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Zwei Klassen von GeflüchtetenZoo-Bonus für Ukrai­ne­r:in­nen

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

Im Zoo Hannover gibt es Rabatte für bestimmte Gruppen – auch für Ukrainer:innen. Das ist aber Kleinkram im Vergleich zu anderen Ungerechtigkeiten.

Nicht je­de:r ist gleichermaßen willkommen Foto: Peter Steffen/dpa

G ibt es selbst da jetzt Geflüchtete erster und zweiter Klasse?“, fragt sich eine taz-Leserin und weist uns darauf hin, dass der Zoo Hannover offenbar ­Ukraine-Geflüchteten noch einen Bonus-Rabatt einräumt.

Das passt natürlich erst einmal ins Bild, immerhin schreit ja auch sonst in so ziemlich jedem Unternehmen die Marketing-Abteilung: „Hier! Wir auch! Solidarität! Alles Blau-Gelb!“

Rabatte, Gratisleistungen, Spendenaktionen – man blickt kaum noch durch. Zum Glück beschränken sich die meisten auf Pressemitteilungen in deutscher Sprache, davon bekommen die Betroffenen nicht so viel mit, allenfalls über ihre deutschen Paten.

Im Fall des Zoos Hannover ist es aber noch ein bisschen komplizierter: Den Sonderrabatt für Geflüchtete aus der Ukraine gibt es nämlich in Wirklichkeit nur, wenn sie im Rudel auftauchen und dabei von einer gemeinnützigen Organisation begleitet werden. Für die gibt es dann ähnliche Tarife wie für Gruppen von Schwerbehinderten, Schul- oder Kindergartenkindern.

Komplizierte Buchungen verschleiern hohe Preise

Einzelne Geflüchtete aus der Ukraine werden genauso behandelt wie einzelne Geflüchtete aus Afghanistan oder Syrien und bekommen den Sozialtarif, den gibt es auch für In­ha­be­r:in­nen des Sozialtickets aus der Region.

Um das zu verstehen, muss man aber schon ein Weilchen herumklicken auf der Zoo-Website, wo das Buchen von Eintrittstickets mittlerweile ein ähnliches Prozedere erfordert wie bei der Bahn oder bei Fluggesellschaften.

Das dient natürlich alles dazu, zu verschleiern, dass so ein Zoobesuch einfach schweineteuer geworden ist: 90 Euro zahlt die Normfamilie aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern (unabhängig von der Staatsbürgerschaft) für eine Tageskarte. Aber auch nur, wenn sie den Hund (Rasse egal) zu Hause lässt, sonst 100 Euro.

Den Preis drücken kann man, wenn man früh bucht oder sich auf bestimmte Zeiten und Tage mit geringer Auslastung festlegen lässt. Es ist kompliziert.

Viel bitterer ist die Diskriminierung durch den Staat

Da vergisst man fast, wie einfach Diskriminierung sonst geht, vor allem wenn sie vom Staat ausgeübt wird. Denn um noch einmal auf dem schmerzhaft zuckenden Gerechtigkeitsnerv unserer geneigten Le­se­r:in­nen­schaft herumzureiten: Ja, es gibt Geflüchtete erster und zweiter Klasse.

Und ja, die Geflüchteten zweiter Klasse hängen immer noch in diesem kafkaesken Limbus fest, in dem man immer auf noch irgendein unverständliches Papier wartet. Auf den gefürchteten Interviewtermin, auf das Ende der Wohnsitzauflage, auf den Beginn des Sprachkurses, auf eine Aufenthalts- und irgendwann vielleicht sogar eine Arbeitserlaubnis. All das immer mit dem verminderten Leistungssatz, der für Asylbewerber vorgesehen ist.

Bei Ukrai­ne­r:in­nen geht ja plötzlich alles, was sonst nie ging und auch immer noch nicht geht. Das wiederum ist so bitter, dass so ein Zoobesuch fast auch schon egal ist.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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6 Kommentare

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  • Vielleicht ist es auch gar nicht so kompliziert gedacht. Da denkt sich einer beim Zoo: es kommen Frauen mit ihren Kindern, ich habe einen Zoo, vielleicht kann ich einen Beitrag leisten, und denen eine Freude machen? Nein, geht nicht, weil es dann einen Aufschrei gibt: warum die Geflüchteten aus der Ukraine, und nicht auch die Gruppe x? Und wenn ich dann die Gruppe x dazu nehme, gibt es wiederum einen Aufschrei, warum nicht Gruppe y und z?

  • Wir haben nicht nur zwei Klassen, wir haben ein regelrechtes Apartheid-System, nicht nur in Deutschland.

    Schauen wir, wie die USA weiße Geflüchtete aus der Ukraine behandelt und wie sie zum gleichen Zeitpunkt mit schwarzen Geflüchteten aus Haiti umgeht.

    Es geht nicht nur um bevorzugte Behandlung, es geht klar um einen Unterschied im Lebensrecht:

    Die einen erfrieren oder ertrinken an den Außengrenzen Europas und die anderen sind willkommen.

