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Steuerreform schaffe Jobs für FrauenEx­per­t:in­nen für „Realsplitting“

Die aktuellen Gesetze zu Ehegattensplitting und Minijobs benachteiligen Frauen, zeigt eine neue Studie. Vor allem für Mütter lohne ein „substanzieller Job“ derzeit oft nicht.

Arbeit in einem Café: Viele verheiratete Frauen geraten in der Falle der Zweitverdienerin Foto: Westend61/imago

Gütersloh dpa/epd | Eine kombinierte Reform von Ehegattensplitting und Minijobs könnte einer Studie zufolge mehr als 100.000 Jobs für Frauen bringen. Die Umwandlung des Ehegattensplittings in ein „Realsplitting“ und eine Reform der Minijobs könnte 124.000 Menschen in Arbeit bringen, davon 108.000 Frauen, erklärte die Bertelsmann Stiftung bei der Vorstellung einer neuen Studie am Mittwoch in Gütersloh.

Für viele Frauen und vor allem Mütter lohne sich derzeit die Aufnahme einer „substanziellen Beschäftigung“ nicht. Aktuell seien diese auf dem Arbeitsmarkt durch die Kombination aus Ehegattensplitting und den steuer- und abgabenfreien 450-Euro-Jobs benachteiligt, kritisierte die Arbeitsmarkt-Expertin der Stiftung, Manuela Barisic. Aktuell haben von 7,6 Millionen Ehefrauen zwischen 25 und 60 Jahren den Angaben zufolge etwa drei Viertel – rund sechs Millionen Frauen – ein geringeres Einkommen als ihr Partner.

Für diese Zweitverdienerinnen setze das Steuer- und Sozialversicherungssystem falsche Anreize. Sie müssten Einkommensteuer über dem üblichen Eingangssteuersatz von 14 Prozent zahlen. Grund sei das Ehegattensplitting, bei dem ein Ehepaar gemeinsam veranlagt wird. Das führe dazu, dass eine Zweitverdienerin in der Regel demselben Steuersatz unterliege wie der Erstverdiener.

Die Stiftung schlägt daher ein „Realsplitting“ vor, bei dem beide Eheleute separat veranlagt werden. Der oft besser verdienende Ehemann dürfte einen Betrag in Höhe von 13.805 Euro – er orientiere sich an rechtlichen Vorgaben etwa zu Unterhaltspflichten und Scheidungsrecht – auf die Partnerin übertragen. Damit lasse sich die Steuerlast für die Zweitverdienerin abbauen, erläuterte die Expertin.

Zudem sollten Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt werden, indem vom ersten Euro an Abgaben gezahlt würden. Wichtig hier: Der Beitragssatz wäre zunächst sehr gering, würde langsam ansteigen – und erst bei 1.800 Euro wäre volle Sozialversicherungspflicht erreicht. Es gehe nicht um eine Abschaffung von Minijobs, stellte Barisic klar. In der Pandemie habe sich aber noch einmal deutlich gezeigt, dass Minijobs in der derzeitigen Form „die großen Verlierer“ waren.

Mit der Kombireform werde für Zweitverdienerinnen eine Arbeit in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung attraktiver. Denn bisher entscheiden sich viele Zweitverdienerinnen für den Minijob, weil sich ein anderer wegen der Steuerlast nicht lohne, schilderte Barisic. Das bisherige Ehegattensplitting rechnet sich vor allem für Paare, bei denen einer viel und der andere deutlich weniger verdient. Aber: „Arbeit muss sich für alle lohnen, insbesondere für Frauen und Mütter.“ Laut Stiftung würde die angestrebte Änderung insgesamt die unteren 40 Prozent der Einkommen entlasten.

Die Reform könne ein wichtiger Schritt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sein. „Es muss uns gelingen, Frauen und Mütter aus der Zweitverdienerinnenfalle zu befreien“, betonte Barisic. Es sei zu hoffen, dass eine neue Bundesregierung das Thema in den Vordergrund rücke. Für den Staat würde eine Umsetzung der Vorschläge keine zusätzlichen Kosten verursachen.

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28 Kommentare

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  • Zusätzlich zum Splitting tragen auch noch die Beitragsbemmessungsgrenzen für Kranken- und Rentenversicherung dazu bei das ungleiche Einkommen vorteilhaft sind. Also die Familie mit 40€ + 40T€ und hat weniger Netto als die Familie mit 80T€ + 0€.

