Ramelow und die AfD: Pragmatisch bis zum Umfallen

Thüringens Ministerpräsident gibt der AfD aus Gründen der Handlungsfähigkeit nach. So macht er sich erpressbar.

Thüringens Ministerpräsident in dunklem Anzug

Hält stets die passende Begrüngung parat: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow Foto: Martin Schutt/dpa

Die Linke gibt derzeit ein paradoxes Bild ab: Auf der einen Seite Radikale, die die Regierung verklagen, auf der anderen Seite Regierende, die sogar die AfD umarmen. Erstere sind ein paar Abgeordnete der Bundestagsfraktion, Letzterer ist der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow. Der hat sich nach seiner Wahl letzte Woche flugs wieder von seiner Partei emanzipiert.

Als Landesvater hat er nicht nur einen AfD-Vizelandtagspräsidenten mitgewählt, sondern er will auch das gerade erst in Kraft getretene Paritätsgesetz für gleichberechtigte Wahllisten bis zur nächsten Landtagswahl aussetzen. Ramelow gibt sich im Gegensatz zu seiner Partei pragmatisch bis zum Umfallen. In beiden Fällen rechtfertigt er seine unorthodoxen Alleingänge mit dem Argument, es gelte, handlungsfähig zu bleiben und Hindernisse vorausschauend zu umschiffen. In beiden Fällen ist das Quatsch und gefährlich dazu.

Dass die AfD die Benennung von RichterInnen blockierte, stimmt tatsächlich. Doch mit der Wahl eines AfD-Landtagsvizes scharrt Ramelow an der gerade erst errichteten Mauer gegen die Rechten. Björn Höcke nach der Wahl nicht die Hand zu geben, wirkt nur noch wie eine hohle Geste fürs Publikum, wenn er denn einen Tag später der AfD seine Stimme gibt.

Und beim Paritätsgesetz knickt Ramelow dann binnen 48 Stunden gleich noch mal vor den Rechten ein: Noch bevor das Verfassungsgericht überhaupt ein Urteil gefällt hat, gibt Ramelow schon klein bei. Abgesehen davon, dass über die Aussetzung von Gesetzen nicht der Ministerpräsident per Dekret, sondern der Landtag entscheidet. Die AfD, aber auch die FDP, die ebenfalls gegen das Gesetz ist, kann frohlocken. Ihr oppositionelles Erpressungspotenzial im Parlament scheint beträchtlich zu sein.

Man kann sich ausmalen, was mit anderen rot-rot-grünen Vorhaben passiert: Mindestlohn erhöhen? Pustekuchen. Landesaufnahmeprogramm für minderjährige Flüchtlinge? Haha. So triumphieren am Ende die Radikalen über die Regierenden.

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Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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