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CDU-Politiker schießt auf 20-JährigenAnwalt beklagt „Twitter-Lynchmob“

Das mutmaßliche Opfer des CDU-Manns Bähner erhebt Rassismusvorwürfe gegen den Schützen. Dessen Anwalt teilt derweil aus.

Was am Tatort tatsächlich geschah, bleibt vorerst unklar (Symbolfoto) Foto: Michael Weber/imago

Berlin/Köln taz | Im Fall des CDU-Kommunalpolitikers Hans-Josef Bähner, der im Dezember in Köln einen 20-Jährigen angeschossen haben soll, erhebt das mutmaßliche Opfer neue Vorwürfe. Dem WDR sagte der Mann, der 72-jährige Bähner habe ihn und seine drei Begleiter vor der Tat als „Scheiß-Kanaken“ und „Dreckspack“ bezeichnet. Zuvor hatte einer der Begleiter schon dem Kölner Stadt-Anzeiger gesagt, der Schütze habe die Gruppe vor dem Schuss mit gezogener Pistole bedroht und beschimpft.

In der Nacht auf den 30. Dezember war Bähner, der für die CDU in der Bezirksvertretung von Köln-Porz sitzt, vor seinem Haus mit der Gruppe in Streit geraten. Im Laufe der Auseinandersetzung soll er den 20-Jährigen angeschossen haben, dieser erlitt einen Durchschuss an der Schulter.

Ein Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft kommentierte die neuen Vorwürfe auf Anfrage der taz am Freitag nicht. Seine Behörde bestätige momentan nur den Vorfall an sich. Die Ermittlungen zum Sachverhalt dauerten weiterhin an.

Ralf Höcker, als Medienanwalt für Bähner tätig, äußerte sich auf Anfrage ebenfalls nicht zu den Tatvorwürfen. Der taz sagte er lediglich: „Wir führen dieses Verfahren vor der Kölner Justiz und nicht in den Medien oder gegen einen wildgewordenen Twitter-Lynchmob, der keine Ahnung hat, was wirklich passiert ist.“

Höcker macht Druck

Anwalt Höcker, der auch Pressesprecher der rechten CDU-Plattform „Werte-Union“ ist, hatte in den vergangenen Tagen zu verhindern versucht, dass der Name Bähners im Zusammenhang mit den Vorwürfen genannt wird. So zum Beispiel gegenüber CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak: Dieser hatte die Schüsse am Donnerstag als erster ranghoher Vertreter der Union kommentiert. Auf Twitter schrieb er, Gewalt dürfe „keinen Platz in der Gesellschaft haben“. Den Tweet garnierte er mit dem Hashtag „#Baehner“.

Höcker forderte ihn daraufhin über Twitter auf, den „rechtswidrigen Tweet zu löschen und abzuwarten, was WIRKLICH passiert ist“. Ziemiak löschte den Tweet tatsächlich und veröffentlichte ihn neu – diesmal ohne Hashtag. Etliche andere Twitter-Nutzer hatten den Namen zu dem Zeitpunkt allerdings auch schon verwendet.

Die Redaktionen der meisten Kölner Lokalmedien hatten über den Fall in den ersten Tagen nach der Tat zunächst nur anonymisiert berichtet. Jetzt haben sie sich zum Teil umentschieden. Der Kölner Stadt-Anzeiger begründete das in einem Kommentar folgendermaßen: „Nachdem ein Mitglied der CDU-Bundesspitze den Namen des mutmaßlichen Schützen selbst benutzte und in Abwägung aller weiteren Argumente hat sich der Kölner Stadt-Anzeiger entschieden, den Namen des mutmaßlichen Täters ebenfalls zu nennen.“

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Lange Zeit nicht auf die Vorwürfe reagiert hatte die Kölner CDU. Eine erste Stellungnahme gab es erst am Donnerstag, nachdem Bähner selbst entschieden hatte, sein Amts als Bezirksvertreter vorübergehend ruhen zu lassen. Die Vorsitzenden der CDU Köln und Köln-Porz schrieben in einem gemeinsamen Statement: „Sollten sich die Vorwürfe (…) erhärten, erachten wir eine Mandatsniederlegung als einzig mögliche und unausweichliche Konsequenz. Wir hoffen nun auf eine gründliche wie zügige Aufarbeitung durch die Strafverfolgungsbehörden.“

In ihrer Stellungnahme gingen sie nicht auf die politischen Positionen ein, die ein User namens „Hajo Bähner“ auf seinem öffentlichen Facebook-Profil offenbart. Der User, bei dem es sich wahrscheinlich um den Kommunalpolitiker handelt, teilt dort Beiträge von rechten Blogs und schreibt von „Gutmenschen“, „Linksfaschisten“ sowie der „EU--dSSR“. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hat er mit „Gefällt mir“ markiert. Eine Polizeimeldung über einen Raubüberfall kommentierte er mit den Worten: „JA DIE SÜDEUROPÄER“. Seitdem sich der User im Februar 2018 „für die vielen Glückwünsche zu meinem Geburtstag“ bedankte, ist das Profil aber weitgehend verwaist.

