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Sprachpolitik bei der „New York Times“Seismograf der Welt-Öffentlichkeit

Die „New York Times“ streitet über Rassismus und Sprachpolitik, Mit­ar­bei­te­r*in­nen kündigen. Warum interessiert das die Welt?

Hier wollen viele hin – und wieder weg: Redaktionsgebäude der „New York Times“ Foto: Bloomberg/getty images

„Können wir endlich aufhören, wie besessen jede Personalentscheidung der New York Times zu diskutieren?“, fragte das US-Magazin New Republic gerade. Wenn sich US-Journalisten das fragen, kann man diese Frage hierzulande erst recht stellen.

Hintergrund der Frage ist der Fall des Reporters Donald McNeil. McNeil ist 67 Jahre alt, 45 Jahre lang arbeitete er für die New York Times und war zuletzt der führende Corona-Experte des Blattes, regelmäßig auch im renommierten Podcast „The Daily“ zu Gast. Er steht nun öffentlich in der Kritik, weil eine Geschichte aus dem Jahr 2019 publik geworden ist. Bei einer Studienreise nach Peru hatte er sich vor Studierenden herablassend über Schwarze Menschen ausgelassen. Er hat unter anderem das „N-Wort“ ausgesprochen, eine rassistische Bezeichnung für Schwarze Menschen.

Eine Reiseteilnehmerin hatte ihn gefragt, ob er es richtig finde, dass eine Schülerin von der Schule suspendiert wurde, weil sie das N-Wort ausgesprochen hatte. McNeil hatte daraufhin, so sagt er heute, um den Fall besser einschätzen zu können, nachgefragt, in welchem Kontext die Schülerin das Wort verwendet hatte. Dabei hatte er es ausgesprochen. Niemand der Anwesenden in dieser Diskussion war Schwarz.

Innerhalb der Zeitung ist der Vorfall lange bekannt, es gab eine interne Aufarbeitung, einen Eintrag in die Personalakte. Jetzt hat ein anderes Medium die Geschichte ausgegraben. Erneut: große Aufregung in und außerhalb der Redaktion, 150 Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Times haben einen offenen Brief gegen McNeil unterschrieben.

Nach großem Druck hat McNeil sich entschuldigt. Der Chefredakteur der Zeitung, Dean Baquet, der erste Schwarze, der der Zeitung vorsteht, sagt, er toleriere keine rassistische Sprache. Im März wird McNeil die New York Times verlassen. Der Fall McNeil sei der „explosivste Skandal, den diese Zeitung je hatte“, zitiert die Vanity Faireinen Mitarbeiter der Times. Die Frage bleibt: Was interessiert uns die Personalpolitik einer US-amerikanischen Zeitung?

Strenge Regelungen

Zum einen, weil Donald McNeil nicht der Erste ist, der kürzlich die Times verließ, weil er – ja, was eigentlich: „ins Fahrwasser der politischen Korrektheit“ geraten ist, wie mein Kollege Steffen Grimberg in der taz schrieb? Weil ihm „ein einziges“ Wort „zum Verhängnis wurde“, wie die FAZ kommentierte? Oder weil, wie der Spiegel meint, die „berühmteste Zeitung der Welt“ ein „Haus der Angst“ geworden sei?

Im vergangenen Sommer verlor die Times ihren Meinungschef James Bennet. Er ließ zum Höhepunkt der Black-Lives-Matter-Bewegung den Gastbeitrag eines republikanischen Senators drucken, der forderte, man solle das Militär gegen die Demonstrierenden einsetzen.

Viele Times-Mitarbeiter*innen kritisierten den Text in den sozialen Medien. Die Times unterzog den Kommentar einer internen Untersuchung und befand, er habe nicht den Standards der Zeitung entsprochen. Bennet, der zuvor als möglicher nächster Chefredakteur der Times gehandelt wurde, kündigte.

Kurz darauf verließ die Meinungs­redakteurin Bari Weiss das Blatt, weil sie sich zunehmend attackiert und drangsaliert fühlte, wenn sie Meinungen vertrat, die vom linken Mainstream abwichen. So schrieb sie es in einem offenen Brief, Kollegen widersprachen dieser Darstellung öffentlich.

