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Trump in den sozialen Medien gesperrtGetrübter Jubel

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Twitter und Co. sperren Noch-Präsident Trump den Zugang zu seinen Accounts. Endlich, möchte man sagen, doch unproblematisch ist das nicht.

Aus dem Verkehr gezogen: Noch-Präsident Trumps Twitter-Account Foto: Joshua Roberts/reuters

E ndlich. Die Tech-Giganten Face­book und Twitter kappen das Sprachrohr des irrsten Präsidenten, den die USA wohl jemals gehabt haben. Schluss mit Fake News von Donald Trump, mit unterschwelligen Gewaltaufrufen an Millionen An­hän­ger:in­nen. Die Entscheidung ist kein heroischer Akt, und in den Jubel über die Sperre des US-Präsidenten mischt sich ein bitterer Beigeschmack. Bestes Beispiel ist ein Twitter-Tweet von Kreml-Kritiker Alexei Nawalny. Der moniert Zensur und private Interessen der Konzerne, die sich nun eines unliebsamen Kunden entledigen. Etliche andere Diktatoren der Welt könnten nach wie vor ihre Ideologien und Repressionen posten. Seien es Desinformationen zu Corona oder Verleumdungen über Re­gime­kri­tiker:innen.

Wahr ist auch, dass jahrelang von US-administrativer Seite zugelassen wurde, dass die Netzhoheit bei wenigen Tech-Giganten liegt. Namentlich in den Händen von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Twitter-Chef Jack Dorsey. Beide Seiten haben profitiert von den Tiraden Trumps über die sozialen Medien. Profit ist der Maßstab, nicht Verfassungstreue.

Mit dem Sturm auf das Kapitol in Washington am vergangenen Mittwoch ist die Empörung über Trump weltweit explodiert. Der Druck auf die Unternehmen, dem Präsidenten endlich digitale Verbreitungskanäle abzudrehen, ist damit enorm gewachsen. Nun rea­gieren sie mit ungewohnter Härte. Die Sperren wirken wie ein Präventivschlag, eine unternehmerische Notbremse gegenüber dem, was in den kommenden Monaten auf Silicon Valley zurollen wird.

Mit der neuen Mehrheit der Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus wird auch die Regulierung der Tech-Konzerne nahen. Eine Zerschlagung der Unternehmen droht. Was liegt also näher, als einen aus dem Ruder gelaufenen Präsidenten von der eigenen Plattform zu verbannen, der sowieso in wenigen Tagen abgemeldet ist. Eine Radikalisierung von Trumps Anhänger:innen ist damit nicht abgewendet. Sie werden sich neue Wege in die digitale Welt suchen, um zu mobilisieren.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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16 Kommentare

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  • Social Media sind Teil der Zivilgesellschaft. Die Sperrung der Accounts Trumps und einiger seiner Mitverschworenen zeigt, dass die Zivilgesellschaft gegenüber politischen Akteuren nicht wehrlos ist. Wenn dies manchen in der Politik erschreckt, um so besser. Wenn nun gleichzeitig die Anbieter von Internetplattformen sich bewusst werden, wie sie (bisher zu willig) missbraucht wurden, und welche Folgen das haben kann, dann kann man vielleicht hoffen, dass wir wieder zurückfinden zu einer vernünftigen Nachrichtenkultur. Denn ich finde es nicht richtig, dass Politiker einen ausbalancierenden Journalismus über den bypass Twitter und Co. zu einfach umgehen können, um sich mit jedem Kram direkt an Zielgruppen zu wenden, wenn diese sie im Gegenzug nicht direkt wählen oder wieder loswerden können.



    Und Filterinstanzen sind für mich keine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Es gibt kein Recht darauf, ungehindert lügen oder hetzen zu dürfen.



    Im Falle Trumps stellt sich für mich die Frage, warum für den Präsidenten der Vereinigten Staaten andere Regeln gelten sollen, als für mich. Wenn ich bei Twitter mit Falschbehauptungen Leute aufhetze, fliege ich dort raus und das ist gut so.



    Man kann sich nicht jahrelang über Trumps "Twitter-Tiraden" beklagen und es falsch finden, dass Trump über Twitter Politik macht, um sich dann, wenn der Account gesperrt wird, über Twitter zu beklagen. Man muss irgendwelche Eier zerschlangen, wenn man ein Omelett will.

  • Was viele deutsche KommentatorInnen, Merkel inklusive, offenbar nicht verstehen, ist der fundamentale Unterschied zwischen Europa und den USA hinsichtlich der Redefreiheit. Der erste Verfassungszusatz der amerikanischen Verfassung berechtigt jeden zu nahezu jeder öffentlichen Aussage. Dementsprechend gibt es keine Gesetze gegen Volksverhetzung und nicht einmal gegen Beleidigung. Verleumdung (defamation) ist nur strafbar, wenn dem Verleumder der Vorsatz der Geschäftsschädigung unzweifelhaft nachgewiesen werden kann. Das bedeutet: in den USA ist es gerade nicht der Staat, sondern ausschließlich der Betreiber einer Kommunikationsplattform, der einen Rahmen für die auf der Plattform zulässigen Aussagen bilden kann. Hätten die USA Gesetze wie Deutschland, wäre Trump schon allein wegen Beleidigung zigmal angezeigt und verurteilt worden. Aber die Verfassung verbietet nun mal jeden staatlichen Eingriff in die Redefreiheit. Einzige, berühmte Ausnahme: Wer in einem vollbesetzten Theater laut "Feuer!" ruft, obwohl er weiß, dass es nicht brennt, und dadurch eine Panik auslöst, kann sich nicht auf den ersten Verfassungszusatz berufen.

  • Doch was, wenn Zuckerberg und Dorsey den Trump machen, die neue Regierung nicht anerkennen und sich weigern, ihre Konzerne zerschlagen zu lassen, stattdessen sich die "gestohlenen social media" aus dem Kapitol zurück zu holen?

    • @Stechpalme:

      Google hat es über YT ja nicht einmal geschafft, die Artikel 13 Debatte in der EU entscheidend zu beeinflussen und auch ihre aktuelle Kampagne mit anderen Tech Konzernen gegen den Digital Service Act der EU, ist ein Rohrkrepierer.

      www.nytimes.com/20...bbying-europe.html

  • Man sollte nicht so viele Fragen miteinander vermengen. Twitters Notbremse entspringt zunächst einmal der Tatsache, dass man zum Mittäter bei Verbrechen zu werden drohte. Politisch gesehen kommt diese Reaktion eher zu spät als zu früh. Helfen wird sie den IT- Konzernen gegenüber Regulierungsbestrebungen jedenfalls wohl kaum, Zensur ist die Sperre im Fall eines Präsidenten der USA aber natürlich auch nicht. Der kann jederzeit live vor die Journalisten und Kameras treten. Ob die Löschung von Trumps- Twitterkonto ein Präzedenzfall für die Zensur in Unterdrückungsregimen wie Russland oder China sein wird ist eine andere Frage. Auf dauerhafte Sperren werden sich die IT- Konzerne aber nicht einlassen können, kurzfristige Sperren zum Zwecke irgendeiner Gefahrenabwehr lassen sich nicht beliebig ift wuederholen. Versuche der Zensur gibt es und wird es weiterhin geben, Trump ist dabei aber keine taugliche Vorlage. Er ist nun wirklich kein in seiner Meinung Unterdrückter.

  • Die IT-Wirtschaft ist - kapitalismustypisch - stark konzentriert, doch die an einer Hand abzählbaren IT-Konzerne haben eigentlich noch viel mehr Macht als z.B. Auto- oder Energiekonzerne. Sie geht weit über rein wirtschaftliche Macht hinaus. Ganz übel: Die komplette Weltbevölkerung ist für die Herren der Digitalwelt ein offenes Buch, während die Konzerne selbst total intransparent sind. Niemand weiß, was sie genau sammeln, wie sie es tun, auf welche Art die Daten ausgewertet und zu Profilen verwurstet werden und welche Möglichkeiten der Manipulation sich daraus ergeben. Weniger werden es es in Zukunft eher nicht sein, die Digitalisierung schreitet gnadenlos voran.

    Bislang konnten sich die IT-Konzerne hinter ihrer zweifelhaften, ach was, verlogenen Firmen-"Philosophie" verschanzen, die Welt freier, kommunikativer und besser zu machen. Die tollen Möglichkeiten der Technik und ihre smarte Verpackung - jeder kann mitmachen, selbst Oma und Opa - überdeckte alles. Oma und Opa haben nicht den leisesten Schimmer, was hinter dem Display geschieht, und das trifft leider auch auf diejenigen Trottel zu, die Merkel wegen #Neuland auslachten. Tatsächlich sind die IT-Konzerne Macht ohne demokratische Legitimation und ohne demokratische Kontrolle.

    Nun muss das Silicon Valley Farbe bekennen. Spätestens jetzt ist klar, dass sich die IT-Plutokraten nicht mehr hinter der Formel "Wir sind doch nur Dienstleister" verstecken können. Doch ist es damit getan, Twitter entscheiden zu lassen, wer posten darf und wer nicht? Das kann's nun wirklich nicht sein. Internet müsste eigentlich schon lange eine staatshoheitliche Aufgabe sein - mit strammen Regeln und engmaschigen Kontrollen, die sicherstellen, dass ein freies, selbstbestimmtes Leben trotz Digitalisierung möglich bleibt. Und genauso müsste der Rechtsstaat - und nicht Twitter - festlegen, wo die freie Meinungsäußerung im Internet aufhört und Straftatsbestände wie Aufhetzung beginnen.

    • @zmx52:

      Sie vermischen hier etwas, der Rechtsstaat legt fest wo die Meinungsfreiheit aufhört, in den USA herrscht aber nicht Meinungsfreiheit, sondern Redefreiheit. Das deckt auch Falschbehauptungen und viele andere Dinge ab, geht also viel weiter. Ob Trump gegen Gesetze mit seinen Tweets verstoßen hat, möglich, aber auch Hasseiten wie der Daily Stormer oder Stormfront werden von dieser Redefreiheit geschützt und sind nicht illegal, trotzdem haben Firmen wie cloudflare oder GoDaddy ihren Account nach der Demo 2017 in Charlottesville gesperrt.

      Es muss auch Tech Firmen im Rahmen der Vertragsfreiheit möglich sein zu sagen, du verstößt zwar nicht gegen die im Land geltenden Gesetze, aber wir wollen aufgrund deines Verhaltens/deiner Ansichten keine Geschäftsbeziehung mit dir unterhalten.

      Ich sehe keinen Rechtsanspruch, auf das verbreiten von Bullshit über private Firmen.

      • @Sven Günther:

        > "Ich sehe keinen Rechtsanspruch,



        > auf das verbreiten von Bullshit über



        > private Firmen."

        Ein gutes Stück gesellschaftlicher Teilhabe ist aber gar nicht mehr möglich ohne die Dienste dieser "privaten Firmen".

        • @zmx52:

          "Ein gutes Stück gesellschaftlicher Teilhabe ist aber gar nicht mehr möglich ohne die Dienste dieser "privaten Firmen". (ZMX52)

          Sie haben aber merkwürdige Ideen.



          Vielleicht liegt es daran, dass es mittlerweile bereits Generationen gibt die sich ein Leben ohne PC und Internet gar nicht mehr vorstellen können; Menschen die quasi mit dem Handy an der Nabelschnur auf die Welt kommen und in Folge dessen dessen Existenz für naturgegeben halten.



          Wir etwas älteren Semester - die aus eigenem Erleben wissen dass es ein Leben vor und ohne Internet nicht nur gab, sondern dass es sogar teilweise deutlich stressfreier war - wir sehen das mitunter anders. Ich verzichte lieber gleich freiwillig auf die "Teilhabe" an so einer ständig aufgeregten Plapper-Gesellschaft. Ich lass mich nicht ver-app-eln und vermisse dabei überhaupt nichts.



          Was soll ich mit all diesen vermeintlich "sozialen" Klapper-und Plapper-Accounts die mich ständig mit nutzlosen "Infos" zuschütten die ich weder brauche, noch dass ich sie will. Mir reicht das morgendliche Gewäsch das meine boshafte Nachbarin regelmäßig unaufgefordert beim Bäcker über ihre Nachbarn in die Welt setzt.



