Vorschlag von Jurist:innen: Wie Ökozid strafbar werden könnte
Klimaschützer:innen wollen, dass der Internationale Strafgerichtshof Umweltverbrechen ahnden kann. Jetzt haben sie das juristische Handwerkszeug.
Eine Kommission aus zwölf Völkerstrafrechtler:innen und Umweltjurist:innen hat eine Definition erarbeitet, nach der der Gerichtshof künftig Ökozide, also schwere Umweltverbrechen, ahnden können soll. Der Begriff ist an „genocide“ angelehnt, das englische Wort für Völkermord.
Strafbar wäre nach dem Vorschlag der Expert:innen ins Deutsche übersetzt Folgendes: „rechtswidrige oder mutwillige Handlungen, die in dem Wissen begangen werden, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch diese Handlungen schwere und entweder weit verbreitete oder langfristige Schäden an der Umwelt verursacht werden.“
Die vorgeschlagene Definition des Ökozids ist recht weitgehend. So muss noch kein Schaden entstanden sein, es genügt eine schwere Gefährdung der Umwelt. Die Tat kann nach nationalem Recht auch legal sein; es genügt, dass sie „mutwillig“ ist, das heißt: dass rücksichtslos exzessive Schäden in Kauf genommen werden.
82 Staaten müssen zustimmen
Die Erschließung neuer Kohlefelder nennt der Kommissionsvorsitzende Philippe Sands als Beispiel dafür. Er ist Anwalt und Chef des Zentrums für internationale Gerichte am University College London. Auch das Unterlassen notwendiger Maßnahmen könne als Ökozid bestraft werden, so Sands.
Allerdings würden nur Taten erfasst, die nach einer entsprechenden Ergänzung des Statuts erfolgt sind. Verurteilt werden könnten zudem keine Staaten oder Unternehmen, sondern nur Einzelpersonen, zum Beispiel Präsident:innen oder eben Konzernchef:innen. Ihnen würden im Höchstmaß lebenslange Freiheitsstrafen drohen.
Beauftragt wurde die Expert:innengruppe von der niederländischen Stiftung Stop Ecocide, die sich für die Einführung des Ökozids als Straftatbestand am Internationalen Strafgerichtshof einsetzt. Den gibt es seit 2002. Grundlage ist sein Statut, ein völkerrechtlicher Vertrag, den inklusive Deutschland 123 Staaten unterzeichnet haben.
Das internationale Gericht ist zuständig, wenn nationale Gerichte nicht bereit oder fähig sind, die Tat selbst abzuurteilen. Es behandelt bisher vier Arten von Verbrechen: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und seit 2018 Angriffskriege.
Der Ökozid würde als fünftes Verbrechen hinzukommen. Um das Statut zu ergänzen, müssen zwei Drittel der Vertragsstaaten zustimmen, also 82 Länder.
Stiftungschefin Jojo Mehta schätzt, dass es etwa vier bis fünf Jahre dauern wird, die nötige Mehrheit für die Änderung des Statuts zu organisieren. Das ist optimistisch. Bisher haben laut Mehta acht Staaten Interesse bekundet, darunter die vom Klimawandel stark bedrohten Inselstaaten Vanuatu und die Malediven, aber auch Frankreich, Spanien und Kanada.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Kurdische Gebiete unter Beschuss
Stoppt die Angriffe Erdoğans auf die Kurden in Syrien!