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Vor dem nächsten BahnstreikBartsch sieht Merkel in der Pflicht

Von Donnerstag bis Dienstag bestreikt die GDL den Personenverkehr der Bahn. Indes streitet die Groko über die Einführung einer 3-G-Regel in Zügen.

Die GDL ruft ab Donnerstag zum dritten Streik auf Foto: Oliver Berg/dpa

Berlin taz/dpa | Auf die Bahnkunden rollt die dritte Streikwelle der Lokführer innerhalb weniger Wochen zu. Ab diesem Mittwoch legen die Lokführer im Güterverkehr der Deutschen Bahn die Arbeit nieder. Ab Donnerstag wird der Arbeitskampf auf den Personenverkehr ausgeweitet. Dies kündigte die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Montag an. Der Ausstand endet am 7. September um 2 Uhr morgens.

Die Arbeitgeber bewegte sich im Tarifstreit nicht einen Millimeter, klagt GDL-Chef Claus Weselsky. Sie hätten das Ziel, die GDL als einzige kritische Gewerkschaft im Eisenbahnmarkt zu eliminieren. „Mit Scheinofferten und fadenscheinigen Desinformationskampagnen willfähriger Politiker wollten die Manager die GDL diskreditieren“, behauptet Weselsky. Das einzige Mittel, den Streik zu verhindern, sei ein verhandlungsfähiges Angebot der Bahn.

Doch inhaltlich sind die Fronten weiter verhärtet. Die GDL verlangt 3,2 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 28 Monaten und eine Coronaprämie in Höhe von 600 Euro. Die Bahn will die Einkommen zwar in diesem Maße steigern, jedoch über einen Zeitraum von 40 Monaten. Über eine Prämie würden die Arbeitgeber verhandeln, ohne jedoch eine konkrete Summe anzubieten. Zudem geht es um die betriebliche Altersvorsorge im Unternehmen.

Im Hintergrund schwelt weiterhin der Konflikt um die Expansion der GDL in andere Berufsgruppen. Bisher verhandelt sie nur für das Zugpersonal, also Lokführer oder etwa Zugbegleiter. Künftig will sie auch in den Infrastrukturbetrieben Tarifverträge abschließen. Dort gelten nach dem Tarifeinheitsgesetz künftig jedoch die Abschlüsse der Konkurrenzgewerkschaft EVG. Bahnchef Lutz hatte der GDL in den vergangenen Tagen eine Spaltung der Belegschaft vorgeworfen und die Gewerkschaft aufgefordert, wieder zu verhandeln. Der Appell blieb erfolglos. Personalvorstand Martin Seiler hält den Streik für überzogen. „Der GDL-Spitze geht es ausschließlich darum, ihre Macht auszuweiten“, kritisiert Seiler.

Nur noch mit Nachweis in den Zug?

Bei den beiden ersten Streikwellen konnte die Bahn nach eigenen Angaben einen stabilen Notfahrplan fahren. Regional waren die Einschränkungen allerdings teilweise massiv. Etwa ein Viertel der Fernzüge wird wohl auch in der kommenden Woche fahren. Im Nahverkehr könnten 40 Prozent der Züge unterwegs sein. Unterdessen gibt es innerhalb der Regierung Streit über den Coronaschutz in den Zügen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will eine 3-G-Regel in den Zügen einführen. Dann dürften nur noch Geimpfte, Genesene oder Getestete Fahrgäste die Bahn nutzen. In Frankreich und Italien wird dies bereits so gehandhabt. Die Umsetzung stößt jedoch in Deutschland auf Probleme. Denn jeder Kunde kann grundsätzlich jeden Zug nehmen. Eine Kontrolle auf die 3-G sei kaum möglich, heißt es bei der Bahn. Das Verkehrsministerium lehnt den Vorschlag Merkels ebenso ab wie das Gesundheits- und das Innenministerium. Probleme bereitet vor allem die Frage, wer die Reisenden kontrollieren soll.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat angesichts des Streiks ein Einschreiten der Kanzlerin gefordert. Bartsch sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ein dritter Streik wäre komplett unzumutbar. Die Bundeskanzlerin muss den Streik verhindern und den Bahnkonzern anweisen, die Forderungen zu erfüllen.“

Bartsch fügte hinzu, die Bürger hätten ein Recht auf einen funktionierenden Staat. „Allein schon aus Pandemiegründen muss dieses Theater beendet werden. Die GDL-Forderungen sind berechtigt und bezahlbar.“

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6 Kommentare

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  • Bahn Personal gut bezahlen und autonom fahrende Züge dann hätte wir eine funktionierende Bahn und zufriedenes personal

  • „Die Bundeskanzlerin muss den Streik verhindern und den Bahnkonzern anweisen, die Forderungen zu erfüllen“



    „Schon mal was von Tarifautonomie gehört?“ möchte ich Herrn Bartsch zurufen. Er hat offenbar aus DDR-Zeiten nichts vergessen und nichts dazugelernt.



    Denn diese Praxis, den Staats- und Parteichef Honecker zu bitten, wegen XXX mal seinen Einfluss geltend zu machen, stand DDR-Bürgern offen und führte sogar hin und wieder mal zum Erfolg. Aber damals herrschte „sozialistische Planwirtschaft“ und alle Betriebe gehörten dem Staat, der über alles entschied.



    Diese in der DDR praktizierte Planwirtschaft hat spätestens 1989 ihre Untauglichkeit bewiesen. Wir sollten nicht dahin zurückkehren

    • @Pfanni:

      & JustMeBerlin: Es fehlt vielleicht der Hinweis, dass der Bund 100% (!) der DB-Aktien hält. Und somit sehr wohl Forderungen stellen KANN. Dies aber bescheuerterweise bisher nicht WILL.

      Herr Bartsch hat vollkommen recht, rational betrachtet.

      • @What would The Doctor do?:

        „ . . . , dass der Bund 100% (!) der DB-Aktien hält.“



        Soweit korrekt. Ich weiß aber nicht, ob damit die Tarifautonomie aufgehoben ist. Denn wäre dem so, käme die Festlegung u. a. der Löhne und Gehälter aus dem BundeskanzlerInnen-Amt. Diskussionen würden sich erübrigen. Punkt.



        Wäre vielleicht auch besser so.

  • Sind ja nur die Lokführer.



    Die Regierung tritt der Bahn-Geschäftsführung erst dann in den Arsch, wenn die LKW-Fahrer bei der DB-Tochter Schenker streiken.

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    Herr Bartsch wähnt sich wohl noch in der glücklicherweise untergegangenen DDR, daß er glaubt, ein Regierungschef könne einem Unternehmen vorschreiben, wie es sich in einem Tarifkonflikt zu verhalten habe.