helikopter zum Beispiel. Sie sind 48 Tonnen schwer, gepanzert und mit zwei Maschinenkanonen ausgestattet, die bis zu 6 Kilometer weit schießen können.

Gegen die Lieferung solcher schwerer Waffen aus westlicher Produktion hatte die Bundesregierung über Wochen verschiedene Argumente angeführt. Ein häufig genanntes, ganz praktisches: Wichtig sei, dass die ukrainische Armee gelieferte Waffen sofort nutzen könne. Bei den Gepard-Panzern ist das eher nicht der Fall: Sie müssen erst noch instandgesetzt werden. Dazu kommt die Ausbildung ukrainischer Soldat*innen, die beim relativ komplizierten Gepard wohl noch länger dauert als etwa beim Schützenpanzer Marder. Ein zweites, grundsätzliches Gegenargument war bisher vor allem aus der SPD zu hören: die Eskalationsgefahr. Die russische Führung könne demnach die Lieferung schwerer Waffen aus dem Westen als Provokation sehen und mit einem direkten Angriff reagieren.

International wuchs der Druck

Beide Argumente zählen nun beim Gepard offenbar nicht mehr. Für Marder- und Leopard-1-Panzer, die die Industrie der Ukraine laut Medienberichten ebenfalls angeboten hatte, gibt es dagegen bislang noch keine Exportgenehmigung. Ein Ringtausch, bei dem die Bundeswehr Marder aus eigenen Beständen an Slowenien abgeben würde, die dafür jugoslawische Kampfpanzer an die Ukraine gibt, ist seit vergangener Woche in Vorbereitung. Grünes Licht gibt es hier allerdings noch nicht. Stück für Stück robbt sich die Bundesregierung also an die Lieferung schwerer Waffen ran, nachdem der Druck zuletzt sehr groß geworden war. Er wuchs international, als über die letzten Wochen und Tage immer mehr Staaten vorgelegt hatten – unter anderem mit sowjetischen Kampfpanzern aus osteuropäischen Nato-Staaten, Panzerhaubitzen aus den Niederlanden und weiteren Geschützen aus den USA und Frankreich.

Dazu kam der Druck aus der Koalition selbst, wo sich öffentlich am deutlichsten vernehmbar die Bundestagsausschussvorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Toni Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD) für mehr Waffen ausgesprochen hatten. Und nicht zuletzt: der Druck aus der Opposition im Bundestag. Für die laufende Sitzungswoche hatte die Union einen eigenen Antrag zum Thema eingebracht.

Das deutsche Militär hat den Gepard schon vor Jahren aus Kostengründen aussortiert

Ein Bundestagsbeschluss wäre rein appellativ, er hätte für die Regierung keine bindende Wirkung. Als PR-Instrument kann so ein Oppositionsantrag aber durchaus seine Wirkung erfüllen. CDU und CSU fordern in ihrem Papier die Lieferung von schweren Waffen aus Bundeswehrbeständen, inklusive Kampfpanzer, sprich: den Leopard 2. Das würde qualitativ nicht nur über den Gepard-Export hinausgehen, sondern über alle bisherigen Panzerlieferungen aus dem Westen. Die Ampelfraktionen haben dem Unionsvorschlag einen eigenen, schwächer formulierten Antrag entgegengestellt.

Die Spitze der CDU/CSU-Fraktion reagierte am Dienstag dennoch positiv auf die Signale aus der Ampel. „Ich habe den Eindruck, dass das auf dem richtigen Weg ist“, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Er zeigte sich gesprächsbereit für Verhandlungen mit der Koalition über einen gemeinsamen Antrag im Bundestag. Auch die Ankündigung der Exportgenehmigung für die Gepard-Panzer sei ein Schritt in die richtige Richtung.

Kritik aus der Linksfraktion

Aber nicht alle in der Fraktion sehen das so. Henning Otte (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, hält Lambrechts Gepard-Ankündigung für „die nächste Nebelkerze“, die leicht durchschaubar sei: „Vorzugeben, schwere Waffen zu liefern, aber gleichzeitig sicherzustellen, dass sie nicht rechtzeitig im Einsatz genutzt werden können“, kritisierte Otte auf Twitter. Dennoch spricht viel dafür, dass die Union ihren eigenen Antrag, der am Donnerstag im Bundestag debattiert werden sollte, zurückziehen wird. Seinen Zweck hat dieser schon erfüllt: Er hat die Ampel getrieben.

Kein eigener Antrag, dafür aber umso deutlichere Kritik kommt aus der Linksfraktion. Sie lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine entschieden ab. Die US-Einladung für das Treffen in Ramstein nannte die Abgeordnete Sevim Dağdelen einen „dreisten Angriff auf die Souveränität Deutschlands“. Die Ampel hätte ihr zufolge den „von den USA einberufenen Kriegsratschlag mit ausgewählten Staaten auf deutschem Boden“ untersagen sollen. Waffenlieferungen verhindern ihr zufolge einen Verhandlungsfrieden im Krieg gegen die Ukraine und drohten den „Ukrainekonflikt zum dritten Weltkrieg“ auszuweiten.

