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Moore in TrockenzeitenZum Gießen zu groß

Natürliche Moore sind hierzulande der wichtigste Kohlenstoffspeicher. Was tun, wenn diese Biotope vor der Austrocknung stehen?

Rauchwolken über dem brennenden Loben-Moor in Brandenburg im Mai 2020 Foto: Veit Rösler/dpa

Berlin taz | Jüngst erregten die Berliner Wasserbetriebe Aufsehen, weil sie versuchten, ein Moor, das zu vertrocknen drohte, im Grunewald mit Trinkwasser zu retten. Und auch in Brandenburg fordert die Landtagsfraktion der Linken jetzt Ähnliches. Hier geht es um das Calpenzmoor, ein zwischen Cottbus und Eisenhüttenstadt gelegenes Naturschutzgebiet am Rande des Braunkohletagebaus Jänschwalde.

Das Brandenburger Landesumweltamt führt den niedrigen Wasserstand des Calpenzsees im FFH-Gebiet auf „klimatische Einflüsse“ zurück. Perspektivisch sei jedoch auch eine Zunahme der bergbaulichen Einflüsse zu erwarten, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.

Das 136 Hektar große Calpenzmoor liegt im Naturpark Schlaubetal – einem beliebten Ausflugsziel der Berliner – und wird durch Niederschläge und Grundwasser gespeist. Das jedoch sinkt seit Jahren. Nach Ansicht von Umweltschützern, Grünen und Linkspartei ist das – neben den klimatischen Veränderungen – vor allem auf den sechs Kilometer entfernten Braunkohletagebau Jänschwalde zurückzuführen.

„Durch den ständigen Wasserverlust der beiden Seen und im Moor droht ein immenser Umweltschaden“, sagte der Umweltexperte der Linksfraktion, Thomas Domres, der Deutschen Presseagentur. Lokalpolitiker fordern schon länger, dem Gebiet künstlich Wasser zuzuleiten, damit es nicht zerstört werde.

90 Prozent aller Moore gelten als entwässert

Das Calpenzer Moor hat zwar mit seiner Lage an einem Tagebau ein Spezialproblem – die Ursache für seinen schlechten Erhaltungszustand aber teilt es mit fast allen anderen Mooren in Deutschland: Laut Bundesumweltministerium gelten 90 Prozent aller Moore hierzulande als entwässert; sie wurden trockengelegt, weil sie als Acker, Weideland oder als Torflieferant dienen. Trockengelegte Moore leiden besonders unter sinkenden Grundwasserständen und ausbleibenden Niederschlägen, weil ihnen ständig Wasser entzogen wird.

„Moore sind wie alle Lebensräume betroffen“, sagt Felix Grützmacher, Moorexperte des Nabu. Allerdings müsse den Mooren besondere Aufmerksamkeit zuteil werden, da sie der bedeutendste Kohlenstoffspeicher des Landes seien, so Grützmacher. Die Landwirtschaft könne ihre Sektorziele im Klimaschutz nur erreichen, wenn sie zu einem neuen Umgang mit Mooren finde: „Knapp ein Drittel aller klimawirksamen Emissionen der Landwirtschaft stammen aus Moorböden“, so der Naturschützer, „hier besteht dringender Handlungsbedarf.“ Moore künstlich zu bewässern sei dabei aber der falsche Ansatz, dafür seien die Flächen viel zu groß.

Es gelte zwar der Leitsatz „Das Moor muss nass“, sagt die Leiterin des Greifswald Moorcentrums, Greta Gaudig. Versuche, wie etwa den im Berliner Grunewald, Moore künstlich mit Trinkwasser zu bewässern, hält Gaudig allerdings für nicht sehr sinnvoll. „Das ist schon sehr weitgehend“, sagt sie. Schließlich seien Energie und Geld investiert worden, um das Wasser aufzubereiten.

Sinnvoller sei es, das Wasser in den Mooren zu halten, also die Entwässerung zu stoppen, auch in den Randbereichen von Mooren. Dort können zum Beispiel Entwässerungsgräben zugeschüttet und das Wasser damit am Abfluss gehindert werden.

„Wasserspeicher der Landschaft“

„Natürliche Moore sind wichtige Wasserspeicher der Landschaft“, sagt Gaudig, „gerade in Trockenzeiten müssen wir sie erhalten.“ Die Regenerationsfähigkeit natürlicher Moore sei dabei hoch: Auch historisch habe es immer wieder Trockenperioden gegeben, die gesunde Moore problemlos überstehen könnten.