          Also entspannen Sie sich - und überlegen Sie mal ob es nicht erstrebenswert wäre sich manchen Bullshit vom Leibe zu halten indem man sich halt nicht in jedem Kuhstall rumtreibt. Echte Medienkompetenz offenbart sich in der Fähigkeit zu erkennen wann ich deren Dienste überhaupt brauche, sie bei Bedarf zu nutzen, aber auch darin sie sich vom Leibe halten zu können.

        • @zmx52:

          Ich fühl mich ohne twitter/fb/instagram/wasweißich-account ned an meiner gesellschaftlichen Teilhabe gehindert.



          Jeder Quatsch (und manchmal auch sinnvolles, ist aber die Minderheit), was, hm, "Personen des öffentlichen Interesses" verbreiten, wird eh von den (digitalen) Medien frei verfügbar aufbereitet. Und totalitäre Regimes schränken die Verfügbarkeit der Dienste ein, also müssen dortige Dissidenten sowieso andere Verbreitungskanäle für wichtige Infos verwenden.



          Daß "schmutzige Wäsche" auch in meinem erweiterten sozialem Umfeld gerne in den sozialen Netzwerken sauber werden soll, bestärkt nur meine Abneigung, da auch noch mitzwitschern und -lesen zu wollen. Meist wirds eh absurd, und daß fake news und shitstorm im "Kleinen" halt Gerüchte und Niedermachen heißen ist nu auch nix neues. Ned mein Ding, noch nie gewesen.

          • @Hugo:

            Und umgekehrt: Menschen in prekären Lebensverhältnissen sind auch MIT twitter/fb/instagram/wasweißich-account an ihrer gesellschaftlichen Teilhabe gehindert.

        • @zmx52:

          Ohne Teilhabe bei diesen "privaten Firmen" habe ich doch glatt überlebt in diesen Zeiten. Das ist die Wahrheit, etwas ironisiert.



          Wahrheit, Klarheit, Transparenz.

        • @zmx52:

          Wenn Twitter oder FB ihren Acc mit permaban zurück zur Quelle schickt, ist das Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe?

          Dafür hätte ich gerne eine sachliche Begründung.

  • Natürlich ist das problematisch. In diesem Fall nötig und begrüßenswert, aber man stelle sich mal vor, all diese Firmen wären auf der Seite der Trumpisten (Konzerne auf der Seite von Rechten ist ja nicht gar so selten) und würden jetzt stattdessen Trump mit allen Mitteln unterstützen und Demokraten und Liberale entplattformen und rauswerfen. So wie das in Ungarn und Polen und Russland und der Türkei war und ist. Hmm.

    Reine Glückssache in den USA, dass es da aus verschiedenen Zufällen andersrum ist. Vielleicht nicht nur Glückssache, Ok, aber so richtig unschuldig freuen kann man sich über sowas nicht. Die Macht der Konzerne ist besorgniserregend.

    • @Mustardman:

      Vielleicht wäre es weniger problematisch, wenn die Techkonzerne nicht nur Trump sondern auch so Leute wie Khamenei sperren würden, der Tag ein Tag aus zur Vernichtung Israels twitterte. Das scheint die Tech Konzerne aber weniger zu stören.

      • @Betty Bos:

        Da liegt es aber primär an der Sprachbarriere. Khamenei twittert auf Englisch, sogar auf Italienisch, aber in der Regel keine Sachen aus denen man ihm einen Strick drehen könnte.

        Sobald es persisch (oder in anderem Kontext: arabisch etc) wird, sind Hass und Hetze fast alle Türen geöffnet, denn dann wälzen die (westlichen) Konzerne es auf die Nutzer*innen ab: ohne Leute wie die von "Operation Ice ISIS" würden noch nicht mal Daesh-Accounts gesperrt: www.theatlantic.co...is-twitter/409312/



        Laut ihren eigenen Nutzungsbedingungen müssten Twitter und Facebook da selbständig aktiv werden, aber man muss sie buchstäblich zum Handeln zwingen, indem man sie mit Sperraufforderungen flutet, bis das automatisierte System überlastet ist und sich ein echter Mensch der Sache annimmt - mit etwas Glück sogar ohne auf Google Translate angewiesen zu sein. (Ich weiß nicht, wieviele arabischsprechende Leute Twitter da einsetzt, aber angesichts der Zahlen die ich für andere Sprachen gesehen habe, können es nicht mehr als ein paar Dutzend sein. Persisch eher noch weniger.)