Digitales Lernen in Corona-Zeiten: Microsoft erobert die Schulen
Bayerns Schulen können bald „Teams“ von Microsoft für Videokonferenzen nutzen. Datenschützern und der Open-Source-Community gefällt das nicht.
Digitale Lernsysteme boomen in Zeiten von virusbedingter Schulschließung und Fernunterricht. Allerdings war der Markt der Schulclouds und Konferenztools bisher weitgehend in Händen mittelständischer Unternehmen wie IServ aus Braunschweig oder digionline aus Köln. Gegen die Anwendung von Microsoft-Produkten leisteten Datenschützer zum Teil heftigen Widerstand.
Bayern wischt diese Bedenken nun beiseite. Kultusminister Piazolo (Freie Wähler) sagte der taz: „Ich gehe davon aus, dass die Bereitstellung eines Videokonferenztools der Firma Microsoft Corporation nicht gegen die Datenschutzgrundverordnung DSGVO verstößt.“ Genau da aber liegen die Bedenken vieler Landesdatenschützer.
Bisher ließ sich etwa im Austausch der Konferenz der Landesdatenschutzbeauftragten mit Microsoft nicht zweifelsfrei klären, ob bei regelmäßigen automatischen Funktionskontrollen personenbezogene Daten in die Zentrale von Microsoft in Redmond abfließen. Zusätzlich unterliegt das US-Unternehmen dem Cloud-Act, das heißt, Microsoft muss auf Ersuchen der Sicherheitsdienste der Regierung von Donald Trump die Daten seiner Kunden herausrücken – bei Verdacht nun auch die bayerischer Schüler:innen.
Daten von Schüler:innen können in die USA fließen
Wie sensibel diese Daten sind, sieht man beim Blick auf jene Informationen, die Microsoft Teams speichert. Die Vor- und Zunamen der Schüler, ihre Zugehörigkeit zu Klassen und Kursen, die E-Mail-Adresse, die Profileinstellungen, sogar das verschlüsselte Passwort, der Anmeldename und vieles mehr wird dokumentiert. Alle diese Daten können auch „in Länder außerhalb der Europäischen Union („Drittstaaten“, z. B. USA) übermittelt werden“. So steht es in einem Papier aus dem Kultusministerium, welches der taz vorliegt. Mit dem Grundrecht der Schüler:innen auf informationelle Selbstbestimmung dürfte die Weitergabe derart vieler Daten wenig zu tun haben.
Bedenken kommen gerade aus der Open-Source-Szene. „Es ist nur schwer nachvollziehbar, dass Bayern jetzt auf Lösungen setzt, bei denen die sensiblen Schülerdaten in Europa der Kontrolle des Schulsystems entrissen werden“, sagte Peter Ganten, Vorsitzender des „Bundesverbandes für digitale Souveränität“. Ganten begrüßte es, dass die Länder Schulen digital besser ausstatten wollen. „Kein Land und kein Freistaat ist aber gezwungen, zu Closed-Source-Alternativen von Microsoft oder Zoom zu greifen, um Lehrern und Schülern einen guten Krisenunterricht zu ermöglichen.“
Noch deutlicher wird der Leipziger IT-Anwalt Peter Hense. „Technikpfusch oder heimliche Überwachung haben auch in der Coronakrise nichts verloren“, sagte er der taz. Hense betonte, „dass US-Behörden über die Daten aus jeder Microsoft-Niederlassung die volle Verfügungsgewalt haben.“ Man müsse das nicht schlimm finden, solange die USA ein demokratisches Land mit Checks und Balances seien. „Aber man sollte vielleicht die Kinder und Jugendlichen selbst fragen, ob sie möchten, dass ihre privaten Teams-Chats auch von US-Sicherheitsbehörden ausgewertet werden können“.
Auf Zeit der Krise begrenzen
Über diese schmale Brücke lässt Bayerns Kultusminister die Schüler balancieren. Er will die Nutzung von Microsoft in der „corona-bedingten Sondersituation“ an die „gesamten Schulfamilie“ weitergeben. Eltern und Schülern ist es überlassen, der Nutzung von Teams zuzustimmen. Nur, was sollen Schüler:innen tun, wenn ein Großteil der Klasse das umstrittene Videotool akzeptiert? Bei Nichtunterzeichnung wären sie damit de facto vom Video-Unterricht ausgeschlossen.
Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri verlangt daher vom Kultusminister ausdrücklich, Schülern auch „andere Kommunikationsmöglichkeiten an der jeweiligen Schule“ anzubieten. Petri sagte der taz, die Fragen der Datenschützer an Microsoft blieben bestehen. Er betont „die Wichtigkeit klar begrenzter Vertragslaufzeiten“. Das heißt: die Nutzung von Microsoft Teams sei auf die Zeit der Coronakrise zu beschränken.
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