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EU-Rat gegen mehr TransparenzKampf um Daten zu Pestizideinsätzen

Die EU-Kommission will, dass die Mitgliedstaaten jedes Jahr melden, wie viel Pestizide die Bauern gespritzt haben. Doch die Agrarlobby wehrt sich.

Ein Bauer sprüht Pflanzenschutzmittel auf ein Zuckerrübenfeld Foto: Jochen Tack/imago

Berlin taz | Umweltschützer werfen dem Rat der EU-Staaten vor, aussagekräftige Statistiken zum Pestizideinsatz verhindern zu wollen. Ohne die Daten lasse sich nicht messen, ob die Europäische Union das von der Kommission ausgegebene Ziel erreicht, die Pflanzenschutzmittelmenge bis 2030 zu halbieren, erklärten das Pesticide Action Network (PAN) Europe und die österreichische Organisation Global 2000 am Mittwoch. Der Rat versuche in den am Donnerstag beginnenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament und der Kommission, eine geplante Verordnung über die Pestizidstatistik zu verwässern.

Jährlich werden in der EU rund 350.000 Tonnen Wirkstoffe eingesetzt, die Kulturpflanzen vor Schädlingen und Krankheiten schützen sollen. Rückstände finden sich in Boden, Wasser und Lebensmitteln sowie im menschlichen Körper. Pestizide tragen dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. Deshalb will die EU-Kommission, dass der Pestizideinsatz und die damit verbundenen Risiken bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre von 2015 bis 2017 um 50 Prozent sinken.

Um zu überwachen, ob die Mitgliedstaaten dieses Ziel erreichen, hat die Kommission mit Unterstützung des Parlaments vorgeschlagen, dass sie künftig jährlich – statt wie bisher nur alle fünf Jahre – ihre Pestizidmengen an die EU melden. Die Daten sollten aus den bereits obligatorischen Aufzeichnungen der Bauern über ihre Chemikalieneinsätze stammen – und nicht aus weniger repräsentativen Stichproben.

Doch gegen diese Punkte habe sich der Rat in einem Mandat für die EU-Verhandlungen ausgesprochen, so die Umweltverbände. Maßgeblich dafür verantwortlich seien zehn Staaten, zum Beispiel Deutschland, Polen und Ungarn. Sie argumentierten, der Vorschlag der Kommission sei zu aufwändig. Österreichs Landwirtschaftskammer etwa befürchtet auch, dass mit den Daten Bauern „an den Pranger gestellt werden“.

Seit das Bundesagrarministerium statt von Julia Klöckner (CDU) von Cem Özdemir (Grüne) geleitet wird, vertritt es eine andere Position. Bei der Ratsabstimmung votierte es gegen das von den Umweltschützern kritisierte Mandat.

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10 Kommentare

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  • "Die Daten sollten aus den bereits obligatorischen Aufzeichnungen der Bauern über ihre Chemikalieneinsätze stammen – und nicht aus weniger repräsentativen Stichproben."

    Was soll dieser dokumentatorische Unsinn?

    Wer wissen will, wieviel und welche Pestizide in DE eingesetzt werden, soll sich die Daten von den paar fünf Produzenten geben lassen!

    Wir zählen doch auch nicht den Verbrauch von Erdöl indem jeder Autofahrer seine Tankquittungen an eine Tankquittungen-Aufsichtsbehörde schickt.

  • @Jost Maurin und andere Redakteur*innen

    Ihr habt in diesem Artikel einen Link zur offiziellen Seite der EU Kommision gelinkt. Der Link unterscheidet sich nicht von anderen Links, sind halt in rot hervorgehobene Hyperlinks.

    Ich fände es schön und sinnvoll, die Links anders zu behandeln. Nicht im Fliesstext sondern von mir aus in Klammern hinter dem Satz. Mit eindeutigerem Hinweis, was sich hinter dem Link befindet. In dem Fall etwas wie (Link zur Handlungsweisung der EU Kommision (eng.)). Viele Links führen zu älteren Artikeln der Taz oder anderen Medien, auch in diesem Artikel. Dann (Link zum behandelnden NAMEDERZEITUNG Artikel).

    Links die ich immer gerne drinnen hätte wären Links zu den Abstimmungsergebnissen, vielleicht sogar mit einem anderen Farbcode versehen. Ich habe mich nicht durch die EU-Seiten geklickt, um einen Link wie diesen zu finden (alte Bundesregierung, anderes Thema, aber genau das was vielleicht auch viele Interessiert - wohlforamtierte Abstimmungsinformation über die Fraktionen www.bundestag.de/p...bstimmung/?id=754).

    Es wäre toll wenn Ihr diesen Topic mal in eure Teamsitzungen bringen könntet. Mit Einbezug von LayOut Team und Frtontend Programmierer.

    Ich bin nicht der einzige Leser denke ich, der nicht auf jeden Link klicken kann aus limitierten Zeitgründen. Ich würde aber auf jeden Abstimmungslink beispielsweise klicken, der müsste sich aber unterscheiden farblich oder Textuell, damit ich Ihn auch finde. Hilfreich für zukünftige Wahlen. Nicht nur für mich.

