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Geringe Elternzeitquote unter VäternKaum Zeit für Kinder

Bis heute planen nur wenige Väter mehr als einige Monate zur Betreuung ihrer Kinder ein. Warum die niedrige Elternzeitquote ein soziales Problem ist.

In Deutschland gilt es für Mütter als angemessen, ihr Kind ein bis drei Jahre zu Hause zu betreuen Foto: imago

V or einigen Wochen bin ich irgendwie in einem Schwangerschaftsforum gelandet, in dem es darum ging, ob und wie lange „die Männer“ nach der Geburt Elternzeit nehmen. Da war die Rede von Männern, die eine Woche Urlaub bekommen, aber nur mit der Auflage, dass sie springen, falls der Chef ruft. Da gab es Frauen, die selig beschrieben, dass ihre Göga ihnen ganze zwei Wochen „mit den älteren Kindern und dem Haushalt helfen“.

Das Nonplusultra waren da die Herren, die planten, zwei Monate Elternzeit und Elterngeld zu nehmen – gern mit dem Zusatz „erst, wenn man was mit dem Kind anfangen kann“. Nur selten liest man in diesen Foren von Vätern, die mehr Zeit einplanen.

Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen sind es die Eltern, die das entscheiden, aus akuten Lebensumständen oder festgefahrenen Rollenbildern heraus. Auch Mütter. Öfter sind es aber die Väter, die schlicht nicht planen, eine gleichberechtigte Bezugsperson für ihr Kind zu sein. Es gibt Eltern, die finanziellen Zwängen unterliegen, und solche, die das Geld nur vorschieben. Es gibt Frauen, die froh sind, aus ihrem Job raus zu sein.

Eine Karriere zu haben, die vernachlässigt werden könnte, ist eine durchaus privilegierte Situation. Es gibt Väter, die sich abfälligen Bemerkungen von Vorgesetzten und Kol­le­g:in­nen ausgesetzt sehen, die Angst vor verminderten Aufstiegschancen haben – ja, schlimm – aber darüber können viele Frauen ein Lied singen.

Drei Tage Babypause?

Die Elternzeitquote lag 2019 unter in einem Arbeitsverhältnis stehenden Eltern mit Kindern unter drei, bei Müttern bei 42,2 und Vätern bei 2,6 Prozent. Bei allen individuellen Gründen ist das ein gesellschaftliches Problem. Wie lächerlich gering die Ansprüche an Vaterschaft sind, hat vergangene Woche auch der „linke“ Flügel der Union gezeigt.

In den Forderungen der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) für das Wahlprogramm steht: „Wir wollen, dass die Familie die Tage nach der Geburt verlässlich gemeinsam verbringen kann. Deshalb werden wir für Väter drei Tage Vaterschaftsurlaub bei Geburt eines Kindes einführen.“

Drei Tage. Für das Wahlprogramm. Im Jahr 2021. Ich musste den Satz drei Mal lesen. Nach einer Geburt dauert das Wochenbett sechs bis acht Wochen. In der Zeit haben Gebärende mit der Rückbildung und mindestens mit einer inneren Blutung zu tun, wo sich die Plazenta gelöst hat. Vielleicht gab es eine OP, Geburtsverletzungen, einen Kaiserschnitt. Viele kämpfen mit Hormonen, mit einer Brustentzündung, mit Schlafentzug. Oder mit mehr. Das ist normal und manche kommen besser damit klar, manche schlechter. Aber ernsthaft, drei Tage?

Gleichzeitig leben wir in einem Land, in dem es wohlgemerkt für Mütter als angemessen gilt, ihr Kind je nach Bundesland ein bis drei Jahre zu Hause zu betreuen. Mütter, die ihr Kind schon mit oder unter einem Jahr in eine Fremdbetreuung geben, müssen sich immer noch einiges anhören. Also wirklich: drei Tage?

