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Regierungserklärung von Olaf ScholzLeere Versprechungen

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die Ankündigung von Kanzler Scholz, alle mitzunehmen, ist ohne Basis. Auf Fragen wie steigende Mieten oder Armut im Alter hat er kaum Antworten.

Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag Foto: Annegret Hilse

I n seiner ersten Regierungserklärung hat Olaf Scholz die Menschen auf große Veränderungen eingeschworen. Die 20er Jahre würden Jahre des Umbaus sein. Gleichzeitig hat er aber auch beteuert, dass alles nicht so schlimm werde, er und seine Regierung würden für Sicherheit im Wandel sorgen. Doch Scholz’ Versprechen, alle mitzunehmen, ist kaum untermauert.

Denn die Ampel hat auf harte materielle und soziale Fragen, wie steigende Mieten, Armut im Alter, niedrige Löhne, prekäre Beschäftigung, nur unzureichende Antworten. Der Mindestlohn von 12 Euro, den die Regierung einführen wird, ist ein Fortschritt, garantiert aber selbst nach 45 Jahren Vollzeitbeschäftigung keinen Schutz vor Armut. Befristungen ohne Sachgrund bleiben erlaubt, Jobs ohne Tarifverträge ebenfalls, damit sind prekäre Arbeitsverhältnisse politisch gewollt.

Der Bau von 100.000 öffentlich geförderten Wohnungen wird die Tendenz des permanenten Rückgangs an Sozialwohnungen zwar umkehren, gleicht aber nicht den Bedarf aus. Und dass die wirkungslose Mietpreisbremse verlängert wird, kann keine beruhigen, die aktuell nach einer bezahlbaren Wohnung sucht.

Es wäre Aufgabe der linken Opposition im Bundestag, die Bundesregierung und speziell die SPD an ihr Respekt-für-alle-Versprechen zu erinnern. Doch ach, die Linke ist schwach und vollends damit beschäftigt, sich weiter zu schwächen.

Linksfraktion macht es Scholz leicht

So fordert sie konkrete Lösungen zur Bekämpfung der Coronapandemie, einigt sich aber bei der Abstimmung zur Impfpflicht für Pfle­ge­r:in­nen und Ärz­t:in­nen lediglich auf Parteidisziplin. Sie besetzt trotz massiver Proteste aus den eigenen Reihen den einzigen ihr zustehenden Vorsitz, nämlich im Ausschuss Klima und Energie, mit einem Mann, der einen Rollback in der Klimapolitik verkörpert und nimmt in Kauf, dass sich Teile der eigenen Basis und der Klimabewegung frustriert abwenden.

Man kann die Linksfraktion derzeit einfach nicht für voll nehmen. Und damit macht sie es Scholz und der Ampel leider einfach, ihr Versprechen des sozialen Zusammenhalts stillschweigend zu brechen.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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8 Kommentare

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  • Das größte Hindernis bei der Bewältigung der vielen Krisen, die unser Überleben gefährden ist dieser Parteienstaat, in dem Politiker im ständigen Wettbewerb gegeneinander glauben, die ganzen aufgestauten Probleme, die sie zum Teil selbst verursacht haben, in den Griff zu bekommen und dabei krachend daran scheitern, dass ihre Wähler*innen ihnen das nicht mehr zutrauen mögen. Dieser mehrfache Notstand, sei es bei der Bewältigung der Pandemie oder dem Versuch, die totale Klimakatastrophe noch einigermassen abmildern zu können, erfordert eigentlich einen Zusammenschluß aller noch Überlebenden. Statt dessen wird gelogen und verdrängt und das, obwohl den allermeisten Bürger*innen durchaus bekannt ist, dass wie über unsere Verhältnisse leben und eine Partei der Ellenbogenakrobatik wie der FDP mit ihren Märchenerzählungen und der Verbotsdemagogie alles tut, um die Bereitschaft zu gravierenden Veränderungen unserer lebensweise zu konterkarieren und die anderen Politiker Angst haben, an Einfluss zu verlieren, wenn sie diesen Demagogen widersprechen. Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen, die mit demokratischen Mitteln unsere Gesellschaften gemeinsam die Krisenbewältigung angeht und diesen fehlgeleitetem Parlamentarismus die rote Karte zeigt. Die Impulse müssen von den Betroffenen selbst kommen, wenn der Parteienstaat hier so gravierend versagt.

