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Debatte um RundfunkbeitragBierpreis als Richtwert

Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist immer wieder Anlass für populistische Zwischenrufe. Das ließe sich leicht vermeiden.

Der Bierpreis bleibt stabil, aber die Kneipen geschlossen Foto: Noah Wedel/imago

D ie Medienpolitik braucht Rituale. Die Prozedur zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist so eines. Da haben die Regierungschef*innen der Länder neulich die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab 2021 um 86 Cent beschlossen. Nun müssen die zuständigen Landtage diesen neuen Betrag von 18,36 Euro pro Monat noch ratifizieren. Doch bevor das geschieht, meldet sich wie schon bei vielen Erhöhungen zuvor verlässlich ein Schwung Bundestagsabgeordneter der Union.

Sie erklären mit großer Sorge, diese Erhöhung sei dem Volk nicht zuzumuten. Diesmal natürlich wegen Corona: „Während in Betrieben und Privathaushalten durch die Coronapandemie gespart werden muss, darf der Rundfunkbeitrag nicht erhöht werden“, heißt es in einem Schreiben der Politiker*innen an die Ministerpräsident*innen. In diese Zeit passe eine Erhöhung in keiner Weise und könne den Bürgern nicht erklärt werden.

Jetzt könnte man diesem Ansinnen leicht die kalte Schulter zeigen und einfach mal darauf pochen, dass der Bundestag und seine Abgeordneten gar nicht zuständig sind für die Frage nach dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und wie er finanziert wird. Das ist in Deutschland nun mal Ländersache. Wie ja auch der größte Schwung der Maßnahmen in Sachen Corona-Abwehr.

Oder darauf hinweisen, dass sich die besagten Abgeordneten doch lieber mal freuen sollten. Schließlich fordern ARD, ZDF und Deutschlandradio anders als Deutsche Bahn, Lufthansa und Co. nicht auch noch einen milliardenschweren Schluck aus der Coronapulle. Obwohl auch bei ihnen bestimmt Mehrkosten für plötzliches digitales Nachrüsten, Einrichten von Heimbüros oder Dauersitzungen von Krisenstäben anfielen.

Zwei Maß oder ein Monat Öffentlich-Rechtliche

Um mit solchen Ritualen aufzuräumen, hatten Sender und Medienpolitik zwischenzeitlich mal die Idee, den Beitrag einfach an einen Index zu koppeln. Bevor sie sich überlegen konnten, welcher Index da als Grundlage geeignet sein könnte, war die Geschichte aber schon wieder zerredet.

Nun kann wegen Corona dieses Jahr der Bierpreis beim Oktoberfest nicht steigen, weil das Fest ausfällt. Das Bier wird ja sonst jedes Jahr verlässlich teurer. Diesen urdeutschen Bierindex könnte man doch prima für den Rundfunkbeitrag heranziehen, schlägt die Mitbewohnerin vor.

2005 ging Besaufen noch für 7,25 Euro pro Maß. Die Fischer-Vroni nahm 2019 satte 11,70 Euro. Der Rundfunkbeitrag – früher die Rundfunkgebühr – lag 2005 bei 17,03 Euro. Für 15 Jahre macht das einen Index von 1,61 beim Bier und 1,02 beim Rundfunk. Würde man letzteren Beitrag entsprechend dem Bierpreis erhöhen, läge er heute bei 27,42 Euro.

Die Union-Abgeordneten können sich also entscheiden, was ihnen teurer ist: zwei Maß auf der Wies’n oder einen Monat Information, Kultur, Unterhaltung bei ARD und ZDF.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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7 Kommentare

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  • Wo ich ein gutes Bier trinken und eine gute Unterhaltung herbekommen kann, weiß ich, trotz Corona. Aber nennen Sie mir bitte die Adresse, wo ich für das selbe Geld heutzutage bei ARD und ZDF gute Informationen, Unterhaltung und Kultur herbekommen kann ?

  • Die Unionsabgeordneten sollten sich lieber fragen, was dem Bürger teuer ist. Dann kämen sie bestimmt bald auf die Idee, dass der das in einem freien Land gerne selbst entscheiden würde.



    Nur weil die Politiker Anfang der Achtziger die ÖR an das Free-TV gefesselt haben, muss der nämlich heute auf sein Selbstbestimmungsrecht verzichten. Die Politik ist für die Bürger da, nicht umgekehrt.

  • Dass ein ehemaliger Redakteur des NDR und Sprecher der ARD-Vorsitzenden so etwas schreibt, ist nicht verwunderlich. Aber warum bietet die taz ihm eine Plattform? Die staatlich finanzierten Medien graben den freifinanzierten doch das Wasser ab.

  • Bierpreis als Richtwert ist eine gute Idee. Monatsgebühr = Preis eines Hefeweizen, 5 Euro?



    Das Deutschlandradio bietet eine Grundversorgung für 50 cent pro Monat an. Fernsehen mag teurer sein, aber 5 Euro pro Monat wäre ein guter Richtwert für eine Grundversorgung.



    Fußball & Olympia müsste dann dann wohl bei Eurosport gucken, die große Schlagerhitparade bei den Privaten und Serien bei Netflix.



    Ein Problem wäre ein abgespeckter öffentlich-rechtlicher Rundfunk aber höchstens für die Parteien, die nicht mehr über Runkfunkräte bestimmen könnten, was die Menschen in Deutschland sehen und hören dürfen.

    • @Peter_:

      Fühlen Sie sich fremdbestimmt?

  • Das ist natürlich richtig. Aber man könnte den Rundfunkbeitrag ja auch mit dem Schweinefleischpreis beim Discounter vergleichen.

    • @Herr Rübenach:

      nur, wenn man den Rundfunk- und Fernsehschaffenden den Mindestlohn zahlt und ihnen davon 200-300 Euro für ein Bett im Sechserzimmer abnimmt.



      Mit Werkvertrag sicher machbar. das