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8 Kommentare

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  • Wie lässt sich heute eine Forderung von verboten der Waffenlieferung ,von Waffen im Allgemeinen, an die Ukraine nach jetzigen Geschehnissen begründen?



    Ich erkenne keine Verhandlungsbasis.

    Und wie eine Nebelkerze wirkt es. Allerdings wissen wir nicht, was hinter den Kulissen ge- und besprochen wird, denn das unterliegt der Geheimhaltung. Es wäre auch strategisch sehr bedenklich, wenn die Bundesregierung alles verlautbaren würde, was wann an die Ukraine geliefert würde. Eigentlich können wir noch hoffen, dass entsprechend gehandelt wird, wie als Absicht geäußert. Oder es gibt mal ein Leak.

  • Gibt es auch andere, relevantere Stimmen aus der Linken als die von Sevim Dağdelen, oder andere, möglicherweise für die Meinungsbildung der Linken repräsentativere Argumente als die ihren? Es kommt mir ein wenig unlauter vor, immer nur sie und ihren kleinen Kreis zu zitieren.

  • Natürlich werden schwere Waffen den Krieg eskalieren.



    Das ist ihr Sinn und Zweck.



    Genauso wie ein Verhandlungsfriede Ziel jeglicher rationaler Politik sein muss - wer will schon einen permanenten Dauerkonflikt, ein Kaschmir am Dnjepr?



    Jedoch sollte nicht der Fehler begangen werden und Pazifismus mit Defätismus verwechselt werden.



    Ein Dauerhafter Friede kann nur erreicht werden, wenn Faschputins Invasion zurückgedrängt wird und der Autokrator aller Reussen von seinen eigenen Schranzen zur Rettung ihrer Felle - ühm - dem Volkswohl zuliebe - nach Den Haag ausgeliefert wird wie Slobodan M., der letzte Zu-alter-Größe-Zurück-Führer vor ihm auch.



    Jugoslawien muss eine Lehre sein, wo Jahre des Lichterkettenlaberns und Pseudosanktionierens nichts brachten, bevor die Schlächter aufgrund von Niederlagen nach Dayton gezwungen werden konnten.



    Diplomatie braucht also immer auch handfeste Argumente.



    Im Moment also schlagende und zwingende Argumente großen Kalibers.

  • Dreist finde ich nur Frau Dagdelen. Jeden Satz von ihr empfinde ich, die ein Leben lang dem Proletariat mit Stolz angehöre, als persönlichen Angriff auf mein linkes Herz.



    Diese Frau hat immer noch nicht verstanden, dass wir hier nur dank der Briten und Amerikaner frei leben. Ohne sie wäre ich wohl Hitlermädel geworden oder tot. Und auch Frau Dagdelen und ihrer Familie wäre wohl ein gänzlich anderes Leben beschieden gewesen.



    Sie sollte die Signale hören und in das letzte Gefecht für das Menschenrecht ziehen, statt den faschistischen Imperalismus Russlands, der die Souveränität von 44 Millionen Ukrainer*innen negiert, kleinzureden.



    Das diese Frau einer 4,9 % und trotzdem im BT Partei immer noch in den Medien eine dankbare Bühne findet, ist über der Schmerzgrenze.

    • @Leichtmatrose:

      Frau Dagdelen hat aber recht. Frieden auf diplomatischem Weg kommt nur zustande wenn Putin einseitig Bedingungen diktiert und das lässt sich nur ein militärisch völlig geschlagener Staat gefallen.



      Einen Friedensvertrag der die territoriale Unversehrtheit der Ukraine beinhaltet ist mit Putin nicht zu machen, also sind Verhandlungen auf Augenhöhe nicht zielführend.

  • "Kein eigener Antrag, dafür aber umso deutlichere Kritik kommt aus der Linksfraktion. Sie lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine entschieden ab."

    Jo, das politische Konzept, das dahinter steht, dürfte inzwischen auch klar sein: Die Ukraine soll einfach ausbluten bis zur Kapitulation. Anschließend darf sie oder wahlweise die Amerikaner oder die Nato dann mit Putin "verhandeln".

    • @Schalamow:

      Wie soll die Linke einen Antrag einbringen, Sie ist zerstritten und widerspricht sich (jan van aken: Wagenknecht zB.) Und sie weiss auch nicht, wie sie Diplomatie walten lassen könnte, ja, sie hat kein Konzept und keine antwort konkreter art. daher schreit sie laut rum um um von ihrem unvermögen abzulenken. toller pazifismus.

  • "Schwer" ist hier nur der fahrbare Untersatz ex-Leopard 1. Die aufmontierten zwei Stück 35mm Flaks helfen nur gegen Tiefflieger/Hubschrauber (dafür gibts wirksamer Stinger) und Drohnen Gegen *echte* schwere Waffen wie T72 nutzlos. Also Etikettenschwindel. Aber "Panzer" klingt schon arg eindrucksvoll.