    So tiefgreifend ist dieser generalisierte Rassismus verankert, dass selbst Grüne ohne Aufschrei oder Probleme in das bereits damals unsicherste Land der Welt, Afghanistan, reihenweise Menschen abschieben lassen konnten, nach dem Motto sind halt kriminell, als ob für bestimmte Menschen hinterrücks die Todesstrafe berechtigt sein mag.

    Fast zwei von drei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen begehen übrigens nach Studien mindestens einmal eine kriminelle Handlung - aber bei Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion reicht das, um die Zerstörung ihres ganzen Lebens in Kauf zu nehmen oder sogar ihren Tod.

    Leider sind die Unterschiede so krass und die möglichen Konsequenzen (bis hin zum Verlust des Lebens) so schwerwiegend, dass ich keine andere Möglichkeit sehe, als den Begriff der Apartheid zu verwenden.

    Alles andere ist nach meiner Ansicht eine Verharmlosung und dass wir verharmlosen liegt wohl auch an internalisiertem Rassismus, der uns nicht einmal bewusst zu sein braucht.

    Letztlich wird gehandelt nach dem Motto "Ja zu den Menschenrechten, aber die da sind irgendwie doch keine vollwertigen Menschen."

    Wie ließe sich sonst das erklären, dessen Zeugen wir werden?

  • Ich habe letztens, den unbedingt, jährlichen, notwendigen Besuch des Tierpark - Berlin(Friedrichsfelde!!) getätigt.



    ....Das dient natürlich alles dazu, zu verschleiern, dass so ein Zoobesuch einfach schweineteuer geworden ist....



    Jenau!



    Ick dachte noch irgendwas mit Rentner(wie früher..) Ach, Scheiße!



    ..Um geflüchteten Menschen aus der Ukraine in ihrer angespannten Situation zu unterstützen, können sie den Tierpark Berlin derzeit von Montag bis Freitag (gilt nicht an Feiertagen) kostenfrei besuchen. ..



    Finde ich gut!



    Viele Ukrainer*innen waren unterwegs.



    Ich habe die obligatorischen Bilder gemacht und bin bei einem Motiv(Kattas) mit Ukrainnerinnen ins Gespräch gekommen. Sie waren nett aber auch sehr distanziert oder besser schwermütig. Da viel mir ein, ihre Männer sind im Krieg und ich hüpfe hier herum.



    Da habe ich den Rest des Tages noch daran gedacht.



    Letzter Absatz i. B.. Anschließe mich!

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Ukrainer*innen sind ja keine Asylbewerber. Sondern Flüchtlinge die einen temporären Schutz nach EU Richtline für 1 Jahr max. 3 Jahre erhalten. Danach müssen diese zurück.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Das ist genau der gleiche Schutzstatus, den auch der Großteil der Flüchtlinge aus bspw. Afghanistan oder Syrien bekommen hat (weil auch in deren Situation Asyl, also der Schutz vor staatlicher politischer Verfolgung, meist nicht passt oder nachweisbar ist). Um den zu bekommen müsste aber zunächst ein - dreimal dürfen Sie raten - Asylantrag gestellt werden. Quelle: eigene Erfahrung als mehrjährig Hauptamtlicher in der Flüchtlingsbetreuung.

      Was vielerorts in Bezug auf die ukrainischen Geflüchteten betrieben wird, ist schlichtes Virtue Signalling. Oder "Blue-Yellow-Washing". "Olha und Anstasiia aus Odessa - Märtyrerinnen für unsere Freiheit! Und auch wir leisten unseren Beitrag!". Verinnerlichte und werbewirksam perpetuierte Propaganda. (und bevor hier wieder jemand superschlaues ankommt: scheiß auf Putin und seinen Angriffskrieg, aber Propaganda betreibt jede Kriegs- oder sonstige interessierte Partei)







      Ja, auch 2015 gab es viele "Goodwill" - Unterstützungsangebote. Was sich aber schon seit einigen Jahren gelegt hat, als viele Leute merkten, dass die Geflüchteten ja gar nicht die "edlen Wilden" sind, sondern die gauss'sche Normalverteilung bzgl. des "Arschlochfaktors" auch auf Geflüchtete zutrifft. Und viele Geflüchtete es auch nicht einsehen, den Selbstdarsteller*innen unter den (vor allem sich selbst) Helfenden den Hintern zu küssen für milde Gaben. Aber ich schweife ab...

      Ich freue mich für die ukrainischen Geflüchteten, dass für sie jetzt endlich mal Prozesse, die sonst ewig dauern und absolut entnervend sind, vglw. schnell und unkompliziert laufen. Aber es ist eine Schande, dass es für andere Gruppen, sogar mit vergleichbarer Situation, z. T. eben nicht so ist. Und im Rahmen meiner Arbeit darf ich dann noch versuchen, diese Tatsache für nicht-ukrainische Geflüchtete verständlich zu machen, die ja mitkriegen dass andere Bewohner*innen der Unterkunft sehr viel weniger Probleme haben, bspw. an Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis zu kommen...

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Und beide fliehen vor Krieg und Gewalt.