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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9 Kommentare

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  • Ersrmal danke für die Info zur CDU! Und! Es ist sicherlich so gut wie unmöglich bei dem Thema Kinderbetreuung in dem Chor von Vorstellungen über Rollen, Chancen und Notwendigkeiten es allen recht zu machen. Dennoch wünschte ich mir, dass Schreibprofis es schafften ihre Argumente ohne Herablassung, Abwertungen und Zynismus für sich sprechen lassen. Dann könnte man einfach „ja“ dazu sagen und sich vielleicht fragen, wie könnte das zum Besseren verändert werden. Zugegebener maßen nicht leicht umzusetzen, wäre aber wirklich mal was Neues und Zukunftsweisendes!

  • Ich finde das nicht schön, dass es immer so dargestellt wird, als würden die Männer nicht wollen oder nur auf ihre Karriere achten. Ich würde sehr gerne Elternzeit nehmen, unsere Kleine ist vor 9 Monaten auf die Welt gekommen und ich bin sehr traurig darüber, dass ich nicht mehr Zeit für sie habe. Allerdings wird es ja vom Staat nach Kräften verhindert, Elternzeit zu nehmen.

    Hintergrund: Ich bin nebenberuflich selbstständig, sobald ich in meinem Hauptberuf weniger Stunden arbeite als im Nebenberuf werde ich sofort als Hauptberuflich selbstständig gehandelt, auch, wenn ich da nur etwa 15 Stunden pro Woche arbeite. Das bedeutet dann, dass ich für die Elternzeit meine Sozialversicherungen selbst bezahlen muss, das bedeutet Rente, Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung. Wenn meine Frau in der selben Zeit nicht arbeitet, muss ich auch noch deren Versicherung die die für das Kind zahlen. Da kommt schnell ein hoher Vierstelliger Betrag im Monat zusammen (Meine Eltern haben während ihrer Selbständigkeit 1500 Euro/Monat ausschließlich für die Krankenversicherung bezahlt).

    Mir bleibt also gar keine andere Wahl als zur Arbeit zu gehen. Ich kann es mir schlicht nicht leisten im Monat einen Vierstelligen Betrag hinzulegen und dann noch den Lebensunterhalt und das alles nur vom Ersparten über mehrere Monate. So sind leider die Tatsachen. Also schlimpft nicht immer über die bösen Männer, die sich nicht um die Kinder kümmern wollen. So einfach ist es leider nicht.

  • Hauptproblem ist nicht der Wille oder Gesellschaftsbilder in der aktuellen Vätergeneration. Das hat sich mittlerweile geändert. Hauptproblem sind die Arbeitssituationen der Väter. Fassungslosigkeit in der Personalabteilung weil der MittDreiziger jetzt sich erdreistet ein halbes Jahr Elternzeit zu nehmen. Nicht selten wurden eben Männer eingestellt mit der Erwartung "nicht schwanger werden zu können" Tobende Chefs bei Männern, bei Frauen wird eine Auszeit vom Job als Selbstverständlichkeit angenommen. Gleiches gilt bei: Das Kind aus der Kita holen, Kind Krank Tage, etc. Macht ein Vater dies in dem Maße wie eine liebende Mutter (bewusste Übertreibung) ist er doch im Arbeitsleben unten durch, Frauen können ab 40 dann nochmals durchstarten ohne dass es als Karriereknick angesehen wird. Da ist noch gewaltig Aufholbedarf in der Gesellschaft für die Akzeptanz als Vater!

  • Eine vollkommene Gleichstellung ist hier nunmal schwer umsetzbar. Einzig eventuell, wenn Vater UND Mutter gleichzeitig das Recht hätten auf je unabhängig von einander laufendem Elterngeld.

    Da das aber nunmal nicht so ist, sondern insgesamt maximal 14 Monate gezahlt werden, ist die Entscheidung einfach in den meisten Fällen durch die biologischen Gegebenheiten recht einfach.

    Nichts ist so gut für ein Baby, wie Muttermilch. Noch besser Muttermilch aus der Brust. Das ist wissenschaftlich bezieht und kann nicht durch Gleichberechtigung wegdiskutiert werden.



