Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern: Auf Wiedersehen im Februar
Kanzlerin Merkel und die LänderchefInnen beschließen eine Verlängerung des Lockdowns bis Monatsende. In Corona-Hotspots wird der Bewegungsradius eingeschränkt.
Einige Verschärfungen kommen nun hinzu: Die Bund-Länder-Runde vereinbarte nach einer mehrstündigen Online-Konferenz noch strengere Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich. „Die Maßnahmen, die wir beschlossen haben, sind einschneidend“, betonte Merkel am Abend. „Es ist jetzt keine Zeit für Halbherzigkeit“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Merkel sagte, im zweiten Quartal dieses Jahres werde es „nach menschlichem Ermessen“ deutlich mehr Impfdosen geben. Auf konkrete, verbindliche Ankündigungen, wann spätestens mit flächendeckenden Covid-19-Impfungen zu rechnen ist, verzichtete die Runde jedoch. „Ich rate dazu, keine falschen Versprechungen zu machen“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Seit dem 16. Dezember sind viele Geschäfte in Deutschland, aber auch die Schulen und die meisten Kitas dicht. Es gelten zudem strenge Beschränkungen etwa für private Treffen. Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen mussten bereits mehrere Wochen vorher schließen.
Private Treffen künftig nur noch mit einer Person
Ziel der Maßnahmen ist es, Kontakte zwischen Menschen und damit Ansteckungen mit dem Coronavirus massiv zu reduzieren. Zusätzlich sollen nun auch Betriebskantinen nach Möglichkeit schließen oder nur noch Speisen zum Mitnehmen anbieten.
Private Treffen sollen künftig nur noch mit einer Person, die nicht zum eigenen Haushalt gehört, möglich sein. Die bislang geltenden Ausnahmen für Kinder im Alter bis zu 14 Jahren gibt es nicht mehr. Das heißt zum Beispiel, dass sich zwei Paare nicht mehr zum Essen verabreden und zwei Kinder nicht ein weiteres Kind zuhause besuchen dürfen. Auch Großeltern dürfen nicht mehr zu zweit zu Besuch kommen.
In dem Beschluss vom Dezember, der von den Ländern in eigenen, zum Teil leicht abweichenden Verordnungen umgesetzt wurde, stand eine großzügigere Regel: „Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind weiterhin auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in jedem Falle auf maximal 5 Personen zu beschränken. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon ausgenommen.“ Im aktuellen Beschluss heißt es jetzt: Es „werden private Zusammenkünfte im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet.“
Die Länder sollen zudem für Kreise, in denen sich binnen sieben Tagen mehr als 200 Menschen pro 100.000 Einwohner neu infiziert haben, den Bewegungsradius der BürgerInnen auf 15 Kilometer um den Wohnort begrenzen. Wer in einem solchen Corona-Hotspot lebt und sich weiter von seinem Wohnort entfernen will, müsste dafür dann einen triftigen Grund vorbringen, etwa die Fahrt zum Arbeitsplatz. Aktuell weisen laut Robert-Koch-Institut 68 Kreise einen entsprechend hohen Inzidenzwert auf.
Empfohlener externer Inhalt
In Deutschland gibt es einen eingeschränkten Bewegungsradius bereits in Sachsen, wo die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen drei Monaten stark angestiegen war. Hier dürfen sich die Bürger nur maximal 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen, etwa um Sport zu treiben oder zum Einkauf. Für das ebenfalls stark von Covid-19 betroffene Thüringen hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine entsprechende Regelung vorgeschlagen.
Andere europäische Staaten haben bereits Erfahrungen mit solchen Maßnahmen gesammelt. Allerdings waren und sind diese dort oft mit anderen Einschränkungen kombiniert worden – etwa einer nächtlichen Ausgangssperre – und teilweise auch deutlich strenger.
Um die BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen gleichzeitig vor Covid-19 und vor Vereinsamung zu schützen, wollen Bund und Länder dabei helfen, genügend Freiwillige in diese Einrichtungen zu entsenden, um Personal und Besucher auf das Coronavirus zu testen.
Beschlüsse klammern die Berufswelt aus
Die meisten SchülerInnen und auch viele Kita-Kinder werden wohl auch in den nächsten drei Wochen noch zu Hause bleiben müssen. Schulen und Kindertagesstätten sollen bis mindestens Ende Januar weitgehend geschlossen bleiben oder nur eingeschränkten Betrieb anbieten. Wenn Eltern deshalb nicht zur Arbeit gehen können, soll zehn Tage zusätzlich Kinderkrankengeld gezahlt werden.
Verschärft werden sollen die Bestimmungen für Einreisende aus Risikogebieten. Hier soll grundsätzlich bereits direkt zur Einreise ein Corona-Test gemacht werden.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt
Die Beschlüsse haben zwei Schwächen. Die erste: Sie klammern die Berufswelt weitgehend aus. ArbeitgeberInnen würden „dringend gebeten“, großzügige Homeoffice-Möglichkeiten zu schaffen, steht dort lediglich – von einer Pflicht ist keine Rede. „Es ist völlig unverständlich, warum die Ministerpräsidentenkonferenz nicht die Kontakte am Arbeitsplatz stärker in den Blick nimmt“, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Es muss mehr getan werden, um den Schutz der Menschen am Arbeitsplatz zu erhöhen.“
Entscheidung ohne sichere Daten
Auch eine zweite Schwäche ist offensichtlich: Die Runde tagte vor dem Hintergrund einer unklaren Datenbasis. Wie haben sich die Coronazahlen durch den verschärften Lockdown verändert, der Mitte Dezember beschlossen wurde? Das wäre durchaus eine wichtige Information für die MinisterpräsidentInnen und die Kanzlerin gewesen. Doch verlässliche Angaben dazu gibt es weiterhin nicht.
Am Dienstag lag die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen im 7-Tage-Mittel mit rund 17.500 zwar wieder auf einem ähnlichen Niveau wie zuletzt Anfang Dezember. Aber wirklich aussagekräftig ist dieser Wert derzeit nicht. Denn auch die Zahl der durchgeführten PCR-Tests, mit denen Corona-Infektionen im Labor nachgewiesen werden, war in den letzten beiden Wochen stark verringert: Über die Weihnachtstage lag die Testzahl ein Drittel niedriger als Mitte Dezember, über den Jahreswechsel waren es sogar nur rund halb so viele.
Einfach hochrechnen kann man die Zahl der Neuinfektionen aber auch nicht, denn per PCR getestet wurden über die Feiertage vermutlich vor allem Menschen mit starken Symptomen oder jene, die zuvor bei einem Schnelltest ein positives Ergebnis hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Test positiv ausfiel, dürfte damit höher gewesen sein als sonst.
Sichere Aussagen über das reale Infektionsgeschehen sind darum derzeit kaum möglich. Dies wird in dem Beschluss auch eingeräumt. „Eine präzise Einschätzung der Entwicklung des Infektionsgeschehens ist am Beginn des neuen Jahres außerordentlich schwierig“, heißt es darin. Aufgrund der zahlreichen Feiertage könne es zu Test- und Meldeverzögerungen gekommen sein.
Dass sich die Situation durch den verschärften Lockdown zumindest leicht entspannt hat, zeigen die Zahlen aus den Intensivstationen, die auch über die Feiertage vergleichsweise zuverlässig gemeldet wurden: Dort geht der 7-Tage-Mittelwert der neu aufgenommenen CoronapatientInnen seit fünf Tagen leicht zurück. Die Todesfälle, die im Zusammenhang mit Corona gemeldet werden, sind über die Feiertage dagegen nur vorübergehend und wohl vor allem aufgrund verzögerter Meldungen gesunken. Am Dienstag wurde mit knapp 650 Toten pro Tag im 7-Tage-Mittel der bisher dritthöchste Wert erreicht.
Empfohlener externer Inhalt
Weitere Ungewissheit ergibt sich daraus, dass mögliche zusätzliche Kontakte über Weihnachten und Silvester und die daraus resultierenden Neuinfektionen sich in den Statistiken wegen des Zeitverzugs bisher kaum niederschlagen. Die Auswirkungen des besonderen Besuchsverhaltens während der Feiertage zeige sich erst später im Infektionsgeschehen, heißt es im Beschluss.
Erschwert wurden mögliche Entscheidungen zudem dadurch, dass völlig unklar ist, inwieweit sich die neue Virus-Mutation aus Großbritannien schon in Deutschland verbreitet. Genetische Analysen, mit denen das festgestellt werden könnte, finden in Deutschland kaum statt. In Großbritannien sind die Infektionszahlen aufgrund der höheren Infektiösität der neuen Variante trotz Lockdown in vielen Regionen dramatisch angestiegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Linkspartei nominiert Spitzenduo
Hauptsache vor der „asozialen FDP“
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt