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Höhere Preise und Hartz IVHer mit der Entlastung

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Die steigende Inflationsrate ist nicht dramatisch. Menschen mit wenig Geld brauchen trotzdem Hilfen.

Auch Lebensmittel werden gerade teuerer: Einkaufswagen vor einem Supermarkt in Berlin Foto: Emmanuele Contini/imago

I nflation war lange Zeit kein Thema. Die Lebenshaltungskosten stiegen kaum. Die Europäische Zentralbank riss sich ein Bein aus, um die Inflations­rate auf 2 Prozent hochzudrücken. So ist die jetzt anziehende Teuerung – 4,5 Prozent im Oktober – auch ein Ausgleich für eine bisher moderate Preisentwicklung und deshalb nicht dramatisch.

Zudem spricht einiges dafür, dass der Auftrieb im kommenden Jahr wieder abflacht. Trotzdem machen sich Millio­nen Leute nun Sorgen. Beispielsweise 20 Euro mehr für die Tankfüllung, zehn Euro mehr für Lebensmittel und vielleicht noch eine Nachzahlung für Heizgas schlagen ins Kontor, wenn man in einem Dreipersonenhaushalt mit 1.500 Euro über den Monat kommen muss.

So steht das Thema der Entlastung auf der Agenda. Die Ökostrom-Umlage soll 2022 sowieso sinken. Vielleicht schaffen es SPD, Grüne und FDP aber, noch was draufzupacken. Denn die Kosten für Elektrizität zu reduzieren hat mehrere Vorteile. Weil alle Strom verbrauchen, kommt eine Entlastung grundsätzlich auch sofort bei allen an. Geringverdiener haben einen relativ größeren Vorteil, weil der Anteil der Elektrizität in ihrem Haushaltsbudget größer ist.

Zusätzlich kann günstiger Strom etwa für E-Autos den Abschied von den fossilen Energien erleichtern. Nachteil dieser Strategie: Es liegt an den Stromversorgern, ob sie die Preissenkung an die Haushalte weitergeben. Je höher die Umlagereduzierung ausfällt, desto wahrscheinlicher ist es aber, dass die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich profitieren.

Die Steuerdiskussion in der werdenden Koalition ist schwierig

Für Leute mit niedrigen Einkommen sollten zudem das Wohngeld und die Grundsicherung steigen. Haushalte, die Hartz IV bekommen, mit einem Zuwachs von weniger als ein Prozent abzuspeisen, ist unangemessen. Außerdem könnte der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer so steigen, dass vor allem Niedrigverdiener mehr auf dem Konto haben.

Hier allerdings scheint Skepsis angebracht: Die Steuerdiskussion in der werdenden Koalition ist schwierig, die FDP würde dann auch einen Bonus für Gutverdiener rausschlagen wollen. Also wird ein steuerlicher Inflationsausgleich vermutlich nicht funktionieren.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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7 Kommentare

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  • Sowas kann auch nur jemand schreiben der/die nicht weiss was es bedeutet unter dem Existenzminimum zu leben und jeden Tag Angst hat das der Strom und die Heizung bald abgestellt wird, also wie praktisch mindestens alle Bürger in Hartz 4 und Grundsicherung. Wenn das monatliche Budget schon an sich nicht ausreicht um die Grundbedürfnisse zu decken dann sind 4,5 % Inflation dramatisch, zumal die Energiepreise um ein mehrfaches ansteigen. Schon jetzt werden pro Jahr gut einer Million Bürger im Lande der Strom mindestens teilweise wegen Zahlungsunfähigkeit abgedreht und das wird in den nächsten Monaten dramatisch zunehmen. Die Energiesätze für Sozialleistungen werden aber nur alle fünf Jahre angepasst. Auch die anderen Sozialleistungen werden ja auch immer erst mindestens ein Jahr später angepasst, was bedeutet das eine Minderversorgung von vorne herein in das System eingebaut ist.

  • "Außerdem könnte der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer so steigen, dass vor allem Niedrigverdiener mehr auf dem Konto haben."



    Das ist grundfalsch. Eine Erhöhung des Grundfreibetrags vermindert das zu versteuernde Einkommen. Steuerzahler profitieren also mit ihrem Grenzsteuersatz. Der ist höher, je höher das Einkommen ist. Wer überhaupt keine Einkommensteuer bezahlt, profitiert überhaupt nicht.