    Wenn nun das Kind gestillt werden soll, bleibt nicht viel Alternative, als der Mutter den Vorrang in der Elternzeit zu gewähren.

    • @Sabrina K.:

      Unfug. Natürlich haben Vater und Mutter das Recht auf unabhängig von einander laufendem Elterngeld. Und natürlich ist es biologisch möglich, auch als stillende Mutter nach 6 Monaten (oder früher) wieder arbeiten zu gehen - zumal der Arbeitgeber verplichtet ist, sie für Stillpausen freizustellen. Spreche aus eigener Erfahrung.

  • Dass Vater- und Mutterschaft etwas Unterschiedliches ist, erfährt frau/man(n) vielelicht erst mit dem zweiten Kind. Feststellungen zur mütterlich-kindlichen Diade, zur elterlichen Triade usw. sind nunmal sinnvolle Theoreme. Pure Leugnung dieser Unterschiede macht diese jedoch nicht wett. Von daher ist es durchaus sinnvoll, wenn die Väter eher mit den älteren Kindern, die Mütter eher mit den jüngeren Kindern Zeit verbringen. Ein Vater kann nun mal nicht die Brust geben ... die Mutter ist oftmals zu protektiv für ds Klettern auf die Bäume.

    Lasst Unterschiede zwischen den Eltern zu, die Kinder werden es später danken.

  • Zitat: „Eine Karriere zu haben, die vernachlässigt werden könnte, ist eine durchaus privilegierte Situation.“

    Also wirklich: eine „privilegierte Situation“?

    Für mich klingt das mit der Karriere, die angeblich ein Privileg ist, in etwa so albern, wie die Sache mit den drei Tagen. Ich kann mir auch nicht so recht erklären, wieso so viele Menschen jeglichen Geschlechts sich privilegiert fühlen, wenn sie den mehr oder weniger vernünftigen, mehr oder weniger nachvollziehbaren Kommandos eines/einer Vorgesetzten folgen dürfen, der/die/das sich einen feuchten Kehricht interessiert für sie und ihre Träume, Wünsche oder Hoffnungen, der/die/das aber immerhin über ihre Aufstiegschancen entscheiden darf.

    Wieso nur fühlen sich hierzulande und heutzutage nicht auch diejenigen privilegiert, die es sich leisten können, den Bedürfnissen kleiner Kinder nachkommen, die ihnen im besten Fall ein Leben lang in Zuneigung und Liebe verbunden sein werden zum Dank für ein paar anstrengende Tage und unruhige Nächte? Das kann doch unmöglich nur am Geld liegen, oder?

    Obwohl - was darf ich schon erwarten von den Mitgliedern einer Gesellschaft, die Menschen mit wenig Geld unbesehen und ohne auch nur drüber nachzudenken pauschal als „sozial Schwache“ stigmatisiert? Ich meine: Wenn die Mitglieder dieser Gesellschaft nie gelernt haben, dem eigenen Gefühl und der eigenen Vernunft mehr zu vertrauen als den ideologischen Vorgaben der Leute, die über das Geld und damit über den Einfluss verfügen? Auch über den Einfluss auf die Gedanken derer, die sie auch morgen noch für sich arbeiten lassen wollen, obwohl sie sich einen Dreck um sie als Menschen scheren...?

  • Ein Kommentar für eine Forderung von irgendwem und hängt sich an der kleinen Forderung auf.



    Wenn es denn sein muss.



    Aber wenn die Forderung nicht 3 Tage, sondern 8 Wochen gelautet hätte, wäre der Aufschrei viel größer gewesen. Was!? Acht Wochen? Und das ohne Wochenbett! Den Männer wird mal wieder alles hinterher geworfen. Wir müssen leiden und die bekommen Freistellung vom Job. Und kochen noch nicht mal ordentlich.

    • @fly:

      Stimmt. :-)