Verfassungsschutz stuft Partei ein: AfD ist Verdachtsfall
Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Damit kann er nun auch Spitzel in der Partei einsetzen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz äußerte sich zu der Einstufung nicht. „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das Bundesamt in dieser Angelegenheit nicht öffentlich“, sagte eine Sprecherin. Die Einstufung soll aber bereits Ende Februar erfolgt sein. Zuvor hatten ARD und Spiegel darüber berichtet.
AfD-Parteivize Stephan Brandner kritisierte den Verfassungsschutz scharf. „Das Bundesamt hat entgegen klarer Zusagen nun unfair und rechtswidrig etwas durchgestochen“, sagte er der taz. Die Partei hatte zuvor schon dem Geheimdienst vorgeworfen, sich politisch vor den Landtags- und Bundestagswahlen instrumentalisieren zu lassen. Das jetztige Vorgehen unterstreiche dies, so Brandner.
Die AfD hatte zuletzt noch versucht, eine Einstufung als Verdachtsfall juristisch zu verhindern. Bereits im Januar, als Medienberichte über den nahenden Schritt erschienen, klagte die Partei vor dem Verwaltungsgericht Köln dagegen: Weder dürfe das Bundesamt eine Einstufung vornehmen noch diese öffentlich kundtun. Die Partei sah darin eine Verletzung der Parteiengleichheit.
Schon 2019 als Prüffall eingestuft
Das Bundesamt sagte dem Gericht darauf zu, eine öffentliche Verkündung der Einstufung zu unterlassen, solange das Gerichtsverfahren läuft. Auch würden bis dahin keine Mandatsträger direkt überwacht. Dem Verwaltungsgericht genügte dies, eine weitergehende Zwischenregelung lehnte es ab.
Intern aber schuf der Verfassungsschutz nun Tatsachen. Bereits vor zwei Jahren hatte das Bundesamt die AfD als Prüffall eingestuft. Den rechtsextremen „Flügel“ um Björn Höcke und Andreas Kalbitz sowie die AfD-Jugend stufte der Geheimdienst damals bereits als Verdachtsfall ein, eine Stufe höher. Im März 2020 erklärte der Verfassungsschutz den „Flügel“ dann sogar zum vollen Beobachtungsobjekt, als „erwiesen extremistische Bestrebung“. Der löste sich daraufhin offiziell auf. Auch schloss die Partei Anführer Kalbitz aus formellen Gründen aus.
Der Verfassungsschutz hält die Rechtsextremen aber in der Gesamtpartei weiter für prägend. Sichtbar wurde dies zuletzt in Sachsen. Dort hat sich bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl der „Flügel“ vollumfänglich durchgesetzt. Gleich hinter AfD-Chef Tino Chrupalla landete Jens Maier auf der Landesliste, der sagte, Andreas Kalbitz gehöre für ihn immer noch zur Partei. Und: „Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt.“ Es folgen Siegbert Droese, der Identitäre und Legida mag, und Karsten Hilse, Sympathisant der Querdenker.
Der Brandenburger Verfassungsschutzchef Jörg Müller hatte der taz bereits vor Monaten gesagt, die Auflösung des „Flügels“ sei eine Scheinauflösung. Alle Protagonisten seien weiter in der Partei und sehr dominant. „Das ist wie Aspirin: Erst lag die Tablette neben dem Glas, jetzt löst sie sich im Glas auf. Und der Wirkstoff wirkt natürlich weiter.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen