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Maskengate der UnionEine toxische Mischung

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die Unionspolitiker Nüßlein und Löbel bereichern sich offenbar an der Coronakrise. Die Union trägt Mitschuld.

Kein Einzelfall: CDU-Mann Nikolas Löbel, Bundestagsabgeordneter aus Mannheim Foto: Christian Spicker/imago

M it dem Vertrauen in die Coronapolitik der Bundesregierung ist es derzeit nicht zum Besten bestellt. Apps, Impfungen, Schnelltests – zu viel geht schief. Verantwortlich sind vor allem die Ressortchefs der CDU, allen voran Gesundheitsminister Jens Spahn. Dass dieser jetzt ausgerechnet mit CSU-Pannenminister Andreas Scheuer eine „Schnelltest-Taskforce“ bilden soll, wird vielerorts nur noch mit Spott registriert.

Zum politischen Versagen kommt nun moralisches. Zwei Bundestagsabgeordnete der Union sollen sich durch Geschäfte mit Coronaschutzmasken persönlich bereichert haben. Danach haben sie versucht, sich mit scheibchenweisem Rückzug aus der Affäre zu ziehen.

Auch wenn die Unschuldsvermutung gilt – CSU-Mann Nüßlein bestreitet weiterhin alle Vorwürfe –, beide Abgeordnete verspielen damit Vertrauen der Bevölkerung in die Politik. Dabei ist dies in der Corona­krise das Wichtigste. Dass selbst Unionsfraktionschef Brinkhaus weitere Fälle für möglich hält, spricht Bände.

Auch Spahn ist Teil des Problems. Der Minister warnte die Bevölkerung morgens im Fernsehen vor sozialen Kontakten und reiste abends zu einem Dinner mit Un­ter­neh­me­r:in­nen, wo um Spenden für seinen CDU-Kreisverband gebeten wurde – einen Euro unter der gesetzlichen Veröffentlichungsgrenze. Das mag formal korrekt sein. Aber auch nur das. Moralisch akzeptabel ist es nicht.

Es ist eine gefährliche Mischung, wenn sich politisches Versagen mit moralischem paart.

Auch jenseits von Löbel, Nüßlein und Spahn gibt es weitere Namen und zwielichtige Fälle. Zwei Unionsabgeordnete stehen in Verdacht, dass sie sich von dem autoritären Regime in Aserbaidschan haben schmieren lassen. Karl-Theodor zu Guttenberg hat energisch Lobbyarbeit für Wirecard gemacht. Und Phi­lipp Amthor hat vor nicht einmal einem Jahr Deals mit dem US-IT-Unternehmen Augustus Intelligence gemacht: Lobbyarbeit gegen Aktienoptionen. Doch die Karriere des 28-Jährigen geht munter weiter. Er wurde von der CDU Mecklenburg-Vorpommern an die Spitze der Landesliste für die Bundestagswahl gewählt.

Dass dies ausgerechnet an dem Wochenende geschah, an dem die Maskenaffäre der Union endgültig um die Ohren flog, ist mehr als schlechtes Timing. CDU und CSU mangelt es schlicht an dem Bewusstsein, dass wirtschaftliche Interessen und Politik strikt voneinander zu trennen sind. Dazu passt, dass die Union seit Jahren wirkliche Fortschritte bei Lobby- und Transparenzregeln verhindert.

Es ist eine gefährliche Mischung, wenn sich politisches Versagen mit moralischem paart. Das gilt für die Politik insgesamt, die in der Demokratie auf grundsätzliches Vertrauen der Bevölkerung angewiesen ist.

Für die Union kann diese Mischung toxisch sein. Sie könnte der CDU und ihrem neuen Chef Armin Laschet, die bei den Landtagswahlen am kommenden Wochenende ohnehin auf Niederlagen zusteuern, diese vollständig verhageln. Das wird Auswirkungen auf das Superwahljahr haben. In der CDU macht sich gerade Panik breit. Sie ist berechtigt.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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19 Kommentare

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  • Nebeneinkünfte sollten verboten werden.

  • Es war damals mit AIDS und dem kommenden Kondomgeschäft auch nicht anders. Gleich zwei Bekannte bei der CDU hatten bereits vor dem Politstart eindeutige Angebote zum Investment bekommen - ein todsicheres Geschäft.



    Apropos Tod: Eine Impfung gegen AIDS (auch ein Virus) gibt es bis heute nicht ...

  • Korruption: so sind die Menschen, manche als Politiker, die meisten nicht...

  • Die Beiden und vielleicht sogar noch andere hatten nichts anderes im Sinn, als sich an der (sinnvollen) Maskenpflicht des Volkes gleich mal zu bereichern! Niemand hier kann die Schuld für den Ausbruch der Pandemie gegeben werden!

    So einen Vorgang nahmen sie zum Anlass, sich ihre bestimmt schon gut gefüllten Geldbeutel noch mehr zu füllen. Sie nennen sich Volksvertreter. Löbel hatte wenigstens noch einen letzten Funken Anstand und hat sein sowieso unhaltbares politisches Mandat niedergelegt. Nüssi scheint nicht einmal dazu in der Lage! Die Abgeordnetenbezüge sind ihm wohl wichtiger!

  • Spätestens jetzt sollte man als Partei wohl mal darüber nachdenken, eine kleine Kontrollinstanz in die Postenverteilung einzuführen.