Vor knapp vier Wochen verlor die Nachrichtenredakteurin Lauren Wolfe ihren Job im Newsroom der Times. Wolfe hatte getwittert, sie habe Gänsehaut gehabt, als der neue US-Präsident Joe Biden in Washington angekommen sei. Ein Mitarbeiter des rechtskonservativen Fernsehsenders Fox News griff den Tweet auf und kommentierte, es sei „ekelhaft“, wie Journalisten ihre Objektivität aufgeben.

Die Times hat, anders als viele deutsche Redaktionen, strenge Regeln für das Verhalten ihrer Mit­ar­bei­te­r*in­nen in den sozialen Netzwerken. Nach­rich­ten­re­dak­teu­r*in­nen ist es verboten, sich dort so zu äußern, dass ihre Neutralität in Zweifel gezogen werden kann. Wolfe verlor ihren Job.

Warum polarisiert die New York Times?

Vor allem die Fälle des Meinungschefs Bennet und der Meinungsredakteurin Weiss wurden auch über die USA hinaus bekannt. Es erschienen Artikel in deutschen Zeitungen, Diskussionen in diversen Podcasts.

Konservative werteten die Personalien als Fälle von „Cancel Culture“, einer Kultur, in der, wer die falschen Sachen sagt, die Bühne oder der Job entzogen bekommt. Für andere waren vor allem die Beispiele von Bennet und Weiss der Beleg für progressiven Wandel in einer altehrwürdigen Redaktion.

Dass die Geschichten aus der New York Times so polarisieren, liegt zum einen daran, dass die Zeitung mit ihren knapp 8 Millionen Abonnenten so etwas wie der Seismograf der Branche ist. Geht es ihr gut, atmen Journalisten weltweit auf, weil das zeigt, dass Geldverdienen mit Journalismus funktionieren kann. Ringt die Redaktion um die Linie, verunsichert das Journalisten auf der ganzen Welt.

Als James Bennet und Bari Weiss im Sommer ihre Jobs bei der Times aufgaben, twitterte der Welt-Journalist Robin Alexander „Wir sollten diese Debatte in der @nytimes zur Kenntnis nehmen. Sie steht auch dem deutschen Journalismus bevor.“

Dabei sind wir längst mittendrin. Die Diskussion um die Polizei-Kolumne der taz-Kolumnist*in Hengameh Yaghoobifarah war dabei nur der sichtbarste Streit einer Redaktion, die um Standpunkte ringt. Viele Redaktionen diskutieren längst im Kleinen und Großen über Fragen von Rassismus, Repräsentation und Sprachpolitik.

Diese Fragen durchziehen große Teile der Gesellschaft. Sie entladen sich im Journalismus, weil Medien per se ein Ort der Öffentlichkeit sind und einer, an dem es an Eitelkeiten nicht mangelt. Was der Fall von McNeil auch zeigt, ist, wie reflexartig diese Debatten verlaufen. Das größte Vergehen, das McNeil vorgeworfen wird, ist, dass er „the N-Word“ ausgesprochen habe. Es war so wichtig, dass McNeils Entschuldigung sich auch fast ausschließlich um die Verwendung dieses Wortes drehte.

Das N-Wort war nur ein Problem

In einer Mail an die Redaktion schrieb er: „Als ich eine Nachfrage stellte, habe ich das Schimpfwort ausgesprochen. Das hätte ich nicht tun sollen. Ich hatte angenommen, dass es in diesem speziellen Kontext okay gewesen sei. Jetzt ist mir klar, dass es das nicht war. Das Wort ist zutiefst beleidigend und verletzend. … Dafür entschuldige ich mich.“

Ist es nun richtig, dass McNeill die New York Times verlassen muss? Von Deutschland aus und auf Grundlage der bekannten Fakten ist es schwierig, den Fall seriös zu beurteilen. Auch wenn das für viele keinen Hinderungsgrund darstellt.

Die Fixierung auf das N-Wort zeigt, was schiefläuft in der gesamten Debatte

Es gibt Berichte darüber, dass McNeil ein unangenehmer Kollege gewesen sein soll, was allerdings meistens keine Kündigung rechtfertigt. Seine Verteidiger sagen, unangenehm sei er vor allem als gewerkschaftlich engagierter Kollege für seine Chefs gewesen.

Es ist wichtig, über die Bedeutung und Geschichte einzelner Wörter zu sprechen. Allerdings zeigt die Fixierung auf das N-Wort in diesem Fall, was schiefläuft in der gesamten Debatte. Ein anderer Satz, den McNeil während der Studienreise gesagt haben soll, geht in der Berichterstattung über den Fall völlig unter. Dabei ist er viel problematischer.