  • Fass mal z‘sammen:

    Wenn ich’s richtig seh - hats Bertelmännchen auch unter Stöpsel-Liz nicht das Niveau des Reichsdrückerkollonnenführers Reinhard Mohn - dem vxxl B‘scheißerle - verlassen! Obwohl mir beim Vorturnen dort damals die Glatties versichern wollten: “Die Zeiten - wo Reinhard Mohn der Oma im Schummerlicht unter der Brücke das 5te Hör-zu-Abo aufs Auge gedrückt hat - seien längst vorbei!“



    Liggers. Hab ich schon damals nicht geglaubt!



    Was allerdings den sauberen Jens van Ahaus - Westmünsterland - nicht davon abgehalten hat - en famillie - wa! - seinem Bertelsmann-Ehegespenst Splittinghalber nen Maskendeal rüberwachsen zu lassen - Fifty-Fifty - denk ich mal - damit die Ehefrauman auch ordentlich was von hat!



    Früher gingen solche Gestalten dafür in den Kahn! Wollnichwoll. Aber wenn selbst “der Andi gute Arbeit macht“ - für Mutti! Wat willste da noch verlangen?!



    Verluderung von dreistesten - Wohinde schaust! Newahr.



    Normal ey •

  • Das Prinzip des Ehegattensplittings kann nur dann abgeschafft werden, wenn man Unterhaltspflichten des Besserverdienenden abschafft. das Ehegattensplitting bildet nämlich einen pauschalen Weg, um in tatsächlicher Form erbrachte Unterhaltspflichten steuerlich zu berücksichtigen. Deswegen wird bei der Alternative auch so rumgedoktert, um mit dem Vorschlag nicht direkt ins Messer der Verfassungswidrigkeit zu laufen.

    Der Vorschlag wird die steuerliche Last erhöhen und das unter dem Banner der Gleichberechtigung ... kannste Dir nicht ausdenken

    • @Erwin Schiebulski:

      Das Prinzip des Ehegattensplittings abschaffen und damit folgerichtig auch jegliche Unterhaltspflicht z.B. bei Arbeitslosigkeit des Ehepartners ist ja so auch nicht gewollt, deswegen dann auch diese eigentümlichen Eiertänze ... die Bertelsmann Stiftung kann es sich ausdenken!

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Ich hasse es, wenn Leute Blödsinn fordern, weil sie keine Ahnung haben.



    Das Ehegattensplitting führt nicht dazu, das Frauen weniger verdienen. Es führt dazu, das Leute die verheiratet sind, den Durchschnitt beider Einkommen versteuern. Sie also mehr haben, was auch in den meisten Fällen gerecht ist, da im Falle das ein Partner allein Sozialhilfe etc. bekommen würde, dies nicht in dieser Gemeinschaft nicht der Fall ist, da das Partnereinkommen herangezogen wird. Oder aber Kinder versorgt, bzw. für diese angespart wird.



    Denn der Kinderfreibetrag ist ein Witz.

    Wenn man allerdings getrennte Konten hat und die Frau verhungern lässt, wäre eine Scheidung anzuraten.

  • Das egegattensplitting gehört abgeschafft.

    Oder durch eine Steuerklasse für eltern ersetzt werden. Hier kann man sich am Kindergeld orientieren.

    Warum muss die Alleinerziehende Mutter "kinderlose" 60 jährige subventionieren?

  • Diese angebliche Benachteiligung lässt sich doch ganz einfach beheben, indem die Partner jeweils Steuerklasse IV wählen (ggf. mit Faktor).

    Wenn man das den Bürgern nicht zutrauen sollte, dann sollte man die Steuerklassen ganz einfach abschaffen. Die Differenz holt man sich mit der Steuererklärung zurück.

    Übrigens, die im Artikel genannten Vorschläge dürften tatsächlich zu höheren Steuern und damit zu einer Mehrbelastung der Eheleute führen.

    • @DiMa:

      Es geht nicht um Steuerklassen sondern um die Zusammenveranlagung. Diese ist Grundlage der traditionellen Familie "Vater verdient, Mutter kümmert sich um die Kinder und verdient vielleicht ein bisschen dazu". Auch die Zusammenveranlagung ist freiwillig, niemand wird dazu gezwungen der das nicht will. Sie abzuschaffen wäre für viele Familien katastrophal.

