piwik no script img

Prominente unterstützen linke ProjekteDer Schulterschluss

Vielen linken Projekten in Berlin droht das Aus. Die Kampagne „Kein Haus weniger!“ bekommt Unterstützung aus der etablierten Kunst- und Kulturszene.

Kämpferische Inszenierung der Liebig 34 – Teil der Kampagne „Kein Haus weniger!“ Foto: dpa

Berlin taz | Es ist ein Schulterschluss zwischen Berlins etablierter Kunst- und Kulturszene und den linken, alternativen Projekten der Stadt. Am Montagvormittag präsentierte die Kampagne Kein Haus weniger!, die sich zur Unterstützung der räumungsbedrohten Häuser und Institutionen – vom queerfeministischen Hausprojekt Liebig 34 über die Köpi bis zur Kneipe Syndikat – gebildet hat, eine Liste 85 prominenter Einzelpersonen, die sich für deren Erhalt aussprechen.

Der zukünftige Volksbühnenintendant René Pollesch, die Leiterin des Berliner Staatsballetts Sasha Waltz, die Intendanten vom Berliner Ensemble und der Berliner Festspiele, Oliver Reese und Thomas Oberender, der Regisseur Leander Haußmann: die Liste vor allem Berliner Kulturschaffender ist lang und namhaft.

Sie alle haben den Aufruf von Kein Haus weniger! unterzeichnet, in dem es heißt: Ohne seine alternativen Haus- und Kulturprojekte wäre Berlin „sozial, politisch und kulturell um Vieles ärmer“. Gleichzeitig wird dem Missbrauch der Aneignung und Nutzung dieser Subkultur durch Stadtmarketing und Immobilienkonzerne widersprochen: „Wir sind nicht die Fassade eures Verwertungsmarktes.“

Gegenüber der taz begründete Thomas Ostermeier, künstlerischer Leiter der Schaubühne, seine Unterstützung damit, dass „diese Orte der Gegenkultur die Identität Berlins als alternative Kunstmetropole ausmachen“. Margarita Tsomou vom HAU sagt, dass „die interessantesten und neuartigsten kulturellen Impulse von diesen Räumen ausgehen, die nicht-kommerziell betrieben und von einem kollektiven Geist getragen werden“. Ohne sie bestehe die Gefahr, „dass Berlin zu einer verödeten Kulturlandschaft wird, in der die reiche Diversität an subkultureller, queer-feministischer und migrantischer Kulturproduktion verdrängt wird, weil sich die Räume nur Pseudokreative mit Geld leisten können.“

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hatte bereits zuvor dem Tagesspiegel gesagt: „Ich unterstütze schon aus hygienischen Gründen solche Initiativen immer. Man muss jedes Schlupfloch sofort besetzen, jeden Zentimeter, den ein gieriger Kapitalismus einen Augenblick lang unbeobachtet lässt.“

Kein Haus weniger!

Zu den weiteren UnterstützerInnen der Initiative gehören: Milo Rau, René Pollesch, Margarita Tsomou, Volker Lösch, Sibylle Berg, Margarete Stokowski, Bini Adamczak, Laury Penny, Sasha Marianna Salzmann, Wladimir Kaminer, Edouard Louis, Cornelia Funke, Marc-Uwe Kling, Günter Wallraff, Max Herre, Element of Crime, Nina Hagen, Egotronic, Sookee, Dirk von Lowtzow, Lady Bitch Ray, Die goldenen Zitronen, Donna Harraway, Didier Eribon, Frigga Haugg und Gayatri Chakravorty Spivak. Die vollständige Liste findet sich auf keinhausweniger.info.

Wie breit die Initiative, die schon zuvor den Zuspruch mehr als 140 ehemals besetzter Häusern und Organisationen gefunden hatte, in der Szene getragen ist, zeigte der Blick ins Gartenhaus des Berliner Ensemble, das Kein Haus weniger! für seine Pressekonferenz zur Verfügung gestellt bekommen hatte.

18 ProjektvertreterInnen und UnterstützerInnen, teilweise verkleidet und vermummt, hatten in dem überfüllten und mit Bannern ausgeschmückten Raum Platz genommen, um deutlich zu machen, was die Stadt zu verlieren habe, sollte in den nächsten Monaten ein Räumungsurteil auf das nächste folgen.

Kampagnensprecher Marian Koyne sagte zu Beginn: „Die Besetzungsgeschichte Berlins ist eine Erfolgsgeschichte.“ Diese Erfolge gelte es „anzuerkennen und zu verteidigen“. In der Pflicht sieht Kein Haus weniger! den Senat. „Will dieser in die Geschichte eingehen als der Senat, in dessen Amtszeit unkommerzielle Projekte ihre Räume verlieren und die Stadt zum Gewerbegebiet für Kapitalinteressen wird?“, fragte Koyne. Er forderte, die Häuser und Projekte durch Vergesellschaftung der Immobilien zu erhalten, die Aussetzung von Zwangsräumungen, einen effektiven Milieuschutz für Gewerbetreibende und die Duldung neuer Besetzungen.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) äußerte auf Anfrage der taz „große Sympathie“ für die Initiative. Die genannten Projekte seien „fester Bestandteil dessen, was Berlin, seinen Ruf und seine Kulturszene ausmacht“. Die kulturelle Vielfalt der Stadt sei bedroht: „Diese Gefahr abzuwenden, klein zu halten ist auch mein Anliegen.“ Lederer forderte „mehr rechtliche Handhabe“, etwa über das Gewerbemietrecht. Hier müsse die Bundesregierung aktiv werden.