Gerade McNeil müsste es besser wissen

Ben Smith, der Medienkolumnist der Times, zitiert ihn aus der Erinnerung einer Teilnehmerin der Reise. McNeil soll gesagt haben: „Es ist frustrierend, dass Schwarze Amerikaner weiter das System beschuldigen. Aber Rassismus ist vorbei. Niemand hält Schwarze mehr zurück, sie können aus ihren Ghettos herauskommen, wenn sie es nur wollen.“ McNeil selbst hat sich zu diesen Aussagen bisher nicht öffentlich geäußert.

„Rassismus ist vorbei.“ Wenn McNeil das tatsächlich gesagt hat, ignoriert er damit nicht nur das Nachrichtengeschehen, das seine Zeitung täglich abbildet. Er zieht auch sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse in Zweifel. Als Wissenschaftsredakteur.

McNeils Berichtsgebiet, Corona, ist eines, in dem sich Rassismus deutlich zeigt. Dass das Risiko, an Corona zu erkranken, für Schwarze Menschen in den USA höher ist als für Weiße, führen Wissenschaftler auch auf eine strukturelle Diskriminierung zurück.

Dass Schwarze in den USA seltener geimpft werden als Weiße – und das, obwohl sie in den Pflegeberufen, die zuerst geimpft werden, überrepräsentiert sind, liegt laut Experten auch daran, dass in vielen Wohnvierteln mit Schwarzer Bevölkerung der Impfstoff nicht ankommt.

Auch wenn es in der Debatte um McNeil also um mehr als um Identitäts- und Sprachfragen geht, werden sie nun überall angeführt. An ihnen entscheiden sich die Zukunft der Times und der gesamten Branche. Das klingt drastisch, aber sie verändern, wie Journalismus gemacht und aufgenommen wird.

Die woken neuen Di­gi­ta­l­abon­nen­t*in­nen

Das berührt auch strategische Entscheidungen: Die New York Times steht wirtschaftlich wieder gut da. Sie verdient mittlerweile mehr Geld mit Digital- als mit Printabos, und die Kurve geht steil nach oben. Ihre neuen Di­gi­ta­l­abon­nen­t*in­nen sind meist jünger als die der gedruckten Zeitung, sie führen ihre Debatten in den sozialen Medien und sind sensibler für Diskriminierung. Sie sind woker als die Altabonnent*innen.

Die Times müsse sich entscheiden, ob sie die führende Zeitung für gleichdenkende, linksliberale Ame­ri­ka­ne­r*in­nen sein wolle. Oder ob sie versuche, an der schwindenden Mitte eines zutiefst gespaltenen Landes festzuhalten, schreibt der Times-Medienkolumnist Ben Smith. Das schreibt er vor einem Hintergrund, der ein anderer ist als in Deutschland: Zwar werden diese Debatten hierzulande auch hitzig geführt, aber eben auch ein ganzes Stück weniger hitzig als in den USA.

Es ist also weniger größenwahnsinnig, als es auf den ersten Blick klingt, wenn der Medienkolumnist der Times die Frage, ob wir endlich aufhören können, über die Personalpolitik seiner Zeitung zu debattieren, beantwortet mit: „Noch nicht.“

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16 Kommentare

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  • Pure Geschäftspolitik. Die Aufreger für eine meinungsstarke Gruppe, mal woke, mal konservativ werden weggeräumt. Sie könnten die Investoren beunruhigen.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach:

    “Ernst N.

    Da hat Ernst Neger ja Glück gehabt, dass er schon tot ist... de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Neger



    It`s Fucking: www.zeit.de/gesell...saenderung-fugging

    kurz - “Und jeder Manichäer - ist auch ein Grobian.“ - 😱 -



    Wußte schon dazumal der klugweise Alte aus Wiedensahl •



    de.m.wikipedia.org...tei:Manicheans.jpg



    de.wikipedia.org/wiki/Manich%C3%A4ismus

  • Liggers. Much all weesen. But.

    Um dess Seismographische mal etwas euro- ja OWL-zentrierter auszukleiden & was anzufetten - sei nachgelassen - hier einen 🐻igen Kenner der Materie zu Gehör zubringen!