    Danke falls Ihr das macht - den Topic diskutieren - und generell danke für eure Arbeit. Und sorry für das leichte OffTopic, ich versuche es heute Abend nochmal mit ner Mail an den Taz-Support.

  • "Deshalb will die EU-Kommission, dass der Pestizideinsatz und die damit verbundenen Risiken bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre von 2015 bis 2017 um 50 Prozent sinken."



    Mit anderen Worten 9 Jahre und noch länger Tiere und Umwelt totspritzen. Warum sich auch beeilen, dies vorzeitiger zu beenden? Es sind ja "nur" 75 Prozent weniger Insekten gegenüber Anfang der 1980er, außerdem noch weniger Säugetiere, Amphibien, Gliedertiere. Was ist denn schon das gegenwärtige, 6. Massenausssterben? "Was interessieren mich Kleinstlebewesen auf dem Acker?! Die Nahrungsmittel kommen aus dem Supermarkt!" ;-/

    • @Uranus:

      'Was interessieren mich Kleinstlebewesen auf dem Acker?'

      Umgekehrt wird eher ein Schuh daraus! Mikroorganismen im Ackerboden sind essentiell, ja sogar unabdingbar, für das Pflanzenwachstum. Sie unterstützen die Pflanze bei der Aufnahme von Phosphor und Stickstoff, desweiteren leisten sie wertvolle Beiträge zur Stabilisierung der Bodenstruktur und sogar zum Wasserhaushalt.

      Ein Bauer, der seine Äcker absichtlich totspritzte, würde die überlebensnotwendigen Mikroorganismen vernichten, es würde nichts mehr wachsen und zur Strafe gäbe es Hartz IV lebenslang und zwar vollkommen zu recht. Man muss seine Mikroorganismen im Acker hegen und pflegen, als notwendige Voraussetzung für eine gute Ernte. Totgespritzte Äcker bedeuten einen Totalausfall der Ernte. Diese Äquivalenzbeziehung erkennt z.B. auf der Landwirtschaftsschule Mosbach/Baden selbst der talentfreieste Kursteilnehmer.

      • @Magic Theo:

        Offenbar etwas missverständlich - mit Kleinstlebewesen wollte/will ich auf Insekten und Gliedertiere hinaus.

        • @Uranus:

          Alles klar, danke für die Klarstellung! Das superlative Präfix 'Kleinst-' hatte mich gedanklich tatsächlich sofort in mikroskopische Skalenbereiche katapultiert. An bekreuzte Traubenwickler oder gefurchte Dickmaulrüssler habe ich dann gar nicht mehr gedacht.

          • @Magic Theo:

            Ja, hoppla. Es gibt offenbar noch kleinere Lebewesen als die kleinen, die ich meinte. Kleintiere sind Insekten aber auch nicht. Nicht so einfach ... ;-D

      • @Magic Theo:

        Meine Bewunderung für ihre Argumente, aber in diesem Forum kämpfen Sie da gegen Windmühlen. Es geht hier nicht um den Nutzen der Pflanzenschutzmittel sondern nur darum sie zu verteufeln. Ich habe vor beinahe 40 Jahren Landwirtschaft gelernt, damals gab es noch Mittel wie Atrazin, DDT oder Quecksilber haltige Getreidebeize und trotzdem gab es damals anscheinend mehr Insekten.



        Die Landwirtschaft hat definitiv in den letzten 40 Jahren ihre Hausaufgaben gemacht, schwächere Pflanzenschutzmittel, bessere Ausbringtechnik, geringere Aufwandmengen und trotzdem werden die Insekten weniger und das auch in Naturschutzgebieten und Regionen ohne jeglichen Pflanzenschutz, sollte man da nicht überlegen ob ( wirklich ) die Landwirte die einzig Schuldigen sind.

        • @Günter Witte:

          Nun, die Agrochemie ist in Ihrer Entwicklung ja nicht stehengeblieben oder sind plötzlich öko geworden. Biologe Dr. Mark Benecke beleuchtet u.a. die Giftigkeit verschiedener Pestizide kruz in einem Vortrag zum Thema Massenaussterben der Insekten, ab Minute 45:31 (wobei der ganze Vortrag sehr interessant ist. Er hielt diesen Vortrag mehrmals - auch auf Deutsch. Sollte einfach zu finden sein):



          "Forensic Biologist Mark Benecke, PhD, FLS about species extinction, floodings and degrowth 🔬 Current data; presented at Insecta conference in Magdeburg (Autumn 2021) at insecta-conference.com"



          youtu.be/mGyPfYE_1bk?t=2734

          • @Uranus:

            Natürlich spielen die Pestizide eine Rolle. Der größte Batzen der letzten Jahre geht aber auf den 16% Anteil Energiepflanzen-Flächen an den landwirtschaftlichen Flächen zurück. Hierfür wurde insbesondere auf Brachflächen zurück gegriffen, nachdem im Rahmen der Energiewende die Förderung für Brachflächen entfiel.

            Maßnahmen gegen den Klimawandel dienen alleine der Wirtschaft. Nicht der Umwelt.