Umwelthilfe kritisiert Autokonzerne: Noch mehr Abgasschummel
Messungen der Deutschen Umwelthilfe belegen neue Überschreitungen des Stickoxid-Grenzwerts. Sie fordert den Rückruf der betroffenen Modelle.
Bei niedrigen Außentemperaturen wird damit die Reinigung heruntergefahren und der geltende Grenzwert für Stickstoffemissionen laut EKI bis zum fast Achtfachen überschritten. Damit zeigt sich, dass die Branche aus dem Dieselskandal offenbar wenig gelernt war. 2015 war bekannt geworden, dass VW und andere Konzerne mit Abschalteinrichtungen millionenfach Abgaswerte manipuliert hatten.
Immer noch nehmen es laut Umwelthilfe die Stuttgarter mit dem CO2-Grenzwert nicht so genau. Beim Plug-in-Hybrid Mercedes E 300 de, der nach offiziellen Angaben nur 36 Gramm des Klimagases pro Kilometer ausstößt, ergab der Test bei leerem Akku den dreifachen Wert, im Sportmodus gefahren sogar den 4,4-fachen. Dabei zeigt gerade dieses Modell, was technisch machbar ist. Der Stickoxidausstoß des Mercedes nähert sich der Nulllinie.
Das sind nur zwei Beispiele von insgesamt 17 getesteten Modellen. Auch Fahrzeuge von Audi, Land Rover und VW fielen bei den Testfahrten durch teils enorm hohe Grenzwertüberschreitungen auf. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe 2020 eindeutig festgestellt, dass Abschalteinrichtungen illegal seien, sofern sie nur der Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand dienten, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. „Wir erwarten, dass das Kraftfahrtbundesamt diese Fahrzeuge in Ordnung bringt oder aus dem Verkehr zieht.“
Hersteller auf Schummelkurs
Die Umwelthilfe wirft der Bundesregierung vor, die Autokonzerne trotz eindeutiger Rechtslage schützen zu wollen. Damit steht sie nicht alleine. Auch in anderen Ländern lassen Regierungen die Hersteller gewähren. Als Beispiel nennt Resch Schweden. Obwohl der Volvo XC60 D5 AWD den Stickoxid-Grenzwert um mehr als das 18-fache überschreitet, schreite die Regierung in Stockholm nicht ein.
Die DUH wirft den Herstellern vor, aus reinem Gewinnstreben auf wirksame Abgasreinigungsanlagen zu verzichten. „Die Technik ist vorhanden“, erläutert DUH-Experte Axel Friedrich, „sie wird nur nicht eingesetzt.“ Auch bei Elektroautos sieht er die Hersteller auf Schummelkurs. Der Stromverbrauch liege bei Messungen oft 30 Prozent bis 40 Prozent über dem offiziell angegebenen Wert.
Damit geht der Streit zwischen DUH und Bundesregierung um saubere Diesel in eine neue Runde. In der kommenden Woche rechnet der Verein mit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Dort will die DUH die Herausgabe von Akten zum Dieselskandal erwirken. Im Juni will der EuGH über die Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Deutschland entscheiden. Je nach Ausgang will die Umwelthilfe danach per Klage die Stilllegung der Fahrzeuge mit Abschalteinrichtungen erreichen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung