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Umweltkosten von LebensmittelnNur der wahre Preis ist heiß

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Es ist natürlich eine PR-Aktion von Penny. Doch die Leute müssen endlich wissen, welche Produkte hohe Schäden für die Gesellschaft verursachen.

Der Staat sollte die Preise umweltschädlicher Lebensmittel anheben Foto: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

E s ist natürlich eine reine PR-Aktion: Der Discounter Penny will demnächst neben den normalen Preisen von Lebensmitteln Beträge inklusive der Umweltkosten angeben, die bei der Produktion entstehen. Der Umweltpreis von Hackfleisch beispielsweise ist fast dreimal so hoch wie der derzeit gezahlte Preis. Denn bei der Tierhaltung entstehen große Mengen Treibhausgase, die Gülle belastet das Wasser. Aber: Penny will diese „wahren Preise“ nur in einem „Nachhaltigkeitsmarkt“ in Berlin auszeichnen und auch nur für insgesamt 16 Eigenmarkenprodukte der Handelskette.

Dennoch weist die PR-Aktion auf ein echtes Problem hin: Besonders die konventionelle Landwirtschaft hat einen Großteil der Kosten für die von ihr verursachten Umweltschäden externalisiert, also auf die Gesellschaft abgeschoben. Ein Beispiel: Schweinefleisch ist auch deshalb so billig, weil große Betriebe so viele Schweine halten. Deshalb konzentriert sich die Gülle etwa im Emsland so stark, dass ein Teil im Grundwasser landet, aus dem Trinkwasser gewonnen wird. Die Folge: Wasserwerke müssen belastetes Grundwasser filtern oder verschneiden mit sauberem. Das erhöht den Wasserpreis.

Wenn die Konsument*innen im Supermarkt am Preis erkennen könnten, welches Produkt höhere und welches geringere Schäden für die Gesellschaft verursacht, trägt das zur umweltpolitischen Aufklärung bei. Viele würden dann voraussichtlich umweltbewusster einkaufen.

Doch dass Supermarktketten die Umweltpreise im Alleingang angeben, reicht nicht. Denn sie könnten sich auf die Produkte beschränken, bei denen es ihnen passt. Zudem könnte niemand überprüfen, ob die Preise sauber errechnet wurden.

Deshalb sollte der Staat die Preise umweltschädlicher Lebensmittel anheben, zum Beispiel durch eine Steuer auf den Treibhausgasausstoß in der Landwirtschaft, durch eine höhere Mehrwertsteuer für Fleisch oder eine Abgabe auf Pestizide. Wenn so auch Importe verteuert würden, hätten die Bauern in der Europäischen Union dadurch auch keine Wettbewerbsnachteile.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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9 Kommentare

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  • Staatliche Lenkung!? Wer/was bitte schön, rechtfertigt den noch tieferen Griff in welche Hosentaschen!?

    Die von Herrn Maurin geforderten Maßnahmen führten doch wohl genau dahin, wo wir derzeit gestrandet sind. Was in diesem Artikel leider wiederum vollkommen ausgeblendet wird, ist die perfide Realität, dass wir mehr als ein Drittel unserer bäuerlichen Erzeugnisse mittlerweile vollkommen schmerzbefreit auf den Biomüllbergen entsorgen. Damit leisten wir uns bewusst ein äußerst dekadentes, kaum mehr zu rechtfertigendes System.

    Führen Herrn Maurins journalistische Anregungen nicht schlichtweg dahin, dass wir noch mehr Nahrungsmittelentsorgungsprobleme haben werden? Wahrlich (k)eine Meisterleistung!

    Sinnvolle Alternativen in den mannigfaltigsten NON-FOOD-Bereichen zum Nutzen von Mensch, Tier und Natur schweigt man nach wie vor in der LW von Seiten einer verantwortungsbewussten Politik u. auch selbst von unseren umweltkritischsten Journalisten in sämtlichen Diskussionen bewusst tod. Warum ist dem so!? Mangelt es wirklich nur an einer kreativen Ideenvielfalt!?

    Jeder weiß heute, dass unsere unverzichtbare Individualmobilität z.B. förmlichst nach verschiedenen Lösungskonzepten schreit; ein unerschöpflich aufnahmefähiger Markt.