  • Ich denke, wie bei allen Gesetzen ist der Graubereich durch verschiedene Auslegungsmöglichkeiten auf grund verschiedener Durchführungsverordnungen sehr groß. Mal als Beispiel, Heizkosten werden bezahlt. Im Prinzip schon, aber welche Kosten als angemessen gelten und welche nicht entscheidet letztendlich ein Mitarbeiter. Es wird Flexibilität verlangt, aber wie mit Hartz IV ein PKW unterhalten werden soll, interessiert nicht. Und das Schlimmste, es geht noch nicht mal um die Kosten die der Staat zu tragen hat. Wohnungen können manchmal auch richtig teuer sein, hauptsache sie ist nicht zu groß. Die oft verlangte erhöhte Eigenverantwortung ist mit dem derzeitigen Hartz IV System absolut nicht umsetzbar.

  • Sollte man unter diesen Bedingungen nicht eher den Häuslebauern aus dem Mittelstand unter die Arme greifen, deren Traum vom Eigenheim für die ganze Familie durch die Inflation in weite Ferne rückt?

    Was hat man noch davon, Geld für etwas Schönes zu sparen, wenn das Geld immer weniger wert ist?

  • Die Zeile über der Schlagzeile (Höhere Preise und Hartz IV) insinuiert dass es sich bei der Forderung "Her mit der Entlastung" um eine Solidaritätische Angelegenheit handeln würde.

    Der einzige Satz hierzu



    ("Haushalte, die Hartz IV bekommen, mit einem Zuwachs von weniger als ein Prozent abzuspeisen, ist unangemessen.")



    findet sich allerdings und enttäuschender Weise nur im vorletzten Absatz.

    Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren dass alle Forderung nach Entlastung, z.B. durch Steuervorteile und Wohngelderhöhung Hartz IV Empfänger und Bezieher der Grundsicherung nicht betreffen. Es wird das Schreckgespenst des Existenzminimums nach SGB II bzw. SGB XII benutzt um die Forderung nach Entlastung für alle anderen zu begründen.

    Als Bezieher von Grundsicherung (kleine BU Rente) und ehemaliger Hartzer darf ich Sie darauf aufmerksam machen dass Heizkosten in voller Höhe vom Leistungsträger (Amt) getragen werden. Benzinkosten fallen zumeist, mangels PKW nicht an. Für meinen Luxus, ein Moped habe ich im letzten Quartal 4l Benzin verbraucht. Das Gas für den Grill auf der Terasse ist auch kein grosser kosten und Umweltfaktor.

    Die einzigen Energiekosten sind die für den Strom. Auch die sind überschaubar.

    Bitte sehen Sie Davon ab nochmal Hartz IV Empfänger herzunehmen um für Forderungen für andere Mitglieder der Gesellschafts zu argumentieren.

    • @Mr.Henry:

      Das ist sehr ehrlich, danke! Aber auch wenn es Sie persönlich gerade nicht trifft, könnte es ja andere Hartz IV Empänger treffen. Und ich sehe nicht, dass man als Hartzer im Geld schwimmt.

      Generell fände ich es angemessen (als nicht Hartzer), Hartz IV selbstverständlich an die Inflationsrate anzupassen. Denn Hartz IV soll ja ein Existenzminimum darstellen und damit sinkt man wegen steigender Preise unter das Existenzminimum - was nicht sein darf. Und im allgemeinen Fall trifft eine Inflation auch Sie.

      Die Gutverdienenden schöpfen so oft Vergünstigungen ab, warum sollte nicht auch mal für Hartz IV Empfänger was abfallen.

      • @Jalella:

        Natürlich schwimmen Hartz IV- oder Grundsicherungs-Bezieher nicht in Geld. Allein schon weil das die Vermögensgrenzen überschreiten würde.

        Existenzminimum ist ja auch ein dehnbarer Begriff, so gibt es unterschiede für Sozioziokulturelles- (SGB II bzw. XII), Schuldrechtliches- (ZPO, P-Konto) und Steuerrechtliches Existenzminimum.

        Das Soziokulturelle beinhaltet dabei nicht die Kosten für Wohnen incl. Heizen. Diese werden on Top getragen.

        Meine Kritik bezieht sich auf die Diskrepanz zwischen Titel "Höhere Preise und HartzIV" gegenüber dem Inhalt der Steuererleichterungen, Tankkosten und Heizkosten abhandelt. Alle drei betreffen Bezieher*innen nicht.

        P.S.: Vom schwimmen in Geld (wie Onkel Dagobert) rate ich generell, insbesondere bei Nickelunverträglichkeit ab.