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AstraZenecas Corona-ImpfstoffVon der Mangelware zum Ladenhüter

Trotz des weltweiten Engpasses bei Impfstoffen werden einige Zentren ihre Dosen nicht los. Nun gibt es eine Lockerung der Impfstoffreihenfolge.

Lüften hilft gegen die Ausbreitung des Corona­virus. Impfen ist aber besser Foto: Gregor Fischer/dpa

Berlin taz | Ralf Reinhardt weiß um die Kritik, Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­te­r*in­nen vorab zu impfen. Er habe auch zunächst den priorisierten Personengruppen Bescheid gegeben, beteuert der Landrat des brandenburgischen Kreises Ostprignitz-Ruppin. Trotz dieser Bemühungen seien Impftermine unbesetzt geblieben. Allein am vorigen Donnerstag seien von 280 Impfmöglichkeiten nur 53 gebucht worden, sagt Reinhardt. Daraufhin habe er veranlasst, dass kurzfristig interessierten Verwaltungsmitarbeitern, aber auch Feuerwehrleuten oder Kita-Mitarbeitern eine außerplanmäßige Impfung angeboten wird. Der Impfstoff solle schließlich nicht verfallen, sagte der SPD-Politiker.

Obwohl Milliarden Menschen in aller Welt sehnsüchtig darauf warten, gegen das Coronavirus geimpft zu werden, häufen sich in Deutschland die Berichte über Pflege- und Klinikpersonal, das eine Impfung ablehnt. Die Skepsis geht offenbar nicht zuletzt auf das Vakzin des britisch-schwedischen Pharmaherstellers AstraZeneca zurück, einen der drei bislang zugelassenen Corona-Impfstoffe. Dessen Wirksamkeit liegt bei 70 Prozent – was als sehr gut für einen Impfstoff gilt. Die extrem hohe Wirksamkeit des Vakzins des Mainzer Unternehmens Biontech mit mehr als 90 Prozent hat jedoch dazu geführt, dass einige wählerisch werden.

Die Gesundheitsministerien in Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg widersprechen zwar vehement dem Eindruck, dass aus dem Impfstoff von AstraZeneca nun ein Ladenhüter geworden sei, und bezeichnen die nicht wahrgenommenen Impftermine beim Personal in Kliniken als Einzelfälle.

Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium verweist auf Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVN), denen zufolge im Zeitraum zwischen dem 10. und 15. Februar beim Impfstoff von AstraZeneca rund 600 Impftermine nicht wahrgenommen worden seien. Bei rund 18.100 geplanten Impfungen mit AstraZeneca ergebe das eine Quote von gerade einmal rund 3,4 Prozent.

Dennoch wollten die Ge­sund­heits­mi­nis­te­r*in­nen von Bund und Ländern Montag, am späten Nachmittag, darüber beraten, die bislang streng gehandhabte Impfstoffreihenfolge zu lockern und angesichts der in zehn Bundesländern begonnenen Schulöffnungen auch Grundschullehrer und Erzieher früher zu impfen. Das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben aber bereits angekündigt, dass sie nun auch Leh­re­r*in­nen und Er­zie­he­r*in­nen in den kommenden Tagen bevorzugt impfen lassen wollen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte im Februar die Reihenfolge der Impfungen festgelegt. Höchste Priorität haben danach über 80-Jährige, Pflegeheimbewohner und Pflegekräfte sowie Medizinpersonal mit erhöhtem Corona-Ansteckungsrisiko. Doch die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte das Vakzin des schwedisch-britischen Pharmaunternehmens bei der EU-weiten Zulassung Ende Januar zunächst einmal nur für Personen bis zu 64 Jahren empfohlen mit der Begründung, für Se­nio­r*in­nen über 65 hätten noch nicht ausreichend Daten vorgelegen.

Damit rutschen automatisch unter 65-Jährige wie Pflegepersonal mit in die Höchstpriorität und können nun geimpft werden. Doch nicht alle nehmen das Angebot an.

Auch die nun stetig steigende Lieferung an Impfdosen verändert die Debatte. Bis Ende dieser Woche wird der Bund 10 Millionen Impfdosen an die 16 Bundesländer übergeben haben. Spahn hat die Länder aufgefordert, sich darauf vorzubereiten, viel höhere Zahlen von Patienten pro Tag impfen zu lassen. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) spricht davon, dass die Kapazität bis Ende März von 200.000 auf 300.000 Impfungen pro Tag ausgeweitet werden müsse. Dazu kommen Impfungen über die rund 50.000 Hausärzte. Spätestens im Juni sollen 1 Million Impfungen pro Tag möglich sein. Auch deswegen drückt die Politik aufs Tempo.

