Zerstörung des Amazonas-Regenwalds: Klimaklage gegen Bolsonaro
Klimaschützer:innen wollen Brasiliens Präsidenten wegen Umweltzerstörung vor Gericht bringen – und damit einen Präzedenzfall schaffen.
Mit dem Verweis auf die Menschheit als Ganzes will sich die neue NGO Allrise aus Österreich aber nicht zufriedengeben. Sie will diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die aus ihrer Sicht persönliche Verantwortung tragen. In einem ersten Schritt haben die Klimaschützer:innen deshalb mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe jetzt Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagt.
Der schwerwiegende Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Damit stünde die Umweltzerstörung auf einer Stufe mit Kriegsverbrechen und Genoziden.
Konkret geht es um die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds, denn die Abholzungsquote ist seit Bolsonaros Amtsantritt in die Höhe geschossen. Der Wald gilt als grüne Lunge der Erde. Seine Böden und Bäume bieten Lebensraum für Zehntausende Arten und speichern Massen an Kohlenstoff.
Bolsonaros politische CO2-Bilanz nachverfolgt
Immer wieder gibt es Studien, die nahelegen, dass der Wald durch die massive Rodung zur Treibhausgasquelle werden könnte. Dann würde er mehr CO2 abgeben, als er Kohlenstoff bindet. Ein natürlicher Verbündeter beim Klimaschutz würde also zum mächtigen Gegner.
„Die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds betrifft uns alle – die Bevölkerung und insbesondere indigene Gruppen vor Ort, aber durch den Klimawandel auch die Menschen weltweit“, sagte Allrise-Gründer Johannes Wesemann am Dienstag bei der Vorstellung der Klage. „In unserer Klageschrift belegen wir, dass Bolsonaros Handeln in direktem Zusammenhang steht mit den negativen Folgen der Klimakrise.“
Das geht aufgrund der immer besseren Methoden der Attributionswissenschaft, einem Strang der Klimaforschung. Der ist spezialisiert darauf, den Anteil des Klimawandels an bestimmten Ereignissen zu untersuchen. An der Formulierung der Klage waren auch einige der führenden Köpfe der Disziplin beteiligt, vor allem die Klimatologin Friederike Otto, die gerade von der Universität Oxford ans Londoner Imperial College gewechselt ist.
Ihr ebenfalls beteiligter Kollege Rupert Stuart-Smith von der Uni Oxford erklärte bei der Vorstellung der Klage, mit welchen wissenschaftlichen Fakten der Vorwurf untermauert ist. „Wir erwarten, dass die CO2-Emissionen durch die Rodungen weiter steigen, solange Bolsonaro Präsident ist, aber in den bisherigen vier Jahren Amtszeit ist er schon für 1,7 Milliarden Tonnen an zusätzlichen Emissionen verantwortlich.“
Es geht also nicht um Brasiliens Gesamtemissionen, sondern nur darum, was Bolsonaros Regenwald-Politik auslöst. Zum Vergleich: Aufs Jahr heruntergerechnet ist das mehr, als Großbritannien aktuell insgesamt pro Jahr verursacht. Der Klage nach ist zu erwarten, dass Bolsonaros Politik zu Treibhausgasemssionen führt, die letztlich in den kommenden 80 Jahren 180.000 Menschen an Hitze sterben lassen.
Weltgesundheitsorganisation warnt vor Klimakrise
Dass der Klimawandel tödlich ist, zeigt auch eine neue Veröffentlichung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die sich dabei allerdings nicht konkret auf Brasilien bezieht. Der Klimawandel ist demnach die größte Bedrohung für die Gesundheit der Menschen. Pro Jahr würden fast sieben Millionen Menschen allein an den Folgen von Luftverschmutzung sterben, heißt es in dem Bericht.
Hitzewellen und Überschwemmungen beschädigten und vernichteten Anbauflächen, Ernten und Viehbestände und führten somit zu Hunger. Zudem führten steigende Temperaturen zu einer weiteren Verbreitung bestimmter Krankheiten wie Malaria. Hohe Temperaturen könnten auch die mentale Gesundheit beeinträchtigen. Menschen litten unter Angst und Depressionen.
Die Klimaklage gegen Brasiliens Präsidenten Bolsonaro wird jetzt erst einmal vom Internationalen Strafgerichtshof geprüft. Auch wenn sie angenommen wird, kann es noch Monate oder Jahre dauern, bis ein Ergebnis vorliegt. „Das kann dauern“, sagte die Juristin Maud Sarlieve, die die Klage begleitet. Genau wisse man es nicht.
Auch die Konsequenzen für Bolsonaro im Falle eines Klageerfolgs sind noch nicht klar. „Wir wollen einen Präzedenzfall schaffen“, erklärt Johannes Wesemann.
Es gehe nicht unbedingt darum, wie viele Jahre man für das bekommt, was Wesemanns Gruppe als Umweltverbrechen anerkannt sehen will – sondern eben erst einmal darum, ob es denn anerkannt werde, ohne dass vorher extra noch der Straftatbestand des Ökozids geschaffen wird. Das gilt als schwierig, denn dafür müssten zahlreiche Staaten zustimmen – also die Regierungen, die danach auf der Anklagebank landen könnten.
Allrise jedenfalls will es denn auch nicht bei der einen Klage belassen. „Es gibt mehrere Bolsonaros, es gibt mehrere Amazonas“, meint Wesemann. „Wir haben einiges zu tun.“ (mit epd)
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