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Neuaufstellung der CDUKonservative Basisdemokratie

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die CDU-Mitglieder wählen ihren nächsten Chef. Eine Frau wird es kaum werden. Die Partei braucht eine Modernisierung und mehr Junge vorn.

Über die Nachfolge von Armin Laschet als CDU-Chef wollen die Mitglieder entscheiden Foto: Wolfgang Rattay/reuters

E s kam, wie abzusehen war: Die CDU wird ihre Mitglieder über den künftigen Vorsitzenden abstimmen lassen. Das ist die richtige Entscheidung, aber anders ging es auch nicht. Zu groß ist der Unmut der Basis über die letzten Personalentscheidungen der Parteigremien – besonders über die Wahl von Armim Laschet zum Kanzlerkandiaten, die wohl in der Opposition enden wird.

Fraglich aber ist, ob das für die CDU moderne Instrument der Mitgliederbefragung auch dazu führt, dass sich die Partei an der Spitze modern aufstellen wird. Genau das aber ist dringend notwendig. Das durchschnittliche CDU-Mitglied ist ein 61 Jahre alter Mann, der deutlich konservativer ist als die Funk­tio­nä­r:in­nen der Partei, vor allem aber als ihre Wähler:innen.

Will die CDU Volkspartei bleiben und Wäh­le­r:in­nen jenseits des Kernklientels zurückgewinnen, die sie ja vor allem in der Mitte verloren hat, muss sie jünger und weiblicher werden und mehr Menschen aus Familien mit Einwanderungsgeschichte für sich gewinnen. Und sie muss vor allem deren Erfahrungen miteinbeziehen, wenn sie sich bei ihrer Neuaufstellung auf die Suche nach konservativen Antworten auf die Fragen der modernen Gesellschaft macht.

Doch man muss daran zweifeln, dass die Basis einen Kandidaten oder gar eine Kandidatin bestimmt, der oder die dies wirklich verstanden hat und sich beherzt an die Modernisierung der CDU macht. Im Gegenteil. Viel spricht dafür, dass nach dieser Entscheidung nun Friedrich Merz noch einmal antritt, der auf Parteitagen schon zweimal, aber jeweils nur knapp, in Kampfkandidaturen unterlag. Und wenn er das tut, dürfte er als Favorit ins Rennen gehen.

Warum ausgerechnet ein Mann, der vor 20 Jahren Fraktionsvorsitzender war, der richtige sein soll, um die CDU in die Zukunft zu führen, hat noch niemand überzeugend beantwortet, am wenigsten Merz selbst. Von der Quote, für die die Frauen-Union kämpft, hält er nichts; seine Reden, von denen meist großes erwartet wird, wirken oft wie aus der Zeit gefallen, zuletzt beim Deutschlandtag der Jungen Union.

Immerhin hat deren Vorsitzender, lange erklärter Merz-Fan, angedeutet, dass dieser wohl nicht der richtige Parteichef für die Zukunft ist. Doch der Einfluss der Jungen in der CDU ist eben ebenso beschränkt wie der der Frauen. Die CDU hat gerade die Möglichkeit, sich neu aufzustellen, auch Dinge zu wagen, die zu Regierungszeiten nur schwer möglich sind. Oder sie kann sich an eine Lösung klammern, die heute schon von gestern ist. Die Chance zum Generationenwechsel sollte sie besser nicht verpassen.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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9 Kommentare

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  • Das vordergründigste Problem der CDU/CSU ist deren offensichtliche, systematische Unterstützung illegaler und legaler, systemischer Korruption.

    Siehe dazu das dritte Rezo-Video zu genau diesem Thema:



    www.youtube.com/watch?v=3Ya7pEDndgE

    Wenn die CDU/CSU jetzt auf jüngere, weiblichere, diversere Kandidat:innen setzen würde, die aber genau so weiter machen würden, wäre gesellschaftsweit exakt nichts gewonnen. Im Gegenteil: Der demokratiefeindliche Scheiß wäre bunter verpackt und würde weniger auffallen.