Den Projekten wird das nicht reichen. Eine Sprecherin der Liebig 34 lud zum zweiten Termin in ihrem Räumungsprozess vor dem Landgericht nächste Woche Donnerstag ein und kündigte an, ihren Widerstand fortzusetzen.

Kampfansagen

Die bedrohten Projekte

Liebig 34 Nächste Woche Donnerstag findet der zweite Verhandlungstag im Räumungsprozess gegen das Hausprojekt statt.

Potse Die Entscheidung des Gerichtsprozesses vom Januar soll am 10. Juni verkündet werden.

Drugstore Soll erst in einigen Monaten Ersatzräume beziehen können.

Syndikat Gegen das Räumungsurteil hat die Kneipe Berufung eingelegt.

Meuterei Der Prozess vor dem Strafgericht in Moabit ist angesetzt für den 26. Februar.

Köpi und Lause Beide werden zum Verkauf angeboten.

Viele der Podiumsgäste nutzen ihre Vorträge ebenfalls für Kampfansagen: „Wer die Köpi kauft, kauft Ärger“ war dabei ebenso zu hören wie das berühmte Bertolt Brecht-Zitat Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren“ durch die VertreterInnen der Kreuzberger Kneipe Meuterei. Aus Reihen der selbstverwalteten Jugendzentren Potse und Drugstore hieß es: „Wir sind wütend darüber, wie sehr die Landesregierung die Interessen der Jugendlichen ignoriert und Investoreninteressen schützt.“

Der Schulterschluss gelang den Projekten auch zur Berliner Clubszene. Lutz Leichsenring von der Clubcommission bekundete seine Solidarität. „Ohne uns wird die Stadt gesichtslos und identitätslos“, so Leichsenring. Er sprach vom „Clubsterben“, dem in den vergangenen Jahrzehnt bereits 100 Institutionen zum Opfer gefallen seien. Vom Senat forderte er einen „Runden Tisch für Kulturräume“.

Bereits am Mittwoch wird das Verschwinden der Freiräume zum Thema im Haupt- und Stadtplanungs-Ausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Volksinitiative Bucht für Alle hat mit dem Sammeln von 35.000 Unterschriften gegen den Bebauungsplan an der Rummelsburger Bucht einen Anhörung erzwungen. Weiterhin fordert sie eine „unbebaute und frei zugängliche Bucht“, den Erhalt von Wagenplätzen und Clubs. Verkündet wurde auch eine Normenkontrollklage gegen die Pläne durch die Naturfreunde.

Die Autorin Bini Adamczak, die in dem ebenfalls bedrohten Projekthaus Lause arbeitet, bezeichnete in einem eingespielten Videostatement Kein Haus weniger! als „gute“, aber zugleich „defensive Forderung, die lediglich verlangt, das, was ist, zu verteidigen.“ Adamczak schloss mit dem Plädoyer: „Kein Haus weniger ja, aber auch viele Häuser mehr.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Kaum jemand hat wohl inhaltlich etwas gegen das Treiben. Wie wäre es also, wenn man sich um den rechtmäßigen Erwerb der Gebäude kümmerte, statt auf das "Recht" zu pochen, für "die gute Sache" besetzen zu dürfen. Man könnte doch bei all den zahlreichen, begeisterten Zustimmern um Spenden bitten. Mal sehen, wie ernsthaft dann das Engagement noch wäre. Das ein oder andere Projekt sollte doch zu stemmen sein. Oder nicht?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Schön, dass es diese Kampagne "Kein Haus weniger!" gibt.

    Schön, dass sich dafür prominente Namen und Naminnen einsetzen.

    Weniger schön: das - weitestgehende - Fehlen von AutorInnen der taz auf der Liste.

    Keine falsche Zurückhaltung, bitte!

  • Weißer Mittelstand kämpft für weiße Mittelstandskinder.

  • „ Er sprach vom „Clubsterben“, dem in den vergangenen Jahrzehnt bereits 100 Institutionen zum Opfer gefallen seien. “

    Ja und? „ Techno muss sterben



    Elektronische Tanzmusik begleitet heute vor allem das Ballern synthetischer Drogen. Die Szene ist alt und reich geworden. Also: Geld raus, Bass rein.“ taz.de/Gegen-elekt...he-Musik/!5654348/

  • „ Weiterhin fordert sie eine „unbebaute und frei zugängliche Bucht“, den Erhalt von Wagenplätzen und Clubs. “

    Die Rummelsburger Bucht liegt zentral in der Innenstadt und ist denkbar ungeeignet für flächenintensive Wagenplätze. Das wäre purer Luxus und Verschwendung von Flächen für den Wohnungsbau.

  • Warum stellt der Berliner Senat keine kostenlosen Räumlichkeiten für kulturelle Aktivitäten zur Verfügung für alle die es diese wollen?

    • @Rudolf Fissner:

      Darum geht es im Artikel doch gar nicht.

    • @Rudolf Fissner:

      Weil der Senat die Räumlichkeiten nicht hat. Und weil der Profit nicht selbstverständlich privatisiert, die Kosten aber sozialisiert werden.



      Einfach mal so. Zum Thema Forderungsmanagement.

      • @Martinxyz:

        Natürlich hat das Land Berlin Räumlichkeiten übrig oder genügend Geld, um diese anzumieten.

      • @Martinxyz:

        „Und weil der Profit nicht selbstverständlich privatisiert, die Kosten aber sozialisiert werden."

        Komisch, ich dachte der ganze Laden läuft derzeit nach diesem Prinzip?

        • @Volker Maerz:

          Vielleicht will er Schule, Bildung, Sozialwesen, Infrastruktur.... privatisiert haben? Wäre imho grottenfalsch.