    Bitte Herr Karl-Josef Bär Ihr baer aktuell 296 IV

    “Ehemm Ehemm - Bär aktuell 22. Feb. 2021



    Die Neger ist ein Nebenfluss der Ruhr und entspringt im Rothaargebirge. „Der Fluss heißt... ,die Neger’ und nicht ,der Neger’ oder ,die Negerin’“, stellt die „Westfalenpost“ klar. Mit insgesamt nur 400 Einwohnern gibt es dort nordöstlich von Olpe seit seiner ersten Erwähnung im Jahre 1468 ein Dorf mit seinen drei Ortsteilen Ober-, Unter- und Mittelneger. Etymologisch haben der Fluss- und der Ortsname nichts mit dem lateinischen Wort „nigra“ für „schwarz“ zu tun, sondern er käme aus dem Keltischen, wie LeserWilfried Steinbrücke an die Zeitung schrieb. Er „bedeutet soviel wie reißend oder schnell fließend.“ Anderen Quellen zufolge leite sich der Name von „Nager“ ab und sei später phonetisch umgedeutet worden. Zwar wurde 2007 im benachbarten Brunnkappel die „Negerglocke“ in „Servatiusglocke“ umbenannt, doch das reicht dem Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch nicht: „Man kann den Ortsbewohnern nicht vorwerfen, dass sie in dem Ort leben, der so heißt“, zumal dieser Ortsname „Neger“ schon nachweisbar sei, „als es die rassistische Personenbezeichnung im Deutschen noch gar nicht gab.“ Aber man könne den Einwohnern durchaus „einen Perspektivwechsel abverlangen“, und daher versteigt sich Stefanowitsch allen Ernstes auf die Forderung, den Ort in „Nager“ umzubenennen. Im Negertal selbst sieht man derlei sprachpolizeiliche Hysterie gelassen und denkt nicht an eine solche Umbenennung, wie Ortsvorsteher Manuel Ochibowski erklärte, denn in seinem Sprengel gebe es kein rassistisches Verhalten: „Ganz im Gegenteil gibt es mehrere Beispiele, wie neue Bürger in unserer Gemeinschaft aufgenommen werden“.…ff & Rest (© Raap/Bär 2021)

    • @Lowandorder:

      wie versprochen ff & Rest



      Die Schlagzeile „Protestwelle aus dem Negertal“ bezog sich auf eine Unterschriftensammlung der „Bürgerinitiative Negertal in Gründung – Untertitel: Mehr Demokratie - Pro Ehrenamt - Werte verteidigen“, und dies keineswegs wegen des Sprachjakobiners Stefanowitsch, sondern auf die viel gravierenderen lokalpolitischen Probleme der Negerianer mit der Stadt Olpe in Sachen „Wasserbeschaffungsverband“ und damit vor allem auch um die „Löschwasserversorgung“ und auf eine mit „viel zu grobkörnigem Splitt“ falsch renovierte Straße „von Kessenhammer nach Neger“ .



      © Raap/Bär 2021

       

      • @Lowandorder:

        Manoman. Da bringste mal etwas 💡



        in eine der letzten weißen Flecken aus Berliner Sicht - dieser Erde. 🗺



        So isses Netti alllgefällig nicht! - 😷 -

        In Mentalität & Arg&Eigenwohn - 🤫 - er



        Seiner nicht sehr großer Zahl -



        eher unbekannten Bewohner 👨‍🌾 👨‍🌾 🧑‍🌾



        & Däh - Isses auch nicht recht.



        Zu schwarz gemalt - Vermut ich mal.

        Dabei isses doch nicht schlecht.



        NoPennen diese JWD-Gegen' zu kennen!



        Isse doch grad CDU-angesagt! - 🥳 -



        Wiewohl sehr abgelegen! Sei’s Beklagt!



        Da! Black🏔 & ✈️ ✈️ - 2x Cessna - wa!



        & Liggers. Die K-andidaten - laß raten:



        Zum Ausgleich zu Lufti-Printe Lasses.



        Denn Merze-Fritz - denn Laffes - 😱 -



        Vormals Letzter Halt - Brilon 🌳 🌲 🌳!

        So aber sei gewähret dies - servíce - 😎 -

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Ich denke mal, ein Jakobiner hätte schon die Geheimpolizei geschickt.

        • @85198 (Profil gelöscht):

          May be. But.

          Damals scharrte der Jungspund Merzens Friederich sicher in der Schützenhalle Niedereimer.(sozialer Brennpunkt schon vorher;) - wo er heute wohnt.



