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Medienkonsum am rechten RandDieselben News, anders gedreht

Woher bekommen Rechte, Aluhüte und sonstige Spinnende so ihre Nachrichten? Na, aus den klassischen Medien, genau wie alle anderen auch.

Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, November 2020 Foto: Stefan Zeitz/imago

A llgemeingültigkeit ist immer der Fehlschluss von sich auf andere. Da wäre zum Beispiel die These, dass alle Rechten/Aluhüte/sonstigen Spinnenden in ihrer Filterblase gefangen seien: bestens umsorgt von den eigenen, „alternativen“ Medien. Und deshalb: Kannste nix machen, kommste eh nich ran. Eine Untersuchung des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) legt jetzt aber nahe, dass sogenannte alternative Medien für Rechtsextremisten eine geringere Bedeutung haben als bislang angenommen.

Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Rechtsextreme die als „Lügenpresse“ diffamierten Medien wahrnähmen und sogar brauchten. Ach guck! Die Szene lese dasselbe politische Tagesgeschehen, bediene sich aber Mechanismen, um es in ihrem Sinn darzustellen. Man hat dafür Facebook- und Twitter-Profile bundesweit wichtiger rechtsextremistischer Gruppen und Einzelakteure ausgewertet. Nur knapp ein Viertel der untersuchten Posts und Tweets stammten aus „alternativen“ Medien. In mehr als drei Vierteln aller Fälle liefern also klassische Medien das „Argumentationsmaterial“.

Die geposteten Artikel seien für sich genommen überhaupt nicht rechtsextremistisch, würden aber „in einer Art und Weise präsentiert, die sich nahtlos in ein rechtsextremistisches Weltbild einfügt“, sagt Ann-Christin Wegener. Wegener leitet beim LfV Hessen die – Achtung, einatmen – „Phänomenbereichsübergreifende wissenschaftliche Analysestelle Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“, kurz PAAF.

Fast wäre es bequemer, bei der Idee von der Filterblase zu bleiben. Passt aber leider nicht, weshalb auch die klassischen Medien nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden können. Natürlich können sich Medien nicht davor schützen, dass man ihre Inhalte aus dem Zusammenhang reißt, verdreht und dann phänomenbereichsübergreifendend missbraucht. Sie sollten sich diese Möglichkeit aber stärker vor Augen führen.

Bitte auf dem Teppich bleiben

Die wesentliche Frage ist, welchem Affen man mit welcher Berichterstattung, Kommentierung und/oder emotionaler Zuspitzung da eigentlich Zucker gibt. Denn letztlich geht es allen Rechten/Aluhüten/sonstigen Spinnenden immer nur um eins: maximale Aufmerksamkeit.

Heißt: Wir brauchen nicht gleich den nationalen Notstand ausrufen, nebst Ansprache des Bundespräsidenten, wenn Kleingruppen versuchen, in einer sitzungsfreien Woche in den Reichstag zu latschen. Symbole hin oder Werte her, wir sollten auf dem Teppich bleiben. Wer sich dadurch um seine wohlig-schauernde Dystopie gebracht sieht, kann ja Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ lesen. Von dem stammt übrigens auch der erste Satz.

Links lesen, Rechts bekämpfen

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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14 Kommentare

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  • @Blackheroe: hmh, also wenn Temme "zufällig" ins RP versetzt wurde, hat er ja vielleicht "zufällig" Dr. Lübckes Gewohnheiten ausspioniert, die dann "zufällig" in der rechten Szene gelandet sind und "zufällig" zu seiner Ermordung beigetragen haben

  • Guter Artikel, selten so gelacht. Kann man sich merken, die Formulierungen - Realsatire pur!



    @Blackheroe: Die Versetzung ist ja ein beliebtes Mittel, um unliebsame MA´s loszu werden. Im Fall von Behörden, dann aber meist auch durch eine Versetzung nach oben. Siehe Maaßen - also fast -. Seinem Ruf hats nicht geschadet, er tingelt immer noch durch volle Clubs und verbreitet seinen an den Haaren herbeigezogenen Quatsch. Also ich wäre vorsichtig mit "kann ja keinen Schaden mehr anrichten".

  • Um das Lesen verschiedener Medien von FAZ bis taz kommt man nicht herum.