    Mich irritiert an den TAZ-Artikeln zur Nachfolgeproblematik in der CDU/CSU die Blindheit der Autor:innen zum Thema Korruption. Dabei ist das so krass offensichtlich, wie das die Politik in D negativ beeinflusst.

  • aha, jünger und weiblicher also, so wie Annalena Baerbock. Ein echtes Erfolgsmodell zum Nachmachen,

    • @Gerald Müller:

      Da ist niemand unter dem CDU*, der Annalena Baerbock das Wasser reichen könnte. Sie ist brillant und nicht ohne Absicht grüne Parteivorsitzende. Brillant sind auch noch einige Andere, so ist das nicht, und da bin ich schon sehr froh.

  • Immerhin hat die CDU die erste Kanzlerin und einen offen homosexuellen Minister hervorgebracht - und niemand hat in der Partei ein Problem damit. Was kann denn z.B. die SPD auf dem Gebiet vorweisen? So von gestern scheint mit die CDU nicht zu sein, auch wenn sie sich nach dem Ende der Ära einer Kanzlerin natürlich neu strukturieren muss.

    • 3G
      34936 (Profil gelöscht)
      @Nachtsonne:

      "Immerhin hat die CDU die erste Kanzlerin und einen offen homosexuellen Minister hervorgebracht"

      Es waren zwei, Altmeier und Spahn.



      Außer dem Kanzleramtsminister gab es in der CDU im Kabinett keinen Kandidaten aus der Minderheit der heterosexuellen Männer.

      ;-)

  • Die CDU jünger und weiblicher … mit Friedrich Merz! 😂

  • Die Frage ist doch: Vermissen 'wir' etwas, wenn es diese CDU bzw. Konservative nicht mehr gibt. Es gab eine christliche Tradition, genauso wie eine SPD einmal Garant für auskömmliches Leben und den Sozialstaat war. Heute stellt sich alles ganz neu gegen eine Wirtschaft, in der Profite gegen das Klima gemacht werden und der Faktor Arbeit für die Unternehmen hierzulande zu teuer geworden ist: Produktion wird automatisiert und Roboter ersetzen Mitarbeiter, IT übernimmt Bürokratie . Was übrig bleibt an Tätogkeiten, wird verlagert oder Wanderarbeitern überlassen. Da gibt es kein rechts oder links mehr, Parteien machen sich überflüssig, wenn sie es nicht erreichen, die Gesellschaft gegen die Klimakatastrophe zusammenzuschließen.

    • @Dietmar Rauter:

      „Heute stellt sich alles ganz neu gegen eine Wirtschaft, in der Profite gegen das Klima gemacht werden . . . “



      In der Tat. Allerdings liegen Kapitalismuskritiker falsch, wenn sie postulieren, der Kapitalismus müsse abgeschafft werden, um das Klima und die Umwelt zu retten. Denn ein zunehmender Teil der Wirtschaft hat erkannt, dass Profite auch in Übereinstimmung mit und zum Nutzen von Klima und Umwelt gemacht werden können.



      Gegen die Abschaffung des Kapitalismus spricht auch, dass gegenwärtig kein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zur praktischen Einführung bereitsteht. Gäbe es ein solches (zumindest als Theorie), wäre immer noch die Frage, ob es der Umwelt hilft. Sicher wären nur andere Risiken und Nebenwirkungen, die heute noch niemand abschätzen kann. Ähnlich wie beim Sozialismus/Kommunismus des 20. Jh., der in die Hälfte aller Staaten der Welt kam und inzwischen wieder weitgehend vom Kapitalismus abgelöst wurde.

      • @Pfanni:

        Das Verrückte ist doch: Der Wettbewerb führt zu sinkenden Profitraten (Marx), 'Werte' implodieren (die Börsen mehrfach überzeichnet), es finden sich kaum profitträchtige Wachstumschancen und Währungen werden weicher. Leider ist die Alternative 'gemeinwohlorientiertes Wirtschaften' noch viel zu wenig erprobt, aber die Realität wird dazu führen, dass wir wieder regiomaler und kleinteiliger und lohneswerter produzieren und versorgen werden. Der Weg dahin wird ziemlich dramatisch, traditionelle Sozialismusmodelle waren nie erfolgreich. Learning by doing...