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Immer mehr VerbraucherInnen belastetFast täglich grüßt der Strafzins

Bei 300 Banken und Sparkassen müssen KundInnen für Einlagen nun ein „Verwahrentgelt“ zahlen. Damit kann Sparen zum Minusgeschäft werden.

Für Banken ein Problem: Statt zu konsumieren, legen viele in ihr Geld lieber auf die hohe Kante Foto: dpa

Frankfurt am Main taz | In der Coronapandemie legen viele Menschen Geld auf die hohe Kante, doch immer häufiger werden größere Summen zum Minusgeschäft. Inzwischen verlangen 300 Banken und Sparkassen vor allem für Tagesgeld ein sogenanntes Verwahrentgelt von meist 0,5 Prozent, viele davon bereits ab einer Einlage von 50.000 Euro.

Dies geht aus Daten des Vergleichsportals Verivox hervor. Allein in den ersten 100 Tagen dieses Jahres führten mehr als 100 Geldhäuser Strafzinsen ein. „Aktuell kommen nahezu täglich weitere Banken hinzu“, so Oliver Maier von Verivox. „In der Pandemie legen viele Verbraucher ihr Geld lieber aufs Konto, statt es auszugeben. Für Banken ist das ein Problem, denn sie zahlen selbst Strafzinsen auf überschüssige Einlagen“, sagte Maier.

Die Sparquote in Deutschland war im vergangenem Jahr auf das Rekordhoch von 16,3 Prozent gestiegen. Von 100 Euro verfügbarem Einkommen legten die Haushalte somit im Schnitt gut 16 Euro auf die hohe Kante.

Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträge für bestimmte Summen gibt, bleibt dies für die Branche eine Milliardenbelastung. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser ganz oder teilweise weiter und berechnen ihren Kunden Negativzinsen.

Vorerst nicht für alle Privatkunden

Lange Zeit verlangten Banken vor allem bei großen Summen ab 100.000 Euro Strafzinsen. Inzwischen erheben Verivox zufolge mindestens 95 Institute Negativzinsen schon ab einem Gesamtguthaben von 50.000 Euro oder weniger. Andere schließen eine Verringerung des Grenzwertes nicht aus.

„An die breite Privatkundschaft werden wir keine Negativzinsen weitergeben. Aber die Frage ist, wo das Ende der Breite ist“, sagte die Privatkunden-Vorständin der Commerzbank, Sabine Schmittroth, jüngst dem „Handelsblatt“. „Daher werden wir uns die Höhe der Freibeträge immer wieder anschauen.“ Aktuell liegen sie bei 100.000 Euro.

Auch die Deutsche Bundesbank war jüngst zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wachsende Zahl von Kreditinstituten die Strafzinsen an Kunden weitergibt. „Der Anteil der Banken in Deutschland, die ihre Kundeneinlagen im Durchschnitt negativ verzinsen, nahm 2020 weiter zu“, hieß Monatsbericht Bundesbank für Februar.

Verbraucherschützer warnen

Unternehmen sind seit geraumer Zeit von Minuszinsen auf Sichteinlagen wie Giro- und Tagesgeldkonten und auf Termineinlagen wie Festgeld betroffen. Auch bei Sichteinlagen von Privatkunden sei „ein bisher ungebrochener Aufwärtstrend erkennbar“, schrieb die Bundesbank. Termineinlagen wie Festgeld von Privatkunden seien im Durchschnitt aber weiterhin positiv verzinst.

Verbraucherschützern zufolge sind Negativzinsen bei Bestands- und Neukunden nur zulässig, wenn das Verwahrentgelt explizit mit ihnen vereinbart wurde. Es reiche nicht, lediglich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu ändern.

Verivox wertet die im Internet veröffentlichten Preisaushänge von etwa 1.300 Banken und Sparkassen aus. Überwiegend gelten Strafzinsen für Tagesgeld, teilweise werden sie aber auch für Giro- und Verrechnungskonten erhoben.