    Persönlich auch gern Wirtschaftszeitungen wie Handelsblatt, WirtschaftsWoche und tatsächlich auch das Manager Magazin. Kann man jetzt motzen, doch dieses ist wirklich gut geführt und vertritt konsequent das Prinzip des Ehrbaren Kaufmanns.

    Mir geht es unbedingt um verlässliche Eckdaten. Hieraus lassen sich künftige nationale und internationale Entwicklungen oft schon lange vorher absehen.

    Die a- bzw. antisozialen Medien interessieren mich dagegen nicht die Bohne. Habe ich mich bereits vor Jahren ausgeklinkt.

    Filterblasen lassen sich in alle Richtungen beobachten.

    Bestimmte Ereignisse, und die jeweilig gefärbten Reaktionen kommen wie das Amen in der Kirche.

    Lob an die taz, die zwar selbstverständlich auch ihren Stiefel durchzieht, jedoch auch Gegenmeinungen bringt, die bei SPIEGEL oder ZEIT in ihrer rigiden tiefdogmatischen Political Correctness gecancelt wären.

    Doch wen interessiert Political Correctness?

    Die durchaus ihre Berechtigung hat, wenn sie Minderheiten schützen möchte.

    Die aber mittlerweile so ausgeartet ist, dass sie wie ein gewaltiges Kontrollorgan wirkt, welches die Wirklichkeit verzerrt und die Glaubwürdigkeit der Presse unterminiert.

    "Sagen, was ist". Der beste Leitsatz, den ich kenne.

    Alles andere beleidigt die Intelligenz der Leser.

    Habe ich das Gefühl, Journalist*innen nehmen ihre Leser ernst und respektieren diese als intelligentes Publikum, reagiere ich mit Dankbarkeit.

    • @shantivanille:

      Also das mit dem "Ehrbaren Kaufmann" und dem Manager-Magazin kann ich so definitiv nicht unterschreiben, dort herrscht für mein Dafürhalten durhus purer, unhinterfragter Kapitalismus. Allerdings lese ich tatsächlich auch manhmal Artikel dort, weil es immer von Vorteil ist sich seine Meinung aus möglichst unterschiedlihen Quellen zu bilden und auch zu verstehen wie die "Gegenseite" denkt.

  • Dank des Internets kann man sich problemlos duch verschiedenste Medien informieren, die das ganze spektrum von links bis rechts abdecken.

    Man stellt dann ganz nüchtern fest dass die Berichterstattung immer wieder widersprüchlich ist, oder manche Informationen verschwiegen werden, die man dann anderswo zu lesen bekommt.

    So kommt man halt immer wieder ins Nachdenken, ohne dass dies etwas mit "links" oder "rechts" zu tun hat.

    Medien versuchen durchaus ihre Leser in eine bestimmte politische Richtung zu dirigieren.

  • Interessanter Artikel. Eine ähnliche Untersuchung bezüglich Echo-Kammern wäre wünschenswert. Sich immer und immer wieder gegenseitig bestätigende Meinungen zuzuwerfen halte ich für sehr problematisch. Die Menschen müssen wieder mehr zueinander finden.

  • Ja richtig.

    Das ist eine schlimme Strafe. Der Entzug von Aufmerksamkeit.

    Obwohl ihn das noch wütender macht. Wirkungsvoll ist die Art und Weise wie die Mutter mit ihrem jähzornig gewordenen Kind umgeht.

    Ja, wo hat er denn sein Wehwehchen?

  • "Da wäre zum Beispiel die These, dass alle Rechten/Aluhüte/sonstigen Spinnenden in ihrer Filterblase gefangen seien: bestens umsorgt von den eigenen, „alternativen“ Medien. Und deshalb: Kannste nix machen, kommste eh nich ran"



    Das deckt sich allerdings mit meiner leidvollen persönlichen Erfahrung mit Verschwörungsfanatikern. Teflon ist nix gegen die. Z.B. Bill Gates will impfen ist also böse. Nun kommt ausgerechnet der "gute" Wladimir Putin als erster mit einer Impfung. Müsste er doch auch böse sein. Ist er aber nicht, er ist ja Putin und der kann per Definition nicht böse sein, selbst wenn das anderen "Grundwerten" der Verschwörungssüchtigen widerspricht. Was kommt als Reaktion? "Ach, vielleicht hat er ja was gefunden, ich werd mich jedenfalls nicht impfen lassen." Gefolgt von desinteressiertem Schulterzucken und sofortigem Vergessen. Eine Leistung, die ich im Übrigen heimlich bewundere: alles, was einen stört oder irgendwie nicht passt in die Argumentation nicht einmal mehr zu ignorieren. Ich wünschte, ich könnte das. Impfgegner? Was für Impfgegner?

