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Schichtwechsel bei AmazonAus dem Schatten heraus

Jeff Bezos, der reichste Mann der Welt, macht Andy Jassy zur Nummer 1 bei Amazon. Dessen Auftrag: noch mehr Gewinne und politischer werden.

Jeff Bezos besucht eine Show in Los Angeles in Begleitung seiner Freundin Lauren Sanchez Foto: Calla Kessler/NYT/Redux/laif

BERLIN taz | Krisengewinnler, Datenräuber, Monopolist, einer, der es mit den Arbeitsschutzrechten nicht so genau nimmt. Amazon-Chef Jeff Bezos wurde schon vieles vorgeworfen. Beirren hat er sich nicht lassen und Schritt für Schritt sein Unternehmen aus der kleinen Klitsche zum Megakonzern aufgebaut. Bücher, Lebensmittel, Kleidung, Möbel, Filme, sogar Versicherungen lassen sich heute über Amazon kaufen. Rund eine Million Menschen beschäftigt sein Konzern weltweit.

Nun hat der reichste Mann der Erde, der laut Forbes-Magazin ein Vermögen von etwa 197 Milliarden US-Dollar haben soll, seinen Rückzug von der Konzernspitze angekündigt. Neue Nummer 1 im Amazon-Imperium wird Andy Jassy. Ein ehemaliger „Shadow“ von Jeff Bezos. So werden die Mit­ar­bei­te­r:in­nen bei dem Tech-Giganten genannt, die Bezos über einen langen Zeitraum begleiten, bei jedem Meeting und allen Verhandlungen des Konzernchefs dabei sind.

Ganz überraschend ist seine Personalie daher nicht. Aber sie steht in einer Reihe von Rücktritten anderer Tech-Giganten, die das Internetzeitalter prägten und deren Gründer sich zurückziehen. Einerseits. Andererseits ist die Entscheidung ein Zeichen für die Ausrichtung des Konzerns in den kommenden Jahren. Jassy ist Betriebswirt, kein Techniker, einer, der an der Elite-Uni Harvard studierte und vor allem eine Sparte des Mammutkonzerns groß machte: das Cloud Computing.

Dabei geht es um ein Angebot an Unternehmen, große Datenmengen auszulagern, zu speichern, zu verarbeiten. Von einem Motor der Digitalisierung sprechen Branchenexpert:innen, von einer Technologie, die schon bald zum Standard werden wird. Allein in Deutschland nutzen 3 von 4 Unternehmen die Speicherung von Daten in einer Cloud. Sie nutzen die Rechenleistung, die sie damit einkaufen, und die Sicherheitsarchitektur solcher Angebote, vergleichbar mit einer Art virtueller Infrastruktur. Interessant ist die Technologie etwa für die Industrie, für Geschäftsmodelle, die auf Künstlicher Intelligenz basieren, überall dort, wo große Datenmengen anfallen.

Verdis Endlosarbeitskampf gegen Amazon

Die Gewerkschaft

Seit fast acht Jahren versucht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit einer Strategie der Nadelstiche, tarifvertraglich geschützte Einkommens- und Arbeitsbedingungen bei Amazon durchzusetzen. Der erste Streik fand im Mai 2013 statt. Seitdem ruft Verdi immer wieder zu temporären Streiks auf, zuletzt im Weihnachtsgeschäft 2020.

Der Arbeitgeber

Bundesweit beschäftigt Amazon 16.000 festangestellte Mit­ar­bei­ter:innen in insgesamt 15 Logistikzentren. Hinzu kommen temporär 10.000 Saisonarbeitskräfte. Verdi fordert für sie die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie den Abschluss eines Tarifvertrages.

Der aktuelle Stand

Mit manchesterkapitalistischem Dogmatismus beharrt der US-Konzern darauf, gänzlich nach eigenem Gusto über das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen zu entscheiden. Bislang hat Verdi nicht einmal die Aufnahme von Gesprächen durchsetzen können. (pab)

Amazon, Microsoft und Google zählen weltweit zu den Marktführern auf diesem Gebiet. Die Cloud-Tochter Amazon Web Services (AWS) machte 2020 rund 13 Milliarden US-Dollar Gewinn. Sie ist quasi die Cashcow. In Europa gibt es bisher kein vergleichbares Angebot. Die US-Anbieter sind hiesigen Unternehmen Jahre voraus, heißt es bei Branchenverbänden.

Alles, was du brauchst

Wie so oft hat Amazon auch hier seinen unausgesprochenen Leitspruch wahr gemacht. Wir geben dir alles, was du brauchst. Von der Möhre bis zum Seifenspender, von der Software bis zur Rechenleistung. Genau diese Macht kritisieren auch die Wettbewerbsbehörden, in den USA und der EU. Im Visier sind vor allem die Vereinbarungen mit Händlern auf der Plattform, denen Amazon Konkurrenz macht.

Dazu kommen das Abziehen von Daten, die Kritik von Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen an Kündigungsklauseln für Amazon-Produkte oder undurchsichtige Bewertungen von Angeboten auf der Plattform. Und natürlich Vorwürfe, dass arbeitsschutzrechtliche Vorgaben nicht eingehalten werden. Sowohl in den USA als auch in Deutschland kämpfen Ak­ti­vis­t:in­nen und Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Auch Jassy wird sich einer juristischen wie politischen Auseinandersetzung stellen müssen.

Während sich Bezos eher selten öffentlich äußerte, könnte Jassy den Konzern politischer machen. Das rechte Netzwerk Parler warf er aus der Amazon-Cloud, nachdem Trump-Anhänger:innen, die sich gerne dort versammelten, Anfang Januar das Kapitol stürmten. Und er forderte Aufklärung, als im vergangenen Jahre diverse Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze US-Bürger:innen Schlagzeilen machten.

Und Jeff Bezos? Nach wie vor hält er die meisten Anteile an Amazon und wird nun eine Art Verwaltungsratsvorsitzender mit mächtigem Einfluss auf die Geschicke des Konzern. Keine Spur von Ruhestand, wie er in einer Erklärung verkündete. Künftig will er sich verstärkt dem Raumfahrtprojekt Blue Origin, der Washington Post, deren Eigner Bezos ist, und Wohltätigkeitsprojekten widmen. „Ich hatte noch nie so viel Energie“, ließ er verlauten. Die Verstetigung der Amazon-DNA geht also weiter.

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4 Kommentare

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  • Ist nicht Elon Musk einen Tick reicher, nach aktuellem Börsenwert?

  • Wäre cool wenn er sich Blue Origin widmen würde. Im Moment ist SpaceX allen davongezogen und eine echte Konkurrenz würde die Entwicklung der Weltraumfahrt weiter beschleunigen.

    • @Timelot:

      Am besten den Jeff, den Elon und noch so manchen aus dieser Liag in einen Raumgleiter und dann ab durch das Wurmloch in eine andere total steuerfreie Galaxie.

  • "Die US-Anbieter sind hiesigen Unternehmen Jahre voraus, heißt es bei Branchenverbänden." Kommt darauf an aus welcher Perspektive man das betrachtet.



    Wenn es um Datensicherheit geht, laufen die US-Anbieter meilenweit und Jahrzehnte hiesigen Unternehmen hinterher.