Daneben berechnen Verivox zufolge 18 Geldhäuser eine Gebühr für das üblicherweise kostenfreie Tagesgeldkonto. Dadurch entstünden faktisch Negativzinsen. „Das Geld auf dem Konto wird weniger, auch wenn die Bank nominal 0,00 oder 0,01 Prozent Zinsen ausweist.“

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11 Kommentare

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  • "bereits ab einer Einlage von 50.000 Euro."



    Da kommen mir gleich die Tränen. Wer hat so viel Geld auf einem Konto, wenn er nicht Millionär ist oder kurzfristig eine entsprechende Anschaffung vorhat.

    Bei Verivox kann man sich übrigens auch Festgeldanlagen anzeigen lassen, der Zins ist nicht berauschend, aber besser als Gebühren bezahlen.

  • 50 tausend euro unter die Matratze zu stecken ist halt nicht so einfach. Aber das Problem habe ich eh nicht:)

  • Bank run !!!

  • Ehrlicherweise kenne ich niemanden der über solche Summen dauerhaft auf Giro- und Tagesgeldkonten verfügt. Es gibt solche Leute sicherlich. Aber hey, wenn schon icht verkonsumieren kann man es immer noch spenden. Z.B. an den armen Künstler, den persönlichen ALG2 Bezieher, die Rentner mit der Altersarmutrente. Oder sich seinen persönlichen Abgeordneten kaufen. Und Und .... da findet sich bestimmt eine gute Verwendung .

    • @Waldo:

      "Ehrlicherweise kenne ich niemanden der über solche Summen dauerhaft auf Giro- und Tagesgeldkonten verfügt"

      Das braucht man auch gar nicht. Ich hatte bis Anfang des Monats 500 EUR auf einem Tagesgeldkonto liegen als Notgroschen für unverhoffte Ausgaben. Die Bank zahlt jetzt keinerlei Zinsen mehr (war ja schon vorher mehr ein Witz). Rechne ich die Inflation dazu, werde ich laufend ärmer. Und jetzt? Ausweichen auf eine andere Bank wird über kurz oder lang zum selben Ergebnis führen.

      Merz oder Lindner würden mir vermutlich raten Aktien zu kaufen.

  • @TAZTIZ

    Gewissermassen, ja.

  • Sonst rufen alle linken Parteien nach Vermögenssteuern und nun ist auch wieder nicht recht. Da die Banken die Negativzinsen an die Zentralbank weitergeben, ist es quasi eine Steuer auf Geldvermögen.

    • @TazTiz:

      Steuer auf flüssiges Vermögen eher.

      Die Höhenflüge der Aktienmärkte und der Immobilienpreise haben ja auch damit zu tun, dass das Ganze Geld irgendwo hin muss. Es es fließt halt dorthin wo zumindest die Wahrscheinlichkeit besteht, das es "sich vermehrt".

      Und die niedrigen Zinsen haben auch den Nebeneffekt, dass Spekulanten äh Investoren aller Art ihre Kriegskassen billigst füllen können.

      Aus meiner Sicht ist das alles nichts, wonach linke Parteien ernsthaft rufen können wollten.

  • Krieg' ich dann auch positive Zinsen für ein überzogenes Dispo? Minus mal Minus...

    Dacht' ich mir. Geldleute können nicht Mathe. Sonst wär'n sie was anderes geworden.

  • Wieso sollte es ein Problem sein, ab 50.000 Euro Strafzinsen zahlen zu müssen? Zunächst schadet es nicht, Konten bei zwei Banken zu haben. Allein schon aus Sicherheitsgründen. Damit wäre man schon bei mindestens 100.000 Euro. Und mehr braucht kein Mensch liquide auf einem Konto, sondern kann es in eine längerfristige Anlage investieren.

  • Das darf auch als Aufforderung zum Konsum gelten...



    ... die einstige Kultur des Sparens.. (z.B. um 'schlechte Zeiten



    besser zu überstehen') wird als "ökonomiefeindlich" umdefiniert.



    Geld und Reichtum als Investition,für Konsum und Verbrauch von



    Industrie (Müll)- Gütern...



    Die Einkommenstarken werden auf "Konsum für jeden Preis"



    erzogen.. Konsumwillen als Definition des Sozialen Status.



    Die "Konsumverweigerer" enden als soziale Unterklasse