piwik no script img

Bundesregierung und KlimaschutzPlan zum Moorschutz gescheitert

Umwelt- und Agrarministerium können sich nicht auf eine Strategie zum Erhalt der Moore einigen. Der Grund: Bauern fürchteten Einbußen.

Wertvoller Kohlenstoffspeicher: Freiwillige helfen in Sassnitz bei der Wiedervernässung von Mooren Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin taz | Die geplante Strategie der Bundesregierung zum Schutz der für das Klima wichtigen Moore ist gescheitert. Das von Svenja Schulze (SPD) geführte Umweltministerium und das Agrarressort von Julia Klöckner (CDU) teilten am Freitag mit, sie hätten sich nicht auf einen Entwurf einigen können. „Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Moorschutzstrategie der Bundesregierung kann daher nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden“, so das Umweltministerium. „Die Abstimmungen sind in der Tat gescheitert“, bestätigte das Landwirtschaftsministerium der taz.

In Deutschland sind 92 Prozent der Moore entwässert und geben deshalb laut Umweltministerium pro Jahr circa 47 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente ab. Das seien etwa 6 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen. In Moorböden ist demnach genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in den deutschen Wäldern. Kommt der Torf in den Mooren aber mit Luft in Berührung, zersetzt er sich und gibt Kohlendioxid ab. Mehr als 80 Prozent dieser Emissionen stammen von Agrarflächen, die vor allem im Norddeutschen Tiefland und im Alpenvorland liegen.

Schulze schlug deshalb in ihrem Entwurf für eine Moorschutzstrategie vor, den Treibhausgasausstoß der Moorböden bis 2030 um mindestens 5 Millionen Tonnen zu senken. Dafür sollen die LandwirtInnen freiwillig den Wasserspiegel unter Äckern und Wiesen in Mooren anheben. Im Gegenzug sollen die Bauern Geld vom Staat bekommen. Denn wenn beispielsweise Felder wieder vernässt werden, lassen sich darauf entweder gar nicht mehr oder nur noch schwer die bisher gängigen Kulturpflanzen anbauen. Für den Naturschutzbund etwa war das zwar laut seinem Moorexperten Felix Grützmacher zu wenig und zu unverbindlich, aber „besser als nichts“.

Doch Agrarministerin Klöckner lehnte Schulzes Entwurf ab. Das Landwirtschaftsressort schrieb der taz, für Klöckner sei „ein integrativer und kooperativer Ansatz entscheidend“. Dem habe sich das Umweltministerium verweigert.

Misstrauen bei Bauern

Viele Bauern argwöhnten zum Beispiel, dass Schulze sie doch zur Wiedervernässung von Flächen zwingen wolle. Behauptet wurde auch, dass die SPD-Ministerin neue Ställe in Mooren verbieten wolle. Beides bestritt das Ministerium vehement. Es sollten allerdings keine Gebäude mehr subventioniert werden, die langfristig einer Wiedervernässung im Weg stünden. Man setze auf Freiwilligkeit und Förderung.

Schulze will nun „eine eigene Ressortstrategie“ vorlegen. Aber auch diese wird das Kabinett gegen den Widerstand des Agrarministeriums kaum beschließen.

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) bezeichnete die gescheiterten Verhandlungen über eine Moorschutzstrategie als unverantwortliches Zugeständnis an „die Agrarlobby“. „Während die Klimakrise in Deutschland und Europa immer gravierendere Auswirkungen hat und der Artenverlust ungebremst fortschreitet, betreibt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner Klientelpolitik zu Lasten von Natur und Umwelt“, sagte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Der Moorschutz gehöre zu den wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen im Bereich der Landnutzungspolitik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Bis 2050 müssen alle Emissionen in diesem Bereich weg sein, um das Ziel der Klimaneutralität zu Erreichen - 50 Mio. Tonnen pro Jahr. Da reichen 5 Mio. t bis 2030 nicht. Schon der BMU Entwurf war zu schwach.

  • Wir müssen atmen und essen.



    Und wir sind bald 10.000.000.000 Menschen, die das auch alle müssen.



    Von weiteren Bedürfnissen einmal ganz abgesehen.



    Waldbrände werden vermutlich mit der Klimaerwärmung auch nicht weniger.



    Dagegen mehr Wald bei einem immer weiter steigenden Holz- und Bodenbedarf sowieso nicht.

  • Die Landwtrte sollten mal lieber über den sinkenden Grundwasserspiegel in D nachdenken, und welche Kulturpflanzen damit nicht zurechtkommen. Lieber wartet man auf die nächste "unvorhersehbare" Katastrophe, als schon jetzt vorzusorgen.

    • @Martin_25:

      Den Schuh mit dem Grundwasser müssen sich aber die " Städter " anziehen ! Jeden Tag werden über 50 ha an Fläche versiegelt, das Regenwasser das darauf fällt abgeleitet in Bäche und Kanalisationen und damit verloren für das Grundwasser. Städte sind das größte Verbrechen an der Umwelt !!