  • Hätte man vor der Wahl genau hingeschaut, was die SPD wirklich ganz konkret zusagte, dann müsste jetzt die Enttäuschung weniger groß sein.



    Schon an der Entwicklung von Künast konnte man das ganze Elend der SPD erkennen. Man startet von linker Position und landet irgendwo rechts. Fast alle JUSO Vorsitzenden haben das vorgemacht.



    Allerdings haben SPD und auch Grüne das Glück, mit der FDP zu koalieren. Da haben sie nämlich jederzeit ein Alibi dafür, warum eine soziale Politik kaum möglich ist.



    Wir werden in den nächsten Jahren die Transformation einer kapitalistischen Gesellschaft in eine radikalkapitalistische Gesellschaft erleben mit zunehmender Eingrenzung demokratischer Rechte, die vermeintlich dem Klimawandel geschuldet sind.

  • Mindestlohn von 12 Euro und 100.000 geforderte Wohnungen sind schon Mal ein Fortschritt, der vielen Menschen mit niedrigem Gehalt einen erheblichen an Lebensqualität bringen wird.

    Ich arbeite seit Jahrzehnten in teilweise sachgrundlos befristeten Jobs immer ohne Tarifvertrag, dennoch waren meine Arbeitsverhältnisse nie prekär. Das kann man nicht gleichsetzen, weil es in bestimmten Branchen in allen Gehaltsklassen üblich ist.

    Aber ja, ich fände es schön, wenn da was passieren würde. Nur: das war nie ein großes Thema der Linken, die haben sich immer mehr für die Belange derer interessiert, die nicht arbeiten, und da auch nicht darum, wie diejenigen wieder arbeiten können. Damit waren sie zurecht erfolglos (allerdings hätte es auch keine R2G-Mehrheit gegeben, wenn die Linkspartei etwas stärker gewesen wäre, die Stimmen hätten dann der SPD gefehlt, dafür gibt es strukturell und dauerhaft keine Mehrheit auf Bundesebene).

  • Es fällt schwer, die Scholzschen Versprechen überhaupt zu entdecken. Und zwar sowohl bei Scholz selber als auch hier im Artikel. Die SPD hat bislang doch ziemlich deutlich und ehrlich klar gemacht, dass sie keine wirklichen Veränderungen plant. Der Mindestlohn ist gut, dazu ein bisschen Wohnungsneubau und kleinere Verbesserungen beim zukünftigen Bürgergeld, mehr ist nicht zu erwarten, mehr war auch nie zu erwarten, mehr hat auch niemand versprochen. "Alle mitnehmen" ist nur eine freundlichere Formulierung von "weiter so", die SPD identifiziert sich ganz überwiegend weiterhin mit den "Erfolgen" der Agenda. Man kann das ja schlecht finden und man kann mit Recht meinen, dass die SPD nur so sozial ist, wie es die Linke erzwingt, aber irgendwelche Täuschungen durch die SPD kann man schwerlich behaupten.

  • Wenn er noch einmal etwas ohne Inhalt sagt... und dann den Halbsatz ablässt: "....und das ist auch gut so!" dann bagger ich hier im Hof ein Kopfsteinpflaster aus und schmeiß ihn mir ins Wohnzimmerfenster.

  • Deutschland hat nicht SPD oder Gründe mehrheitlich gewählt, sondern wir haben eine Koalition aus SPD, Grüne und.... FDP bekommen. Linke haben gerade mal 5% der Wähler:innenstimmen bekommen. Es mag ja überraschen, aber FDP haben im Auftrag Ihre Wähler:innen sich u.a. für freie Fahrt und niedrige Steuerlast für sehr reiche Menschen und Erbi:nnen eingestezt.



    Steigende Mieten und Armut ist ja aktive Komponente neoliberaler Politik, die von FDP auch offen und aktiv vertreten wird. Wenn man dann eine Koalition mit FDP bildet, wird sich das auch auf die Regierungserklärung abfärben. Ich denke ein Wort zur Rolle der FDP wäre im Artikel durchaus einleuchtend.

  • Olaf Scholz ist ein Trojan von Neo-Liberalismus in SPD.



    Mit Links bzw. Sozialdemokratie hat er nichts zu tun.

    Fragen Sie ihm wie die Ermittlungen wegen WIRECARD, CUM-EX oder Warburg-Bank gehen???

  • Im Kampf gegen Altersarmut steht nichts im Koalitionsvertrag.