          Mit den Hufen - um Karton Ferdi Kartonagen Tillmann - CDU - ein selten ahnungslos-hausbackener Typ - um ihn aus den Schuhen zu kicken. Gelang.



          images.app.goo.gl/uY4W1bNPyNiXzXcSA - das peinliche Jüngelchen! 🥴 -



          schuetzen-niederei...2015/festhalle.php - wo er - kniepig - wahrscheinlich immer noch den Deckel für Steuern offen hat - 😂 -

          Als wir Friedensbewegten den Parteien eine Podiumsdiskussion dort boten.



          Münte auf dem Sprung zum SPD-NRW-Vorsitz - machte bella figura. Hans Wulf von den Grünen lässig (sei gegrüßt alte Hütte - whereever you are!;)) & klar der unvermeidliche FDPler.



          Abgefuckter Typ. Spezialist für Parteispenden(Affäre( - Intimus von Häuptling Silverkrücke (=> mit ordentlich Dreck am Stecken! 🤑)



          (btw => Lowie - leader of the board;) 😎

          So ging das

  • Die Literaturwissenschaftlerin Sarah Pines ist den tieferen Wurzeln des puritanischen Geistes der Reingung, der auch in den Kündigungen bei der NYT zum Ausdruck kommt, auf der Spur:

    „Auf beiden Seiten des politischen Spektrums, im Repräsentantenhaus, in den Medien, kurz: auf den Haupttribünender Gesellschaft, beschuldigen und bestrafen die einen die Ansichten der anderen und umgekehrt, besessen von einem Geist, der so viel älter ist als die Wahl Trumps, als ‚MeToo‘, ‚Black Lives Matter‘ oder Diversity.

    Es ist der Geist, den der Schriftsteller Nathaniel Hawthorne als puritanischen Verfolgungsgeist bezeichnete; ein Geist, dem einst Indianer und Hexen zum Opfer fielen und der weiterhin alarmistisch bezichtigt und scheinheilig verfemt. Nur der Wahrheit mag er nicht dienen, die nie schwarz oder weiss ist und deren Kontur allenfalls in der Debatte wahrnehmbar werden kann, aber nicht im Totschweigen.

    So war es auch, als kürzlich in Richmond, Virginia, eine Statue von Christoph Columbus in den Teich eines öffentlichen Parks geworfen wurde:Was stört, muss weg. Oder als der Chefredaktor des ‚Philadelphia Inquirer‘ zurücktreten musste, weil er der Veröffentlichung eines Artikels des Architekturressortszugestimmt hatte, der mit demTitel ‚Buildings Matter, too‘ in respektloser Weise auf ‚#BlackLivesMatter‘ angespielt hatte.

    Ausmerzen, wegmachen, statt die Konfrontation und den Austausch zu suchen. Aber die Demokratie, sie braucht doch die Öffentlichkeit, die Debatte, den Konflikt?"

    www.nzz.ch/feuille...leumdet-ld.1560760

    Sarah Pines ist promovierte Literaturwissenschafterin und freie Journalistin. Sie lebt und arbeitet in Palo Alto, Kalifornien.

  • Der erste Befund ist eindeutig: das ist eine völlig abgekoppelte Diskussion, die niemanden ausserhalb der Medienlandschaft interessiert. Das war bei der sogenannten Sprachkritik zwar weitgehend auch schon immer so, nur ist der vormals fromme, wohlmeinende Wunsch, mittels Sprachregeln auch das Denken zu verändern, nun wirklich langsam nur noch Staffage. Es sind, und das sollte hier doch einige nachdenklich machen, in der Folge also auch gute Absichten unter den Opfern der aktuellen Entwicklung. Es geht einfach nicht mehr um Inhalte. Leider war diese Entwicklung zwangläufig. Wo zunächst noch naive Wortgläubigkeit mit idealistischer Rechtgläubigkeit, vorzugsweise auf feministischem Terrain, Party machte, hat sich längst eine sich ständig weiter radikalisierende, munter irgendwelche Regeln formulierende Sprach- und Denkpolizei etabliert. Dabei wird keineswegs nur eine Verengung des Denk- und Sagbaren, quasi als bedauerlicher Nebenschaden, in Kauf genommen, das wäre alkerdings schon schlimm genug. Nein, es werden dadurch sogar ganze Debatten unterdrückt. Es gibt aber doch zum Beispiel nicht weniger Rassismus und objektive Benachteiligungen, nur weil ein paar brave Musterschüler gelernt haben, welche Worte man jetzt nicht mehr benutzen darf oder benutzen sollte. Erfolge, die Misserfolge übertünchen, sind keine, nur ist das dem neuen Hohepriestertum reichlich egal, ihnen geht es um Macht, sei es als pseudopolitischer Selbstermächtigungsbewegungsrausch, sei es als Instrument im Kampf um die Fleischtöpfe der Öffentlichkeitsindustrie. Und egal wer gerade bei der NYT geht oder gehen muss, diejenigen die nachrücken dürften nicht zu den kritischsten Geistern gehören. Die Entwicklung wird sich verschärfen, sie wird immer selbstreferentieller werden, egal, könnte man sagen, es interessiert ja doch nur die Journalisten selber. Leider gehen dabei aber auch die Kommunikations- und Ausgleichsfähigkeiten journalistisch georägtenÖffentlichkeit noch immer weiter den Bach runter.

