piwik no script img

Hat Hamburg Steuergeld verschenkt?Cum oder Ex-Bürgermeister

Die Vorwürfe zu nicht eingeforderten Steuer-Millionen aus Cum-Ex-Aktiengeschäften bringen die Hamburger SPD im Wahlkampfendspurt in Erklärungsnot.

Hat beim Steuer-Raub mitgemischt: Warburg-Bank Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Die Frage, ob die Hamburger Finanzverwaltung dem örtlichen Bankhaus Warburg 47 Millionen Euro geschenkt hat, könnte die SPD auf den letzten Wahlkampfmetern noch Stimmen kosten. Finanzsenator war in der zur Rede stehenden Zeit der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Zwar ist es schwierig zu beurteilen, ob die Hamburger Steuerverwaltung tatsächlich falsch gehandelt hat. Jedoch geben die Rahmenbedingungen des Forderungsverzichts Anlass zu Misstrauen: So hat die Senatskanzlei eine Anfrage zu Gesprächen von Senatsmitgliedern mit der Warburg-Bank falsch beantwortet. Und die SPD hat im Folgejahr insgesamt 45.500 Euro Spenden aus dem Umfeld der Bank erhalten, wie das Hamburger Abendblatt unter Verweis auf die Rechenschaftsberichte der Parteien errechnete.

Der Vorgang gehört zu dem Komplex fragwürdiger Aktiengeschäfte, die den deutschen Fiskus insgesamt mehrere Milliarden Euro gekostet haben dürften. Bei diesen sogenannten Cum-Ex-Deals wurden Aktien rund um den Dividenden-Stichtag schnell ge- und verkauft. Ziel war es, sich die einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten zu lassen – ein dreister Griff in die Steuerkasse, bei dem skrupellose Anwälte und Banker Gesetzeslücken nutzten.

Konkret geht es darum, dass die Finanzbehörde 2016 eine 47 Millionen Euro hohe Steuerschuld der Warburg-Bank aus dem Jahr 2009 verjähren ließ, obwohl das Absahnen mit Hilfe von Cum-Ex-Geschäften seit Jahren bekannt war. Forderungen aus den Folgejahren machte die Finanzbehörde geltend – allerdings erst nach ausdrücklicher Anweisung aus Berlin.

Treffen mit dem Bürgermeister

Brisant wird die Sache durch einen Tagebuch-Eintrag des damaligen Warburg-Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Olearius. Darin berichtet der Banker von einem Treffen mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz, bei dem die Lage der Bank in den laufenden Cum-Ex-Ermittlungen besprochen worden sein soll.

In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zum Thema Cum Ex hatte der Senat noch im November „persönliche Gespräche zwischen dem Bankhaus M. M. Warburg und dem Senat verneint. Das Bundesfinanzministerium bestätigte der taz dagegen, dass sich Scholz im November 2017 mit dem Warburg-Chef getroffen habe. Warum die Senatskanzlei das bestritten habe, wisse man nicht, sagte ein Sprecher.

Der große Steuerraub

Bei Cum-Ex-Geschäften werden rund um den Dividenden-Stichtag Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende gehandelt. Sie sind so angelegt, dass sich die Investoren eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach* erstatten lassen können.

Beteiligt war an solchen Taten ein ganzes Netzwerk aus Anwälten, Banken, Beratern und Investoren. Dabei wurden die Modelle im Lauf der Zeit immer komplizierter, um die Zahlungsflüsse zu verschleiern. Viele Beteiligte behaupteten, sie hätten nur Gesetzes­lücken ausgenutzt.

Ob die Geschäfte strafbar waren, untersucht zurzeit das Landgericht Bonn.

* In einer ersten Version des Artikels stand hier zweimal. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Auch der Kreisvorsitzende der SPD Mitte, der Bundestagsabgeordnete Johanns Kahrs, räumte gegenüber dem Hamburger Abendblatt ein, sich mit Olearius getroffen zu haben. „Als zuständiger Wahlkreisabgeordneter rede ich seit über 20 Jahren mit jedem Bürger oder Unternehmen, also auch mit Vertretern von Banken“, sagte er.

Der Kreisverband Mitte hat laut Abendblatt mit 38.000 Euro besonders von den Warburg-Spenden profitiert. Allerdings seien aus dem Umfeld der Bank auch die FDP und die CDU mit Spenden bedacht worden.

Die Haupteigentümer der Warburg-Bank haben die Vorwürfe der Einflussnahme als „gehaltlose Unterstellungen“ scharf zurückgewiesen. „Die Bank hat sich nie mit unzulässigen, rechtswidrigen Forderungen oder Wünschen an die Fiskalverwaltung oder Politikerpersönlichkeiten gewandt“, heißt es in einem am Samstag veröffentlichten fünfseitigen Schreiben der Anwälte der wirtschaftlichen Haupteigentümer, Max M. Warburg und Christian Olearius. Gleichzeitig sei es aber selbstverständlich, dass Vertreter der Bank Gespräche mit allen führten.