    Es ist sehr traurig, auf der Anklagebank zu sitzen, während andere den lautstarken Weckruf der Biomüllberge noch immer nicht zu hören vermögen...!

  • 1G
    15610 (Profil gelöscht)

    ...es ist und bleibt die immer gleiche fantasielose Leier : Steuern erhöhen und das Übel ist behoben.



    Höhere Preise führen allenfalls zur zwangsläufigen Konsumreduktion bei sozial schwächeren Schichten. Alle anderen zahlen mehr, damit alles weiter läuft wie bisher, oder sie zahlen dem Landwirt über den Umweg von Subventionen den Umbau der Ställe. Missstände werden nicht durch Steuererhöhungen behoben, sondern durch die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen, im Zweifel ein Verbot wie bei Glyphosat. Ähnliches gilt für den Ruf nach einer Plastiksteuer etc.etc.



    Abgesehen davon geht der "wahre Wert" eines Nahrungsmittels weit über das hinaus, was sich mit einer simplen Kostenanalyse der Produktionskosten darstellen ließe. Dasselbe gilt für die mittlerweile weit verbreitete Unart bei der ethischen Beurteilung ausschließlich Maßstäbe der Co2 Bilanz anzulegen.

  • Dass man Umweltschäden/-verbrauch/-zerstörung einfach so mit Geld bezahlen kann - wie alles im Kapitalismus - ist echt ein Denkfehler.

  • Natürlich werden wahre Preise jetzt nur bei wenigen Produkten angegeben. Die Befürchtung ist, dass die Käufer in die Geschäfte abwandern, wo sie nicht auf die Folgen unseres Preissystems und ihres Kaufverhaltens hingewiesen werden. Wer von uns ist bereit, die "realen/angemessenen" Preise zu bezahlen, wenn die höher sind und auf anderes dann verzichtet werden muss?

  • Ein Beitrag zu dem " verseuchten " Wasser im Emsland.



    www.noz.de/lokales...edenkenlos-trinken



    Und noch ein kleiner Tipp, Herr Maurin



    auch Bio-Schweine müssen Scheißen

  • 9G
    95692 (Profil gelöscht)

    Wenn dann bitte Konsequent alles verteuern. Nicht nur Fleisch, sondern auch Obst und Gemüse, ich denke da an den Co2 Ausstoß für den Transport z.B. mit dem Flugzeug, den Enormen Wasserverbrauch von Avokados.



    www.geo.de/natur/n...upermaerkte-listen

    Oder Kleidung. Mensch denke nur an die Löhne und die Lebensbedingungen der Näher/innen in Bangladesch, dann den Transport um die halbe Welt.



    www.tagesspiegel.d...ssen/19974654.html

    Oder Elektro Artikel. Hergestellt in China und als Müll nach Afrika verbannt wo es eine enorme Umweltbelastung darstellt.



    www.planet-wissen....ektromuell100.html

    In letzter Konsequenz müssten wir alle das konsumieren, was der heimische Vor- oder Schrebergarten hergibt. Einige ärmere Russen können das doch auch.

  • Ob Menschen "vernünftiger" konsumieren, nur weil ein Umweltfolgenpreis dransteht, wage ich zu bezweifeln. Siehe Automobil.

  • Wäre völlig richtig, leider wird das nur passieren wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Wenn es an die Bequemlichkeit und den Konsum geht, laufen die Leute Amok (wie man zur Zeit bei den "Coronaskeptikern" sehen kann). Das wird niemand in der Politik riskieren wollen. Es ist ja einfacher, den gigantischen Schaden auf kommende Generationen abzuwälzen.

    Die Schweinerei wird wohl leider weitergehen.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Müsste ja eigentlich heißen: Umweltkosten von Leben!

    Wie kann man einen Preis für die Umwelt ausrechnen? Kann man saubere Umwelt irgendwo kaufen?



    Wer bekommt das Geld? Die Natur? Oder stellen wir jemanden an, der die Gülle wieder aufwischt, die der Bauer ausbringt?



    Bei höheren Lebensmittelpreisen, was sollen die Armen essen? Kuchen?



    Fragen über Fragen.