    • @Benedikt Bräutigam:

      So ist es.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wenn das N-Wort nur als Zitat verwendet wurde, ist es tatsächlich sehr fragwürdig, warum sich die Diskussion so sehr darauf fixiert.



    In folgendem Artikel der taz, der letzte Woche erschienen ist, steht das Z-Wort geschlagene 40 mal, alles im Zitat, und ich hoffe einmal, dass die Verfasserin deswegen nicht geschasst wird. Es ist mir in dieser Anhäufung zwar sehr unangenehm aufgefallen und es wäre besser gewesen, es in der größen Mehrzahl der Fälle abzukürzen, aber der Text geht schließlich darum, dass es unangemessen ist, es zu benutzen.



    taz.de/Rassistisch...Karneval/!5751856/

    • @85198 (Profil gelöscht):

      @ Hannibal Corpse:



      Warum sollten Zitate wie „Zigeuner Helau“ zu Z-Helau verstümmelt werden?



      Wollen Sie wirklich, dass journalistische Grundsätze aufgegeben werden, nur weil der Sachverhalt bzw. das Wort selbst Anlass zu Diskussionen gibt?







      Um als Leser ein vollständiges Bild zu bekommen, bin ich ja gerade auf eine exakte Wiedergabe durch das jeweilige Medium angewiesen. Nur auf einer soliden, faktenbezogenen Berichterstattung kann ich mir eine (eigene) Meinung bilden. Verkürzende oder gar verschweigende Darstellungen möchte ich nicht in der TAZ finden. Dieses Feld sollte Propaganda-Medien vorbehalten bleiben.

      Kurz:



      Journalistische Grundsätze sollten nicht wegen einer 'Betroffenheitskultur' vernachlässigt oder gar über Bord geworfen werden.

      Das nutzt am Ende (meist) nur den nationalkonservativen bis rechtsradikalen Strömungen. Dazu muss man nicht bis Russland schauen. Schon in EU-Ländern wie z. B. Ungarn und teilweise Polen können die Folgen beobachtet werden.

      • @DHM:

        Wenn es nicht mehr möglich ist, den Kontext der Verwendung zu betrachten, sondern das Wort an sich inkriminiert, wird die Debatte kindisch.



        Die Welt ist kein Safe-Space, sie erfordert zum Glück ein wenig mitdenken.

  • Die USA, Wiege der Selbstoptimierung - immer mal wieder over-the-top mit ihrem Anspruch an zwischenmenschliche Kommunikation. Und dann der bigotte Fox News Kommentar ...



    Gehört das alles zum Kapitalismus in der Endphase? Sind jetzt einzelne Menschen bei einem einzigen Vergehen - wenn überhaupt - an allem Schuld? Ich hoffe, diese schwarz-weiß-Denke (ha, ha, nein, das war bestimmt kein Wortwitz) schwappt nicht zu uns rüber.

  • Das das Wort nicht geht sollte klar sein. Das Menschen aufgrund ihrer Meinung ihre Jobs verlieren (insofern es keine volksverhetzende, extremistische ist) geht aber auch nicht. Wer alle Andersdenkenden aus dem Diskurs ausschließt, darf sich später nicht über filterblasen, Verschwörungstheorien und Fake News wundern. Auch eine gewisse Taz-Kolumnistin hat ihren Job noch, obwohl manche Aussagen durchaus fragwürdig sind. Und das zu recht.

  • Man ls