piwik no script img

E-Auto von DaimlerDas Super-Monster-Auto

Er ist elektrisch. Aber den Anforderungen der neuen Mobilität entspricht der große Wagen aus Stuttgart nicht, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe.

Elektrisch und groß: Der neue EQS in einem Werbebild von Daimler Foto: Daimler AG/dpa

Stuttgart taz | Im Fokus steht kein Auto, sondern eine androgyne Figur mit futuristischer Visierbrille, untermalt mit Walzerklängen. Daimler inszeniert die „Weltpremiere“ seines ersten S-Klasse-Modells mit Elektromotor so pompös, als habe man das Rad neu erfunden. Das erste echte E-Auto aus dem Hause Daimler ist kein kleiner praktischer Cityflitzer für die Massen, sondern eine Luxuslimousine, Preis jenseits der 100.000er-Euro-Marke. Ein Display, groß wie ein Longboard, soll für den Überblick sorgen, die Batterieladung 700 Kilometer weit reichen. Diese Werte hat bisher nur Premiumanbieter und Hauptkonkurrent Tesla erreicht.

„Für Daimler ist der EQS ein großer Sprung nach vorne“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Instituts Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Bisher sei der Luxusanbieter anders als etwa VW und BMW bei der E-Mobilität allenfalls „im Mittelfeld unterwegs“, auch weil man auf die alte Verbrennerplattform den E-Antrieb aufgepfropft hat. Eine halbherzige Strategie, die sich auch in Zahlen zeigt. Im ersten Quartal hatten nur 2,8 Prozent der verkauften Daimler einen Elektroantrieb. Auch der Börsenwert des Unternehmens zeigte in den letzten Jahren nach unten.

Am EQS könnte sich zu einem guten Teil die Zukunftsfähigkeit des Autokonzerns entscheiden, glauben Mobilitätsexperten. Denn ein E-Auto muss heute mehr sein als ein klassischer Wagen mit einem neuen Antrieb. „Fahrzeug-Software ist das beherrschende Thema“, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöfer.

Da konkurrieren die klassischen Autohersteller nicht nur mit Tesla oder Baidu aus China, sondern auch mit Digitalkonzernen wie Google oder Apple aus den USA, die überlegen, in die Autoproduktion einzusteigen. Daimler Vorstandschef Ola Källenius müsse man schon abnehmen, dass er die Herausforderung der E-Mobilität erkannt habe, sagt Bratzel. Der Daimler-Chef spricht davon, mit dem EQS eine führende Position im E-Mobil-Segment anzustreben. Wenn sich der EQS auch in der Praxis bewähre, meint Bratzel, könnte das klappen. Dann werde die Technologie auch in erschwinglicheren Modellen zum Einsatz kommen und so die Zukunft des Unternehmens sichern.

Doch Daimler ist spät dran. Vor lauter SUVs und Dieselmanipulation habe man im letzten Moment den Einstieg in die E-Mobilität erwischt, sagt Automobilkritiker Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Resch erkennt an, dass Daimler das Thema nun ernst nehme, versteht aber nicht, warum der Konzern wieder in alte Muster verfalle. „Warum muss Daimler nun wieder ein Auto bauen, das länger, dicker und größer ist als die Konkurrenz? Das passt nicht mehr in die Zeit“, sagt Resch.

Im Vergleich zum entsprechenden Tesla-Modell soll der EQS noch einmal eine halbe Tonne mehr wiegen, das kostet Energie. Da seien Modelle, wie der i3 von BMW für neue Mobilitätskonzepte weit überzeugender. Insgesamt ist die Geschichte von Daimler und den alternativen Antrieben eine der verpassten Gelegenheiten. Das dokumentiert das Unternehmen selbst in der untersten Etage seines Automobilmuseums in Stuttgart. Dort stehen viele Studien und Modelle mit alternativen Antrieben herum, die nie auf die Straße gekommen sind. Jetzt soll es der EQS richten, der im Stammwerk in Sindelfingen vom Band laufen wird.

Jürgen Resch findet, das Modell sei noch kein E-Daimler, den man ernst nehmen könne. „Ich warte immer noch auf einen Mercedes, der in unsere Städte und zur veränderten Mobilität passt“, sagt Resch, „nicht auf so ein Monsterauto.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Oh manno Daimler, etwas mehr Kreativität wäre was. Da kommt ihr mit einer neuen Karre und was ist die? Teuer. Wie seit Jahrzehnten. Voll langweilig.

