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Doku über den Chaos Computer ClubKomputer und Lederhose

Die Dokumentation „Alles ist eins. Außer der 0“ erzählt die Geschichte des Chaos Computer Clubs. Er liefert starkes Bild- und Tonmaterial.

Wau Holland, „Komputerfriek“ der ersten Stunde Foto: Neue Visionen

„Materie und Energie sind begrenzt. Information ist unbegrenzt. Deshalb muss sie frei sein“, sagt ein Mann zu Anfang des Films auf einem verwaschenen Schwarz-Weiß-Video in schlechtem Englisch zu einem unsichtbaren Gesprächspartner. Die Sätze ließen sich als Lebens- und Schaffensmotto des Mannes verstehen, der für die deutsche Hackerszene von essenzieller Bedeutung war, in der breiten Öffentlichkeit aber wenig bekannt.

Der 2001 mit 49 Jahren an einem Schlaganfall verstorbene Wau Holland war 1981 einer der „Komputerfrieks“, die in einer Kleinanzeige der Rubrik „Aktionen“ der sehr jungen taz zu einem Treffen Gleichgesinnter in den Räumen der taz aufrief – „damit wir […] nicht länger unkoordiniert vor uns hinwuseln“. Dieses Gründungstreffen des Chaos Computer Clubs fand dann am 12. September in der Wattstraße rund um den legendären Kommune-1-Tisch statt.

Die Aktivitäten des CCC lagen aber schwerpunktmäßig in Hamburg, wo „Dr. Wau“ (bürgerlich: Herwart Holland-Moritz) und auch Pressesprecher Steffen Wernéry damals lebten. Dort waren die Hacker Teil der alternativen Subkultur der 1980er Jahre, standen durch ihre Begeisterung für die IT aber im Dauerclinch mit den technophoben Teilen der Szene.

Eine Kultur, die der Dokumentarfilm „Alles ist eins. Außer der 0“ von Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf mit starkem Bild- und Tonmaterial, sperrigen Songs und einer kongenial punkigen Montage wiederbelebt. Dabei konnte die Produktion davon profitieren, dass Maeck selbst Teil der Hamburger Szene war und bei der Recherche auf viele freundschaftliche Bande zurückgreifen konnte.

Der Film

„Alles ist eins. Außer der 0“. Regie: Klaus Maeck, Tanja Schwerdorf. Deutschland 2020, 90 Min.

Auch die politische Rahmung der Zeit zwischen Anti-AKW-Bewegung, Kaltem Krieg und Maueröffnung und die globale Einbindung des Hackertums und seiner Ideale werden mit inspiriertem Ideenreichtum miterzählt. Wir erfahren, dass der Begriff des „Hackers“ von den Studenten (vermutlich waren es nur Männer) kommt, die sich Mitte des 20. Jahrhunderts im ehrwürdigen Massachusetts Institute of Technology (MIT) ihre Freizeit mit dem Betrieb einer verschalteten Modelleisenbahnanlage versüßten und die dort erworbenen Kenntnisse später zum Knobeln am Computer nutzten. Horst Seehofer ist also in guter Gesellschaft.

Die Hacker waren Teil der alternativen Subkultur der 1980er Jahre in Hamburg

Im ideellen Zentrum von „Dr. Waus Chaos Computer Film“ (so der Untertitel) steht aber die Arbeit des Clubs selbst und der Mann, den der Computer-Pionier und zeitweilige Chefredakteur der CCC-Hauspostille Die Datenschleuder, Peter Glaser, im Kommentar als „Waldschrat in einer krachledernen Dreiviertelhose“ beschreibt. Das passt, doch in dem Nerd mit kindlichem Rundgesicht über dem Vollbart steckte ein weltverbundener und hochpolitischer Mensch, der mit dem Club in vielen Hacks und anderen Aktionen hartnäckig für die Integration von Digitalisierung und lebendiger Demokratie stritt, freien öffentlichen Datentausch und privaten Datenschutz.

Das zog (besonders nach dem legendären NASA-Hack von 1988 und Zusammenarbeit einzelner Hacker mit dem KGB) auch scharfe Gegenreaktionen – nicht nur von polizeilicher Seite – nach sich. Auch die bis heute ungeklärten Todesfälle der Hacker Hagbard Celine 1989 und Tron 1998 finden im Film Platz.

Mit seinem Reichtum an Materialien ist „Alles ist eins“ auch eine unterhaltsame Abenteuer-Studienreise in die 1980er Jahre, die viele erhellende Schlaglichter auf aktuelle Debatten zu Datenschutz und Teilhabe wirft. Dabei verstärkt sich – aller Hackerethik zum Trotz – auch das vermeintliche Vorurteil, dass in der „computerbegeisterten Meute“ die (weißen) Jungs praktisch unter sich bleiben. Thema im Film ist dies leider nicht. Durch die Coronaverschiebungen kommt der Film nun genau zu Wau Hollands 20. Todestag am 29. Juli ins Kino.

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4 Kommentare

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  • Die Zeit war insofern gut, da "das Netz" noch nicht von Politikern wahrgenommen wurde. ;-)

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Bunte Kuh:

      Das kann man so nicht sagen, denn erstens fehlte es am Netz - erst Ende er 80er enstand etwas, was dem Nahe kam.

      Zweitens war das von Anfang - spätestens mit dem Film "Wargames" - mit Kriminalität konnotiert.

      Wir waren in Deutschland nur insofern hintendran, als dass hier nicht nur die Computer teuer waren, sondern auch die Post und deren Regularieren, soweit man sich daran hielt.

      Ich kenne ein wenig die Münchner Szene aus der Zeit und kann sagen, dass das alles betuchte Bürgerkinder waren, denn die anderen konnten sich bestenfalls einen VC-20 leisten. Echte Hacker hatten Apple ][, denn nur der bot genug (bezahlbare) Möglichkeiten wie zum Beispiel die 80-Zeichen-Karte und eine richtige RS232-Schnittstelle. Das war die Eintrittskarte.

      Das lag sicher wiederum an der Absenz einer wahrnehmbaren linken Szene, an die sich die Aktivisten hätten anlehnen können. So bliebt das ein Club von technikbegeisterten Jungs...

      Aber der Generalverdacht war ubiquitär: Wer Anfang/Mitte der 80er Jahre mehr als Daddeln konnte, wurde so schief angesehen wie heute vielleicht Krypto-Schürfer...

      Das war im Gegenteil von Anfang an ein genau und ausgesprochen kritisch beobachtetes Phänomen.

      • @05989 (Profil gelöscht):

        Bildschirmtext der Deutschen Bundespest war also kein Netz? Ich kenne ein wenig die Eimsbütteler Schwenckestrasse 85 (Tiefparterre) aus jener Zeit. Das war definitiv anders als in München!

    • @Bunte Kuh:

      Und nicht von der Werbung ...