      • @Descartes:

        Warum werden eigentlich überhaupt Trauscheine subventioniert? Eheleute sollten steuerlich wie unverheiratete behandelt werden. Erleichterungen muss es dann geben, wenn Kinder zu versorgen sind. Das übrigens auch unabhängig von Trauschein. Unser Steuersystem ist für Modelle aus der Nachkriegszeit gemacht und hat mit der heutigen Realität wenig zu tun.

        PS: Scheitert die Ehe, ist die die Frau mit dem Minijob angeschmiert. Nicht nur finanziell.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Über eine Beendigung des Ehegattensplittings kann man gerne diskutieren, wenn man gleichzeitig HartzIV und Unterhaltszahlungen anpasst. Solche Änderungen sollten dann für zukünftig geschlossene Ehen gelten.

          • @DiMa:

            Harz IV Empfänger zahlen Steuern?

            Oder worüber reden wir konkret?

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Es handelt sich um ein Gesamtsystem. Weshalb sollte eine Anrechnung bei Hartz IV stattfinde, wenn diese im Steuersystem ausgeschlossen wird Entweder es findet eine Anrechnung statt oder nicht.

              • @DiMa:

                Harz IV arbeitet ohne Trauschein. Man wird in eine "Bedarfsgemeinschaft" gesteckt.

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Solidarität funktioniert halt auch ohne Ehe 😳

      • @Descartes:

        Der im Artikel beschriebene Effekt ergibt sich ausschließlich aus den Steuerklassen bzw. aus der unbedachten Steuerklassenwahl.

        Da der schlechter verdienende Partner in der Regel die Steuerklasse fünf hat, entsteht das Gefühl, dass sich die Arbeit nicht lohnt.

        Die beschriebene Höherbesteuerung wegen der Tarifangleichung merken die Partner dagegen gar nicht, da im Falle der Zusammenveranlagung nur ein Steuerbescheid ergeht. Diese Zusammenveranlagung bleibt dann für die Familie günstiger, als die Einzelveranlagung.

  • Bertelsmann geht es hier natürlich nicht um Fortschritte in der Gleichstellung.

    Früher konnte ein durchschnittlicher Vollverdiener eine Familie ernähren, heute braucht man zwei dazu. Diese eigentlich schlechte Entwicklung wird als progressiv verkauft.

    Nun greift man die Zusammenveranlagung an (wegen des besseren Framings immer als "Ehegattensplitting" verkauft), obwohl es offensichtlich ist, dass die dabei geltende Versteuerung auf Basis des Gesamteinkommens sinnvoll ist. Warum sollte eine Familie mit 60T€ + 40T€ (SW-Entwicklerin + Erzieher) schlechter dastehen als eine mit 50+50?

    Wer viel verdient, wird sich dann in Zukunft bei der Partnersuche noch mehr auf seinesgleichen konzentrieren. Überwindet man so gesellschaftliche Spaltung?

    • @dumpfisttrumpf:

      Man kann auch die Gegenfrage stellen, warum das 60/40-Paar vom Splitting profitiert, das 50/50-Paar hingegen nicht. Es ist doch so, daß ungleiche Einkommen den größten Vorteil aus dem bestehenden System ziehen - und das sollte man in Frage stellen dürfen.

      Der Rest hier (man "hilft" dem Zweitverdiener, in dem man den Erstverdiener härter besteuert usw.) ist natürlich lupenreiner Stiermist.

      • @Wurstprofessor:

        … weil bei mehr Verdienst auch mehr und höhere Steuern anfallen. Das nennt sich Progression. Dabei ist es egal, wie das Einkommen verteilt ist. Der Effekt ist nämlich auch da, wenn der Mehrverdiener mehr verdient. Er zahlt mehr an Mehr als wäre er unverheiratet.

      • @Wurstprofessor:

        "...warum das 60/40-Paar vom Splitting profitiert, das 50/50-Paar hingegen nicht."



        Das 60/40 Paar profitiert nicht. Das Finanzamt addiert 40 + 60 = 100, dividiert das durch zwei und versteuert 2 x 50, genau wie bei dem 50/50-Paar.



        "Ungleiche Einkommen" haben keinen Vorteil. Zu "Ungleichheiten" kommt es nur, wenn die beiden Partner sich nicht einigen können. Das ist dann aber Sache der beiden Partner, nicht des Staates.

        • @sollndas:

          Nein.



          Aufgrund der Ausgestaltung der Progression ändert sich beim Teilen der Summe durch zwei gewöhnlich der Grenzsteuersatz, oder etwas technischer ausgedrückt führt jeder Euro, der so aus der Proportionalzone in die Progressionszone fällt zu einer geringeren Steuerlast.