Die ursprünglich erst in Impfgruppe 3 vorgesehenen Leh­re­r*in­nen und Er­zie­he­r*in­nen kommen nun also mutmaßlich als nächste Gruppe zum Zug. Über 690.000 Lehrkräfte arbeiten in Deutschland. Knapp 205.000 von ihnen sind an Grundschulen und knapp 70.000 an Förderschulen tätig. Rund 82.000 Leh­re­r*in­nen sind über 60 und gelten damit als gefährdeter für einen schweren Verlauf von Covid-19. Noch dringlicher erscheint die baldige Impfung für die rund 675.000 Er­zie­he­r*in­nen in Kindertagesstätten. Für sie ist Abstand halten unmöglich.

Während diese beiden Gruppen bei einer entsprechenden Änderung der Impfverordnung in der Impfreihenfolge nach vorne rutschen, bleibt eine Gruppe hingegen weiter ein blinder Fleck. Rund 450.000 Menschen leben mit den beiden höchsten Pflegegraden zu Hause, werden betreut von Pflege- und Assistenzkräften oder Angehörigen. Sie können sich nicht isolieren und sind häufig aufgrund ihrer Erkrankung besonders gefährdet für einen schweren oder tödlichen Verlauf von Covid-19. In der Impfstrategie sind die Jüngeren von ihnen bislang frühestens in Gruppe 3, viele auch gar nicht priorisiert vorgesehen.

Eigentlich sollten zwar gerade die am meisten gefährdeten Menschen den besten Impfstoff bekommen, sagt eine Berliner Betroffene. Aber sie würde sich nach einem Jahr Angst auch mit AstraZeneca impfen lassen. „Besser als gar keine Impfung.“

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21 Kommentare

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  • Ich denke mal wieder typisch deutsch. Wir wissen es eben besser!



    Wen interessiert schon ein 70% iger totaler Impfschutz und nahe 100 % Wirksamkeit gegen einen schweren Verlauf?



    Wir sind wählerisch, nörgelnd, besserwissend, unzufrieden und bauernschlau.



    Das Gegenteil bei allen 5 Attributen wäre wünschenswert. So sind wir aber nicht, wir DeutschInnen.



    Also lassen wir uns jetzt lieber belügen, dass Lehrer aus Respekt usw. vorgezogen werden. Blöd nur, wenn die auch alle ach so deutsch sind. Dann können wir die Fläschchen gleich ins Altglas kippen.



    Wir sind schon ganz arm dran hier.

  • Her damit, ich nehme es gerne.

  • „Wer nicht will, der hat schon.“ (Oma)

    Davon, dass sich jeder seinen Impfstoff aussuchen kann, war nie die Rede. Ich halte das für ein Luxusproblem, auf das nun wirklich niemand noch irgendwie Rücksicht nehmen sollte.

  • Interessant zu sehen, welcher Impfstoff geliefert wird. Und gut zu sehen, dass der hochwirksame Impfstoff von Biontech sehr gut verfügbar ist. Langfristig gesehen wäre es fragwürdig, schlechteren Impfstoff zu produzieren und abzunehmen.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Deshalb fahren alle Menschen Bentley...

  • Zusammenfassung:



    Problem Nummer 1



    bei jüngeren oftmals heftige Impfreaktionen.... Nebenwirkung der Immunantwort die durchaus für 2bis 3 tägige Arbeitsausfall führen können

    Problem Nummer 2



    Bei älteren eine nur mangelhafte Immunantwort ( mäßiger Impfschutz)



    dazu...ältere haben grundsätzlich bei Impfungen eine schwächere Immunantwort ( geringere Impferfolg gilt auch für Grippeimpfung)



    Deshalb ist der Astra Geneva Impfstoff nicht so der Renner

    • @Pace#:

      Vollkommener Blödsinn, denn alles noch nicht nachgewiesen, vor allem in Deutschland. In Grossbritannien dagegen zeigen Studien, dass durch die AstraZeneca Impfung der Schwerverlauf bei über 80jährigen um 94% reduziert wurde und nun steht auch fest, dass geimpfte Personen Covid-19 nicht weiterverbreiten. Die Studien werden weiterlaufen. Sich einen Impfstoff aussuchen zu wollen, ist so typisch Deutsch, man sollte doch froh sein, dass es nun mehrere Impfstoffe gibt und wenn man eine Impfung angeboten bekommt, diese auch annehmen, sofern man sich und seine Angehörigen schützen will.

      www.thesun.co.uk/n...llness-94-percent/

    • @Pace#:

      Es gibt für die Älteren zu wenig Daten.