  • Neue Technik ist nunmal im Regelfall teuer (Entwicklungskosten und Co) und wird logischerweise zuerst in Premiumprodukten eingesetzt, damit sie sich schnell amortisieren kann. Die Klimaanlage gabs auch zuerst in den Luxuskarossen, heutzutage ist fast jeder Kleinwagen damit ausgestattet.

  • Leute, das ist eine vollelektrische S-Klasse! Solche Autos wird es auch immer geben, für irgendwelche reichen VIPs halt...wer einen vernünftigen E-Kleinwagen von diesem Konzern möchte sollte sich nach nem Smart umschauen, den gibt’s auch als Viersitzer...

    • @Saile:

      "...einen vernünftigen E-Kleinwagen..."



      Wo gibt es denn sowas???



      Vergleich Citoen C1 mit CZero (schon ein paar Monate alt): Reichweite 750 km / 150 km. Leergewicht des CZero 200 kg höher. Preis des CZero ca. Faktor zwei. Prmärenergieverbrauch (nur Betrieb berücksichtigt) bestenfalls gleich.



      Ergebnis: Ich behalte meinen betagten C1. Und lasse den "Atomkraft? Nicht schon wieder!"-Aufkleber erst mal dran.



      E-Autos kranken unter anderem grundsätzlich daran, dass man, wo man mit 1 kg Benzin oder Diesel hinkommt, 50 kg Akku benötigt. Womit "vernünftige E-Kleinwagen" technisch nicht realisierbar sind.

      • @sollndas:

        Das stimmt nicht. Ein Liter Benzin enthält zwar etwa 10 kWh Energie, aber davon kommen nur 2 kWh an den Rädern an. Das ist Physik: Verbrennungsmotoren machen 80% Wärme, 20% Vortrieb. Batterien enthalten jetzt 0.3 kWh per kg. Die gehen fast alle an die Räder. Der Unterschied im Gewicht ist zwar immer noch hoch (Faktor 6) aber keineswegs 50.

        • @Kahlschlagbauer:

          Asche auf mein Haupt. Nochmal nachgerechnet: Ich hatte den Verbrennerwirkungsgrad erst rein-, dann wieder rausgerechnet. Peinlich.



          Rechne ich in Ihre 0,3 kWh/kg die wg. Unfall- und Explosionsgefahr erforderliche Akkupanzerung und Verstärkung der Karosserie rein und ersetze "fast alle an die Räder" durch realistische Wirkungsgrade (Auch E-Motoren haben Wirkungsgrade < 1, dazu kommen Verluste in Elektronik, Schutzschaltern, Verkabelung, Kraftübertragung etc.) komme ich jetzt auf einen Faktor von irgendwas zwischen 10 und 15.



          Können wir uns darauf einigen?

  • Tja, Akkus sind groß und schwer. Wenn man Reichweite haben will, werden die E-Autos eben monströs.

  • Die können nicht anders......

    • @pesetenpaule:

      Ja.



      Aber was sind denn die "Anforderungen der neuen Mobilität "

      Besteht ein Konsenz über "neue Mobilität" oder gibt es nur Gedankenspiele gemäß den Klimaschutzkonzepten?

      Die Politik steuert in die Richtung, aber es ausser relativ hohle Schlagworte "sozialverträgliche Verkehrwende..." gibt es keine gesellschaftlich getragene neue Mobilität. Trotz mehr verkaufte e-Autos, Lastenfahrräder und pop-up Radwege. Im Gegenteil kein Meter komplett neue Bahntrasse ist geplant, keine zig Busse für modernen ÖVP sind bestellt.

      Prognose: ausser in einigen Innenstadtbezirken, wird sich kaum eine von dem bisherigen motorisierten Individualverkehr freiwillig verabschieden.

      • @fly:

        Dann eben unfreiwillig ;-)

  • Klar, der EQS ist groß, teuer und pompös. Es war aber auch schon immer so, dass neue technische Konzepte oder Features erst im Luxussegment verbaut und von den entsprechenden Kunden bezahlt wurden und danach auf die kleineren Modelle abgefärbt haben. Der EQS ist auch schon etwas mehr als nur das erste E-Auto von Daimler.