          Zurück zum Beispiel, das ich etwas schnell und flapsig formuliert hatte: wenn zwei Menschen jeweils 50t€ brutto im Jahr haben, so bringt ihnen das Heiraten nichts, da keiner vorher einen höheren Grenzsteuersatz hatte. Wenn davon eine Person 100t€ und die andere kein Einkommen hat, dann bewirkt die Eheschließung, daß jene ca. 46t€, die zuvor mit 42% plus Zuschlägen proportional besteuert wurden, nunmehr deutlich geringer besteuert werden: es wird geteilt und zwei Einkommen a 50t€ besteuert - kein einziger Euro davon zu 42%.

          • @Wurstprofessor:

            Apfel & Birnen!

            Der unverheiratete 100T Mensch zahlt natürlich mehr Steuern, als der 100T Mensch in sehr mit 0T Mensch. Aber innerhalb der Ehe ist die Verteilung jedoch egal, 50:50 oder 1:99, am Ende ist die Steuerlast gleich hoch. Der unverheiratete 100T zahlt zwar mehr, aber sein 0T Partner bekommt eventuell Unterhalt vom Staat oder anderswo, der bei Eheschließung wegfiele.

            Das Splitting ist schon ok, es sollte jedoch auch ein Familien Splitting geben, das mehr als nur 3600€ Steuerfreibetrag pro Kind oder Kindergeld umfasst. Aber diese Ersparnis will der Sozialstaat Deutschland den Leistungsträgern lieber nicht gönnen.

            • @TazTiz:

              Wir widersprochen uns ja nicht, ich verstehe Ihre Kritik an meiner rein deskriptiven Ausführung zum geltenden Steuerrecht daher nicht. Was Äpfel und Birnen angeht: für die Steuer identisch, beides Grundnahrungsmittel, verringerter USt.-Satz.

              Das Splitting ist nicht "schon OK", aus genau den Gründen, die Sie nennen: es tut nichts für Familien/Kinder. Es ist eine reine Begünstigung des Personenstandes "verheiratet", die keinen wirklichen Sinn mehr ergibt - sofern dies je der Fall war.

  • "Expert:innen" der Bertelsmann Stiftung. Die denken und handeln ja nur völlig uneigennützig zum Wohle der Bevölkerung und da mit ganz besonderem Verantwortungsgefühl gegenüber denen mit niedrigem Einkommen.



    Wissen wir aus Erfahrung und ordnen so auch die "Studienergebnisse" ein. Oder?

  • Wenn das sogenannte "Realsplitting" zu einem niedrigeren Gesamt-Familieneinkommen führt, dann sind Familien die Verlierer so einer Reform, weil ihnen schlicht und einfach eine Steuererhöhung aufgebrummt wird.

    Mir scheint, dass das Ehegattensplitting einmal mehr nicht richtig verstanden wurde. Es geht um eine Gesamtsteuerlast, nicht darum, dass ein Einzelner mehr oder weniger Netto auf dem Lohnzettel hat. Im Ehegattensplitting gibt es kein Ich und Du, sondern nur ein solidarisches Wir.

    Wer mag, kann sich schon heute dafür entscheiden, separat veranlagt zu werden. Es gibt absolut keine Pflicht zum Splitting!

    • @Winnetaz:

      Genau so sehe ich das auch...

      Zusätzlich die Geschichte mit den Minijobs zu reformieren erscheint mir notwendig. Denn die verdrängen, dass es für das Einkommen am Ende auch keine Rente gibt ("Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und nun bekomme ich nur eine so kleine Rente)

      Zudem sind die Minijobs unsolidarisch, weil der minijobbende Mann über die gut verdienende Frau krankenversichert ist...(Familienversicherung). Entlastet wird zudem der Arbeitgeber.

      • @xriss:

        Es gibt viele Familien, deren Eltern nicht verheiratet sind. Sind die weniger wert? Oder gibt für die andere Preise im Laden? Ein Familiensplitting würde die wahren Belastungen besser abbilden.

        • @TazTiz:

          Nein, das sind sie nicht.



          Und ein echtes Familiensplitting ohne Beitragsbemessungsgrenzen gefiele mir gut. Ist aber das genaue Gegenteil des Bertelsmann Vorschlags.

          Verheiratete dürfen dennoch derzeit noch Vorteile haben, denn sie haben auch Unterhaltspflichten, die man als Risiken sehen kann.