      Das ist was ganz anderes, als zu



      behaupten, der Impfstoff wirke bei älteren Patienten schlechter.



      Eine neue Studie aus Schottland zeigt, dass er bei allen bestens wirkt und schützt.

  • Der AZ-Impfstoff ist ein schönes Bespiel, wie man mit Informationshäppchen und Liveticker-Berichterstattung das Vertrauen der Bevölkerung zerstört. Jeden Tag, jede Stunde neue Meldungen, Dutzende, Hunderte Experten, die inzwischen gelernt haben, dass sie irgendwas, egal was, Neues sagen müssen, um auch in den Ticker oder gar in eine Talkshow zu kommen.



    Kein Wunder, wenn die Menschen da ratlos sind, wenn sie eine schwerwiegende Entscheidung treffen müssen.



    Wäre es nicht eigentlich Aufgabe der Qualitätsmedien, in der Situation stabile Anker zu sein, und mit zuverlässigen, soliden Informationen Stabilität in die Diskussion zu bringen?

  • @GNUTELLABROT MERZ:

    Sie können ja bei der Freiwilligen Feuerwehr (oder beim THW) mitmachen. Vielleicht können Sie die eine oder andere Astra Zeneca abgreifen ;-)

    • @tomás zerolo:

      Die Frage ist doch, ob tatsächlich Impfstoff verworfen werden muss. Das wäre absolut inakzeptabel. Dann muss man eben per Zufall Impfkandidaten kontaktieren am Ende des Tages. Jeder Geimpfte stoppt die Pandemie früher.

      Wenn aber kein Impfstoff verworfen wird, dann ist das ganze kein Thema.

  • ... und in der Praxis meiner Frau wo alle direkten Kontakt mit Patienten und Risikogruppen haben, wurde noch keiner geimpft und die ersten Termine gibt es erst in 2 Wochen. Aber jetzt wird diskutiert die Lehrer vorzuziehen die uns mit unserer Tochter im Prinzip mehrere Monate im Stich gelassen haben. Unsere Verwaltung ist komplett unfähig.

  • Überall steht, es wäre Impfstoff verfügbar, der nicht verbraucht wird. Wo kann man sich anmelden und sich impfen lassen? Gibt es eine Möglichkeit, die Impfung früher in Anspruch zu nehmen?

  • Das Problem der Art des Impfstoffs ist eigentlich keines. Wenn jemand den Termin nicht nutzt, kann er sich hinter den anderen 80 Mio am Ende wieder anstellen. Der reservierte Impfstoff kann sofort anderweitig genutzt werden. Aus der Sicht der Gesamtbevölkerung und deren Gesundheit ist das ohne Belang.

  • Warum nicht das Abendkassenprinzip? Jeden Tag werden definitiv x Dosen verimpft. Wenn sich irgendwelche Leute nicht impfen lassen wollen und den Termin ungenutzt verstreichen lassen, werden abends eben die vor dem Zentrum Wartenden geimpft. Die Unwilligen haben dann eben Pech gehabt und kommen frühestens 2 Monate später wieder dran.

    • 2G
      27393 (Profil gelöscht)
      @Suryo:

      >> Die Unwilligen haben dann eben Pech gehabt und kommen frühestens 2 Monate später wieder dran.

      Vor dem Hintergrund, dass zuerst besonders vulnerable Gruppen geimpft werden sollten mit dem Ziel Intensivstationen frei zuhalten und Menschen zu schützen und der Möglichkeit zahlreicher Gründe für verstrichene Termine erscheint mir ihr Kommentar zynisch bis menschenverachtend.

      • @27393 (Profil gelöscht):

        Unwillig, nicht unfähig. Wenn eine Pflegerin sich nicht impfen lassen will(!), dann hat sie eben Zeit, zwei Monate über ihr Versäumnis nachzudenken, während ein anderer Mensch geschützt ist.

        • 2G
          27393 (Profil gelöscht)
          @Suryo:

          "Schwarze Pädagogik" ging mir unweigerlich durch den Kopf beim Lesen ihrer Antwort. Strafe muss sein oder wie?

          • @27393 (Profil gelöscht):

            "Fehlende Lesekompetenz" ging mir unweigerlich durch den Kopf bei Ihrer Antwort. Solange sich die Pflegerin unwillig zeigt, darf "ihre" Impfdosis kein anderer haben oder wie?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Her mit d m Stoff, ich nehme ihn

  • Bei mir ist das Kriterium ganz einfach: ich lasse mich nur mit einem Impfstoff impfen, der den Fremdschutz garantiert. Wobei da noch viel Zeit ins Land gehen wird, bis ich dran bin.