Riexinger und die Folgen: Gegen die Wand
Ein schlechter Scherz auf einer Konferenz der Linken hat ein Gutes: Er zeigt, wie weit die Partei davon entfernt ist, eine Alternative zu sein.
Ein Mitglied der Linkspartei macht in einer Diskussion einen, nun ja, robusten Scherz, und Tage später muss sich der Parteivorsitzende für sein wenig nachdrückliches Eingreifen rechtfertigen, sieht sich gar mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. „Und auch wenn wir das eine Prozent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch so, dass wir heizen wollen, wir wollen uns fortbewegen“, hieß es in einem Diskussionsbeitrag auf der Linken-Strategiekonferenz in Kassel am vergangenen Wochenende. Parteichef Bernd Riexinger reagierte seinerseits ironisch: „Wir erschießen sie nicht, wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein“.
Die Bild wittert schon eine „blutige Revolution“. Richtige Journalist*innen sehen zwar auch einen „Skandal“, tafeln aber insgesamt etwas weniger üppig auf und sprechen von einer weiteren in der Reihe diverser „Verrücktheiten“.
Dass der laxe Umgang mit Gewaltrhetorik überhaupt ein Unding sei und nicht zuletzt die Regierungsfähigkeit der Linken infrage stelle, sehen nicht nur Beobachter*innen so, sondern auch Parteiprominenz. Bodo Ramelow zum Beispiel distanzierte sich zügig in sehr deutlichen Worten: „Wer Menschen erschießen will und von einer Revolution mit oder durch Gewalt schwadroniert“, habe nichts mit seinem Wertekanon gemein.
Dass die namenlose Genossin tatsächlich Menschen erschießen will, ist eher unwahrscheinlich. Ihre Entschuldigung wirkt ehrlich zerknirscht. Dass sie ihrer Sache, dem Klimaschutz wohlgemerkt, mit ihrem „Statement keinen Dienst erwiesen“ hat, ist jedoch zurückhaltend formuliert. Dass hier Futter für politische Gegner ihrer Partei produziert wird – geschenkt. Dass nicht nur die radikale Linke sich durchaus mit der Frage beschäftigen sollte, was mit all den schönen Umverteilungsideen eigentlich passiert, wenn das reichste Prozent nicht freiwillig teilen möchte, ebenso.
Brutale Gewalt
Dass wir jetzt über geschmacklose Witzchen reden statt über die brutale Gewalt gegen Menschen an den Außengrenzen der EU oder den tödlichen rechten Terror in ihrem Zentrum, ist sicher nicht die Schuld von Riexinger und seiner Genossin. Aber sie machen es jenen, die über die Blutspur des Rassismus und, ja, auch des Kapitalismus lieber schweigen wollen, leider ein kleines bisschen zu leicht.
Und doch müssen wir darüber reden, über diese sprichwörtliche Wand, an die die Feinde der Revolution dereinst gestellt werden sollen. Die Beiläufigkeit, mit der Riexinger, selbst sicher kein Barrikadenbauer, sondern eher ein bräsiger Gewerkschaftssekretär, über diese rhetorische Figur linksradikaler Sekten hinweggeht, offenbart nämlich wirklich ein großes Problem der Linkspartei.
Das aber ist nicht eine tatsächliche Nähe zu politischer Gewalt. Dieser Vorwurf ist schlicht Blödsinn. Das wirkliche Problem der Linkspartei ist hingegen die große Distanz zu jeglicher Gestaltungsmacht und das Fehlen einer verbindenden politischen Vision. Die unmittelbare Abrufbarkeit jener Fantasie einer in ferner Zukunft liegenden gewaltsamen Auflösung gesellschaftlicher Konflikte ist deutliches Symptom heutiger Ohnmacht.
Deshalb muss diese rhetorische Exekutionswand eingerissen werden. Nicht um der Bild-Zeitung zu gefallen oder auch nur den prospektiven Koalitionspartner*innen in SPD und Grünen. Sie muss eingerissen werden um der Zukunft einer linken Alternative willen.
Einer Alternative, die mit Selbstvertrauen und Offenheit an der Entwicklung und Verwirklichung einer Utopie arbeitet; einer Zukunft, die nach aktuellem Stand überhaupt nur existieren wird, wenn jetzt, heute, hier eine ökologische und soziale Wende eingeleitet wird. Und zwar für alle Menschen, auch für das eine Prozent.
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