Konzepte, um auch nasse Moore landwirtschaftlich nutzen zu können, liegen vor, etwa die „Paludikultur“; dort können zum Beispiel Torfmoose als Torfersatz für den Gartenbau angebaut werden oder Schilf als Baumaterial. „Der Widerstand der Landwirte gegen die Wiedervernässung von Mooren ist zwar zum Teil noch hoch“, sagt Gaudig, „aber auch dort wächst die Erkenntnis, dass wir im Klimawandel anders mit Wasser umgehen müssen als bisher.“

Aus dieser Einsicht heraus hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine „Moorschutzstrategie“ beschlossen; in den Bundesländern mit besonders vielen Mooren – also Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Bayern – existierten zahlreiche landwirtschaftliche Flächen auf Mooren, die sich ebenfalls wiedervernässen ließen.

Dies soll nun in Pilotprojekten erprobt werden. Der Deutsche Bauernverband sieht das aber kritisch: Die Trockenlegung und Urbarmachung großer Moorgebiete stelle eine „kulturhistorische Leistung vergangener Generationen“ dar, die es zu würdigen gelte, heißt es in einer Pressemitteilung zur Strategie. In ihrer Umsetzung sei darauf zu achten, dass eine landwirtschaftliche und bauliche Nutzung von Moorstandorten möglich bleibe.

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6 Kommentare

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  • Nicht jeder wird es gerne hören: aber das Torf der Moore sollte frau verbrennen. Nicht einfach abbrennen, wie es vielerorts aus Versehen geschieht. Nein, der Torf sollte Kohle ersetzen. Genauso viel Kohle sollte eingespart werden, wie dem Brennwert des als Ersatz dienenden Torfs entspricht.



    Torf hat die Eigenschaft, sich in relativ kurzer Zeit von selbst in Kohlendioxyd und Methan zu zersetzen. Nicht geförderte Kohle in großer Tiefe bleibt hingegen sehr lange unter Verschluss.



    Damit das funktioniert, muss im großen Stil ein Netz von Heizwerken errichtet werden, das den sehr hohen Brennwert des nassen Torfs nutzt und die Abgase gut reinigt,was derzeit nicht der Fall ist. Die trockengelegten Flächen stehen danach landwirtschaftlicher Nutzung, Aufforstung und sonstiger Nutzung zur Verfügung. Moore sind sehr unproduktiv und der Kohlenstoff entweicht ungenutzt in die Atmosphäre.



    Was viele nicht wissen: auf den Kohlenstoff bezogen ist der Brennwert des Torfs sehr viel höher als der wasserfreier Kohle.Bei seiner Verbrennung wird der in großen Mengen enthaltene Wasserstoff genutzt. In den zu bauenden Öfen können auch beliebige nachwachsende Rohstoffe genutzt werden. Auch Klärschlamm.



    Die bestehenden Systeme sind steinzeitmäßig und für die Umwelt noch unverantwortbar.

    Vorschlag: Torf nur für die 100%ige Nutzung des Brennwerts in dezentralen Heizungsnetzen. Stromerzeugung alleine mit dem dadurch eingespaten Erdgas.

  • Nicht alles was man früher gemacht hat stellt eine „kulturhistorische Leistung vergangener Generationen“ dar

    Urbarmachung großer Moorgebiete war in dem Maßstab ein Fehler den man ggf. durch Unwissen damals erklären kann.

  • """"Der Deutsche Bauernverband sieht das aber kritisch: Die Trockenlegung und Urbarmachung großer Moorgebiete stelle eine „kulturhistorische Leistung vergangener Generationen“ dar, die es zu würdigen gelte,""""

    Dieser Satz zeigt die dekadente masslose Einstellung unserer Landwirtschaftsverbände..... was bitteschön ist daran Kulturhistorisch????



    [...]





    Kommentar bearbeitet. Bitte beachten Sie die Netiquette.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Datura:

      Naja nun, in Norddeutschland wird wohl ein großer Teil der Fläche Moor gewesen sein. Und ist jetzt halt schon seit Jahrhunderten landwirtschaftliche Fläche. „Den Eersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Drütten sien Brod“ .



      Da wir die Fläche für eine unbegrenzt wachsende Weltverschwörung brauchen, können sie sich gerne mit der Ursache, dem Bevölkerungswachstum herumschlagen. Den Bauern das Land wegnehmen geht so nicht, aber verhindern, dass die kläglichen Moorreste in Deutschland trocken gelegt werden sollte man schon.



      Oder würden sie ihre Wohnung für die Natur abtreten?

    • @Datura:

      Verallgemeinern Sie bitte das nicht. Der Deutsche Bauernverband ist die Lobby der Gross- und industriellen Landwirtschaft, eng verflochten mit der CSU.

      Nicht alle Bauern sind so drauf, und auch nicht alle Bauernverbände (auch wenn der DBV so tut, als vertrete er "die Bauern").