    Evtl sogar zufallsbesetzt, per Los unter den Parteimitgliedern.



    Diese versucht dann Gesinnung, Motivation, moralische Integrität und Verantwortungsbewusstsein des designierten Posteninhabers einzuschätzen.



    Könnte ja was helfen ...

  • Formaljuristisch gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.



    Aber hier geht es um Moral, Anstand und Vertrauenswürdigkeit.

    Und das ist schnell dahin.



    Der Wähler allerdings vergisst sehr zuverlässig (und ebenso schnell).



    Bislang jedenfalls.

    Mal sehen, wie es in der Coronakrise läuft.

    Und keine Sorge: Bis September wird der Lockdown soweit gelockert, dass wieder Wahlkampfveranstaltungen im Bierzelt möglich sind.

    Wetten ?

    • @Bolzkopf:

      Und dann kommt der ditte Lockdown ganz unerwartet im Oktober oder November...

  • Ja, die Union krankt an ihrer falsch verstandenen Wirtschaftsnähe, allerdings sollte man nicht übersehen, dass ein Großteil der Gesellschaft mit daran krankt, indem sie einem völlig unreflektiertem Begriff von Erfolg anhängt. Die jetzt gerade allseits beliebte Wutschäumerei und die Kritik an allem und jedem ist dabei leider in Wirklichkeit nur die Kehrseite der sonst üblichen Erfolgsanbeterei. Sie ist vor allem in ihrer Pauschalität leider völlig kontraproduktiv. Denn wie sollen sich Parteien wie CDU, CSU und FDP eigentlich von ihrer Verklebtheit von Gläubigkeit, Hörigkeit und Käuflichkeit lösen können, wenn man einfach alles in einen Topf wirft? Wenn Inkompetenz, Gutgläubigkeit, individuelle Raffgier und systematischer Lobbyismus einfach als ein generelles Problem deklariert werden? Wenn zudem alles, was auf solchen Wegen zum Erfolg, führt bejubelt wird?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Empörung ist durchaus richtig.



    Ein Andy Scheuer, der voraussichtlich 500 Mio € in den Sand gesetzt hat und beteuert, er würde die gleiche Entscheidung wieder so treffen, sollte dem Rücktritt dieser beiden Raff(re)gierigen folgen.



    Nein - nun hat man sogar den Bock zum Gärtner gemacht.



    Es ist zum totlachen mit der CDU und mit dem Wahlvolk allemal.

  • Ich finde da braucht man sich nicht sonderlich aufzuregen. Das deutsche Volk will solche windigen und bestechlichen Menschen an der Regierung haben. Deswegen werden die munter weiter gewählt in Form von CDU/CSU. Deren Vergangenheit ist ja mit einigen betrügerischen Machenschaften geschmückt. Und? Hatte es Konsequenzen? Nein. Wie heißt es doch in dem schönen Volkslied:



    "Mein Michel, was willst du noch mehr"



    Das deutsche Volk ist seid 1871 nicht erwachsen geworden. Es kommt jetzt vielleicht so gerade in die Teenager Jahre. Und das gibt dann doch Hoffnung. Pubertät, Revolte gegen die Alten, Idealist sein. Wenn schon nicht wir, aber vielleicht werden ja unsere Kinder und Enkel solchen Regierungsbetrüger kräftig in den Hintern treten.

    • @chinamen:

      Das Schlimme ist ja, selbst wenn man anders wählt (FDP, SPD, Grüne), gibt es eine CxU-Regierung. Nach der vorletzten GroKo wollte die SPD einen auf Opposition machen. Jamaika klappte nicht, also nochmal GroKo. Wer da SPD gewählt hatte, kam sich verarscht vor.



      Und so wird es den Grünen-Wählern in 2021 gehen: wähle Grün, kriege CxU.

    • @chinamen:

      der letzte Absatz ist vielelicht das deutscheste überhaupt:ich werde es nicht ändern können, vielleicht machen es die andern. das hat richtig Tradition hier

  • Wie Ulrike Herrmann schon richtig festgestellt hat: Die Korruption ist fest in die DNS der Union einkodiert.

    Spahn selber ist neben der Spendengala mit einer anderen grenzwertigen Aktion aufgefallen: Kauft einem Kumpel eine Villa in Berlin ab und macht ihn dann zum Chef der Gematik GmbH (zuständig für die elektronische Gesundheitsakte).

    • @dumpfisttrumpf:

      na ja, wenn man das doppelte, dreifache eines guten Akademikers in der Industrie verdient... bekommt, muss man das Geld ja irgendwie sinnvoll anlegen, oder?

  • RS
    Ria Sauter

    Bis September ist wieder alles vergessen.



    Das Langzeitgedächtnis funktioniert bei einigen Wahlberechtigten nicht sondetlich gut.

    • @Ria Sauter:

      Befürchte ich auch. Und in Baden-Württemberg haben schon viele per Briefwahl gewählt. Irgendwie alles ungerecht…

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Ria Sauter:

      Die alternativen sind auch nicht so glänzend

      • RS
        Ria Sauter
        @83379 (Profil gelöscht):

        Da stimme ich Ihnen zu. Deshalb behalte ich mein Kreuzchen bei mir.



        Keinerlei Hoffnungsschimmer am Horizont!

        • @Ria Sauter:

          es gibt alternativen: ödp, Demokratie in Bewegung und humanistische Partei Deutschland. Alles besser als nicht zu wählen!