    • @Stechpalme:

      "Ich wünschte, ich könnte das. Impfgegner? Was für Impfgegner?"

      lol. stimmt. =)

  • Hier unterliegt der Autor dem Fehler in der Allgemeingültigkeit. Meiner Beobachtung nach gilt das durchaus für Rechte, nicht aber für die Aluhüte, von denen kommen eigentlich nie Links zur Tagesschau, taz oder sonstigen, sondern immer zu Videos von Jebsen, Baghdi und Konsorten.

    • @Gefahrengebietler:

      Ja, aber die neuen Naivmedien liefern eben nur den Filter. Wenn man sich mal das Finanzierungsmodell anschaut - Spenden und Werbung, ggfs Sponsoring irgendwelcher rechter Mäzene - dann müssen die Clickbait produzieren, um nicht pleite zu gehen, d.h. eine umfassende Themenabdeckung gibt's nicht, es werden nur einzelne neuralgische Punkte bearbeitet.



      Wenn man also mal bei weniger aufmerksamkeitsträchtigen Themen nachhakt, wie die Alubommeln davon mitbekommen haben - wo Rubikon, RT und Jebsen nicht berichten oder nur sekundär kommentieren -, dann kommen in der Regel: Springer, FAZ, ZDF, gern auch Tagesschau und Focus. Aus irgendeinem Grund scheinen viele von denen keine Folge der heute-show zu verpassen.



      Verbreiten tun sie das fast nie - aber die Frage war nicht, was die verbreiten, sondern was sie lesen. Und da ist die selbsternannte Avantgarde des Verborgenen Geheimwissens so stinkbürgerlich-stumpf wie nur was.

      Anders gesagt: wenn es zB um ein wissenschaftliches Thema geht, ziehen sich aufgeklärte, medienkompetente Deutsche ein Erklärvideo von Mai Thi Nguyen-Kim o.ä. rein. Der "Querdenker" liest das Feuilleton der FAZ oder WELT, und hält sich für fachlich sauber informiert.

      Und da trifft Herr Grimberg ins Schwarze: die "Leitmedien" sind in ihrem Wettrennen um Pagerank und "die Mitte" selbst zu einer inhaltlich verflachten Echokammer ihrer selbst geworden: der Warenwert journalistischer Produktivität sticht den Informationswert aus. (Vergleiche die heutzutage gängige Forderung - die "Mainstreammedien" und "Querdenker" teilen -, eine Berichterstattung solle "neutral" sein. Früher hieß es "unabhängig und überparteilich", was ja völlig korrekt und vor allem machbar ist. Aber alles, was über eine umfassende, unkommentierte Auflistung nackter Zahlen und Daten hinausgeht, kann niemals "neutral" sein.)

  • Der immer noch sogenannte “Verfassungsschutz” (und dann auch noch der hessische!) muss es wissen, ist er doch tief verstrickt in die Neonazi-Morde des NSU. Man denke nur an den NSU-Mord in Kassel, bei dem “Verfassungsschutz”-Mitarbeiter Andreas Temme anwesend war – und nichts mitbekommen haben will.

    Diesen deutschen Inlandsgeheimdienst als Quelle zu verwenden, und das zu diesem Thema, ist schon eigenwillig.

    • @Volker Birk:

      @Volker



      Gibt sogar Sinn, Ihr Hinweis auf den "VS"!



      Wer "nachweist", dass "dass sogenannte alternative Medien für Rechtsextremisten eine geringere Bedeutung haben als bislang angenommen.", wird auch gerne argumentieren, dass man die ja gar nicht so genau beobachten muss - betreuen schon ;-)

    • @Volker Birk:

      Der V-Mann Führer, der auch zufällig gerade in Köln war, als dort ein NSU Mord geschah, wurde doch nach seiner amtlichen Falschaussage, die dem VS so wohl lieb war, amtlich strafversetzt. Nämlich in das Regierungspräsidum unter damals noch Lübcke. Damit ist doch vom VS sichergestellt worden, dass Temme keinen Schaden mehr anrichten kann, insbesondere für den Ruf des Verfassungschutzes.