  • Apropos Moorschutz, eventuell macht es Sinn, wenn grosse Teile des Permafrostes in Kanada und Russland tauen auch dort zu vernässen im Rahmen der (technischen Möglichkeiten. Klimaschutz Deutschland ist ein Modellprojekt und wenn die Wahlen im September nicht gar zu sehr in die Hosen gehen, das Versuchslabor für die technologisch entwickelte und zu entwickelnde Welt. Zu zeigen das es geht und wie.

  • Vom Agrarministerium erwartet niemand anderes. Nirgendwo regiert die Lobby der Agrargroßbetriebe so dreist gleich selbst und kann sich die besonders extrem auf Klima- und Umweltzerstörung basierenden Gewinnmodelle auch selbst gesetzlich absichern. Der Extremfall Agrarministerium zeigt, dass die Durchlässigkeit ganzer Ministerien für die Vertreter traditionell hofierter Interessensgruppen im Land (Autoindustrie, Bauindustrie, Agrarindustrie) der großen Allgemeinheit extrem schadet. Beim Klimaschutz und Umweltschutz gehts ums Überleben der menschlichen Spezies auf unserem Planeten und nicht um Pillepalle. Da brauchen wir nicht nur eine andere Regierung, sondern eine wirksamen Schutz der politischen Institutionen und Vertreter:innen vor dem Einfluss einzelner Industriezweige, die traditionell hierzulande schon immer hofiert wurden und dabei die größten CO2 Emittenten und Umweltzerstörer sind. Denn grün regierte Bundesländer zeigen deutlich, dass keine Partei vor der bisherigen Praxis gefeit ist.

    • @Nina Janovich:

      Und wenn Du wissen willst, was gut für Dich is(s)t, dann frag doch mal die Julia oder gleich den Vertrauensmann von Nestlé!

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Das Landwirtschaftsministerium ist seit Jahren falsch besetzt.



    Hier herrscht Lobbyismus hoch 3.

    Selbst wenn die Grünen eine Koalition mit CDU/CSU eingehen werden, so muss das LM durch eine/n Grünen besetzt werden. Das wäre schon mal ein Fortschritt.



    Umweltverpester und Tierquäler wollen wir nicht mehr - das gilt natürlich nicht für alle Bauern!!!

  • Die Dringlichkeit der Thematik wird entweder nicht erkannt, oder sie wird erkannt und man hofft, es wird schon alles nicht so schlimm sein.

    Beides ist unfassbar blöde.

    Und noch etwas: Dass der Bau von Ställen in Mooren überhaupt diskutiert werden kann zeigt doch die fehlende Reformierbarkeit des gesamten Agrarsystems. Es wird Zeit, mal wirklich ans Eingemachte zu gehen: Das Eigentumsrecht sollte im Rechtssystem nicht über das Wohl von Mensch und Natur stehen!

    • @Axel Donning:

      ....und das GROSSE und GANZE wird in Ostdeutschland noch getopt durch die riesigen ehemaligen LPGen, die zum Teil über tausende von Hektar Fläche verfügung und deren Gier grenzenlos ist....

    • @Axel Donning:

      Das geht ja im Autobahnbau grad so weiter - wer braucht schon Wälder!?!



      Diese unfassbare Blödigkeit ist schlicht und ergreifend Geldgier und Machterhalt der Wenigen, leider.

      • @MahNaMahNa:

        Wälder, Du meinst Forste, Nutzflächen mit Holzpflanzen.

      • @MahNaMahNa:

        Und an anderer Stelle ist heuer zu lesen, dass SUV hierzulande so viel gekauft werden wie noch nie. Scheinbar haben viele Deutschlinge immer noch zu viel Geld einfach mal so für sich behalten. Man sollte mal über einen Maximallohn nachdenken und die Differenz der Allgemeinheit zukommen lassen.

        • @Bunte Kuh:

          "...dass SUV hierzulande so viel gekauft werden wie noch nie"



          Ja, und die E-Autos helfen den Autofirmen, SUVs zu verkaufen. Weil sich mit den E-Autos die Flottenverbräuche klein rechnen lassen.

      • @MahNaMahNa:

        Bleibt die Frage, was die Leute in x Jahren mit den Autobahnen noch anfangen wollen, wenn man eh nirgenwo mehr hinfahahren kann, weil es dort gerade brennt oder weil Benzin/Strom mal wieder aus ist, oder generell mal wieder ein 1500m - Radius gilt oder was auch immer..

        Aber dann kann man die Dinger ja wieder zuwachsen lassen.

        • @Bunte Kuh:

          Ohne Energie kommen zwangsläufig wieder analoge Freizeitaktivitäten in Mode.



          Wir werden dann Open-Air-Kegelbahnen ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen haben.