Tschentscher sagte der taz, in den komplizierten Cum-Ex-Fällen sei es häufig schwierig darzulegen, ob eine Forderung oder ein Anspruch tatsächlich besteht. „Solche Entscheidungen müssen auch in einem gerichtlichen Verfahren Bestand haben, sonst drohen der Stadt große finanzielle Schäden durch Verzinsungsansprüche, Prozess- und Beraterkosten und möglicherweise Amtshaftungsansprüche“, sagte der Bürgermeister.

Der Umgang mit Cum-Ex-Geschäften ist auch deshalb schwierig, weil der Steuerraub erst allmählich ins Bewusstsein der politischen Sphäre drang und den Praktiken schrittweise Riegel vorgeschoben wurden. So griff eine erste Gesetzesänderung 2007 nicht, wenn der Handel über das Ausland abgewickelt wurde. Das änderte sich durch einen mit den Ländern abgestimmten Hinweis des Bundesfinanzministeriums ab Januar 2009. Laut einer Auskunft des Senats an die Bürgerschaft 2018 hat der Bundesfinanzhof „im Jahr 2016 Kriterien formuliert, an denen sich die Finanzverwaltung orientieren könne“.

SPD und Finanzbehörde behaupten, die aktuellen Vorwürfe seien ein alter Hut und vom Haushaltsausschuss der Bürgerschaft bereits im Rahmen einer Selbstbefassung vor zwei Jahren besprochen worden. Der CDU, aber auch dem grünen Koalitionspartner reicht das nicht. Sie forderten eine Haushaltsausschuss-Sondersitzung noch vor der Wahl.

Die Linke verlangte sogar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der neuen Legislaturperiode. Den Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch interessiert dabei besonders, ob die Finanzbehörde der Warburg-Bank im Rahmen eines Deals einen Großteil ihrer Steuerschuld erlassen wollte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • Teil II

    Das alles an massenhaft „erlaubtem“ Finanzkapital Banditentum im Umfeld von Cum- , Cum Ex Aktiengeschäften als Ungeist, der willentlich aus der Flasche geraten, gerichtsfest wieder einzuholen ist eine Herkulesarbeit, der sich zu stellen, unser Rechtsstaat in der Pflicht steht, Grundlagen unserer Demokratie, Gewaltenteilung zu garantieren.

    Insofern kann sich Hamburgs SPD Bürgermeister Peter Tschentscher nicht aus der Pflicht stehlen, Verfahren gegen HSB Trinkhaus Warburg Gruppe wg 47 Millionen € anzuberaumen, zu behaupten, die seien zu kompliziert, zu gefährliches Fahrwasser für Hamburg, teuer auf der Amtshaftung sitzen zu bleiben, während der Bund zuschaut, als ob diesen das gar nichts angehe, auch, wenn die 47 Mille letztlich bei diesem landen sollen. Das alles mangels Instrumenten gegen organisierte Kriminalität, Mafia wie fehlendes Unternehmensstrafrecht in Deutschland.

    Wer Instrumente gegen organisierte Kriminalität stärken will. Kann das hier tun

    weact.campact.de/p...frecht-einzufuhren

    • @Joachim Petrick:

      Weit ausgeholt mit den treffenden historischen Hinweisen und ganz bei Ihnen. Es geht um organisierte Kriminalität in Hamburg.

  • Teil I

    Bei Cum- , Cum Ex Aktiengeschäften scheint es ratsam, den Background in Augenschein zu behalten, der mit Einführung des Euro 1998-2002 in krassen Farben aufleuchtet, nämlich die junge Braut, den Euro, gegenüber dem Dollar, Yen, Pfund Sterling an Devisenmärkten mit allen denkbaren, bis dato undenkbaren Mitteln unter Ausnutzung von implementiert korrumpierender Gesetzeslücken stillen Einvernehmens der Bundesbank, EZB mit systemrelevanten Banken als Influenzern ohne Berührungsangst im Kundengeschäft so aufzuhübschen, dass der Euro dergestalt an Attraktivität gewinnt, Kursfahrt nach oben in eine stabile Seitenlage aufnimmt, allerorten blindlings weltweit über die Cum- , Cum Ex Aktiengeschäfte zu greifen, der „Große Bellheim“, dargestellt von Mario Adorf, würde sagen, die Welt dermaßen mit Euros zu zu scheißen, dass der an den Devisen Finanzmärkten Hören und Sehen vergeht. Auch wenn dabei dem globalen Finanzgaunerwesen organisiertem Wirtschaftverbrechen Futter bis zum Abwinken gegeben wird.

    Hatten doch die Alliierten vor Invasion Siziliens 1943, mit der CIA als Kontakthersteller Verbindung mit Mafia Netzwerken vor Ort aufgenommen und über das kriegsende 1945 hinaus gehalten, um die Invasion, durch Mafia Netzwerke logistisch bestens vorbereitet, auf den Weg durchschlagenden Erfolgs in Süditalien zu zwingen. Was gelang.

    Bei solchen welthistorischen Ereignissen, Revolutionen 1789, 1917, 1989 oder 2002 wie die Einführung einer neuen Währung, der Euro, schlägt die Stunde selbstermächtigter Banditen des Finanzkapitals im Gewande patriotisch auflachender Komödianten mit glitzerndem Lametta in Gold und Brillanten im Off öffentlicher Blitzgewitter.

    Teil II folgt

  • Hier im Video, der ganze Sumpf mal gut erklärt:



    www.zeit.de/2018/4...ik/komplettansicht

  • „Die Bank hat sich nie mit unzulässigen, rechtswidrigen Forderungen oder Wünschen an die Fiskalverwaltung oder Politikerpersönlichkeiten gewandt“

    Ja. Das ist sicherlich eine wahre Aussage der PR-Abteilung der Bank. Das Geld kam sowieso, es kam direkt aus der Steuerkasse, das bedeutet, dieses Geld konnte in Hamburg nicht für einen Spielplatz, nicht für eine Straße, eine Schule oder die Universität ausgegeben werden. Es hat wirklich reingehauen, was die Warburg-Bank gemacht hat. Und dann schreiben sie solche Sätze dort, wahrscheinlich bleibt bei so viel Dreistheit nicht mal ein Hauch von Anständigkeit übrig, man verhält sich wie Dschingis Khan, haut alles kurz und klein und nimmt mit, plündert und lacht sich dann einen ab, in dem man solche Sätze an die Medien lanciert. Fakt ist: Die ex-Cum-Geschäfte spülten Geld in die Kassen dieser Privat-Bank, die gar keine normalen Kunden hat, sondern nur mit den ober 10 oder 5 Prozent der Stadt arbeitet, vielleicht sogar nur für einen oder zwei Prozent offen steht. Diese Geschichte manifestiert, wie niedrig die Gesinnung der Superreichen ist. Dass ihnen dabei Parteien behilflich waren und sie diese dann mit ein paar Tausend Euro hier und dort abspeisten, ist schon an sich ein Lehrstück, wie dämlich Politiker sein können. Und es ist interessant, dass der Finanzsenator damals keine Lust hat, sich diesen ultradreisten Praktiken offensiver zu stellen, während seine Behörde bie kleinen Freiberuflern erbarmungslos zuhaut, ein Kios-Besitzer hat schnell vier Sachbearbeiter.

    • @Andreas_2020:

      "ein Lehrstück, wie dämlich Politiker sein können"

      Wirklich dämlich? Oder doch dummdreist abgebrüht?

      Und dann behauptet dieser Tschentscher sein Landesverband wäre „ursozialdemokratisch“ und im eigentlichen Sinne links ....



      Wenn es nicht so traurig wäre, weil all diese Schandtaten (HSH_Nordbank!) zu Lasten sozialer Einrichtungen geht, wäre es zum lachen!

      • @Rossignol:

        Dämlich, weil die Warburg Bank mit ein paar Mio. abhaut, während die SPD vielleicht €50.-€40.000 als Spende erhalten hat. Provisionen in der freien Wirtschaft fallen weitaus höher aus. So meine ich das ...

        • @Andreas_2020:

          ok - danke für die Aufklärung ;-)

  • Nach allem was man weiß, muss der Steuerbescheid, der die Forderung von 47 Mio begründet, schon ergangen sein. Um eine Festsetzungsverjährung geht es offenkundig nicht. Also hat man die Zahlungsverjährung vergeigt. Das ist schon ein großes Kunststück. Zahlungsverjährung regeln §§ 228 - 232 AO.



    Schaut man sich etwa § 231 AO an wäre es ein Leichtes, die Zahlungsverjährung zu verhindern. In jeder Finanzverwaltung muss es doch umfassende Sicherheitsvorkehrungen, Listen, Erinnerungsverfahren etc. geben, die die Risiken von Verjährungen überwachen. Und ausgerechnet bei einem Betrag von 47 Mio ist da ,hoppla, mal was vergessen worden. Kann ja mal passierern gelle. Haben die keione Innenrevision bzw. was haben die geraucht?? Deren Job ist es, schon bei weit geringeren Beträgen hektuische Flecken zu bekommen.



    Mir wird einfach nur schlecht bei so was........

  • Ich nehme den Vorgang zum Anlaß des Korruptionsverdachtes der Beteiligten. Würde einen Blick lohnen. Aber Korruption gibt es ja in Deutschland nicht.

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Cum ex lief 2016 seit über 6 Jahren. Der Dümmste sollte 2016 kapiert haben, dass das Raub war. Und auch die neuerlichen Versuche 2017 und 2019, der Bank Geld zu schenken, zeigt, dass da System hinter steckte.



    Für mich ist Tschentscher dsdurch unwählbar geworden.