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14 Kommentare

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  • Man kann nur hoffen es findet sich endlich eine Konstellation, in der wir dem Rechtsanwaltsbüro Höcke-Maaßen zeigen werden, wie man einen Prozess verliert. Niemand sollte vor denen Angst haben (müssen) Leider wird es ja nicht zu dem Prozess kommen, mit dem das Büro Höcke-Maaßen im Auftrag der AfD-Bundestagsfraktion bestrafen und verbieten lassen wollte, die AfD als parlamentarischen Arm von Rechtsterroristen zu bezeichnen. Dumm sind sie selbstverständlich nicht. Die Herren. Man kann sich ja nichts besseres wünschen, als das es in einem ordentlichen und öffentlichen Prozess, zu einer ordentlichen Beweisaufnahme kommt. Die muss kein Gegner der AfD fürchten. Und man sollte von Anfang an darauf bestehen, das solche Sätze nicht einmal mehr den Schutz der Kunstfreiheit, der satirischen Überspitzung, oder politischen Zuspitzung bedarf. Aber vielleicht geht da was, anlässlich der Klage der AfD, die dem Verfassungsschutz verbieten soll sie verfassungsfeindlich zu nennen.



    Ansonsten - wen immer es trifft, wer sich dem stellt oder es muss. Ich bin dabei. Wo ist das Spendenkonto für die besten Anwälte der Republik?



    Freute mich auch einmal auf eine schöne Recherche, die einen Überblick über die Schlachten des Büros Höcke-Maaßen geben. Vielleicht kennen sich die Betroffenen gar nicht alle untereinander. Und gemeinsam kommt man auf Ideen. Alleine wehrt sich ja nicht so gut wie zusammen.

  • Eine rechtliche Frage: kann man ein Amt als Bezirksvertreter überhaupt "ruhen" lassen? Das erscheint mir rechtlich zweifelhaft.

  • 9G
    99140 (Profil gelöscht)

    Die Staatsanwaltschaft in Köln ermittelt wegen "versuchtem Totschlag" gegen den Mann.



    Dem von Rechtsradikalen und Rechtsextremisten bestens mandatierten RA Höcker kann man das Grinsen derzeit sicher nicht mal aus dem Gesicht schminken.



    Polizisten töten in Deutschland ungestraft und nicht ermittelt Asylanten, Bürger die sich gegen Polizeigewalt zur Wehr setzen werden wegen einer Ohrmuschelverletzung bei einem Polizeibeamten öffentlich des "versuchten Mordes" beschuldigt, 200+ durch Rechtsextremisten getötete Mitbürger reichen nicht aus, um eine Gesellschaft zu lehren, das nicht für Bürgerrechte streitende Demonstranten, sondern Rechte in Justiz, Verwaltung, Polizei und Diensten die Bedrohung unserer Gesellschaft bilden.



    Und ein für das öffentliche Ausleben verfassungsfeindlicher Gesinnung, wie Rassismus, sitzt als Ortsvorstand Mitgliedern der CDU vor und darf weitestgehend ungestört von seiner Partei und der Justiz nun die nächste Stufe auf seiner Karriereleiter als unappetilich gefährlicher Rechtsextremist feiern.



    Geldstrafe, Waffenschein abgeben...mehr wird da erfahrungsgemäss nicht passieren.



    Oder?!



    Aber Bürgerrechts-NGO`s wird die Gemeinnützigkeit abgesprochen und für Bürgerrechte und gegen Korruption, Ausgrenzung und für eine verfassungskonforme Zivilgesellschaft werden von der polizei , der justiz und der Verwaltung abgestraft.



    Wer in Berlin liegt denn eigentlich mit den Rechten unter der Decke oder schläft beim Anblick seiner Kontozüge und den üppigen Entlohnung für Regierungsarbeit - unter Ausblendung der Realitäten in diesem Land - wohlig ein?

    • @99140 (Profil gelöscht):

      danke.

      extrem fragwürdig, dass die noble presse in ihrer freiheit solche zusamenhänge nicht bennen will. anscheinend fehlt der mut, der hetze der etablierten parteien und der verlogenen außendarstellung des polizeiapparats entschieden entgegenzutreten.

  • CDU-ler sind eben keine besseren Menschen - mitnichten! Was wundert das in einer Partei, in der immer mehr der Ruf nach Kooperation mit einer leider sogar im Bundestag vertretenen Nazipartei laut wird?

  • „Sollten sich die Vorwürfe (…) erhärten"



    Was gibt es denn da noch zu erhärten?



    Es gibt doch schon genügend belastende Vorwürfe denke ich:



    Rassistische Beleidigung, Waffengewalt, offenkundige Hate speech oder besser gesagt neonazistische Gesinnung...



    "Werte - Union".



    Ist klar

    • @Thomas :

      Die Unschuldsvermutung /ist/ eine der wichtigsten humanistischen und zivilisatorischen Errungenschaften.



      Die Unschuldsvermutung ist unverzichtbarer Grundpfeiler des Rechtstaates.



      GERADE auch gegenüber eher unsympatischen Menschen und GERADE auch wenn "die Sache" völlig klar" ist.

      • @Wagenbär:

        Die Unschuldvermutung gilt vor Gericht. Zuvor wird aber gegen Menschen, die andere Menschen zur Bewusslosigkeit bringen - auch wenn Ihnen schon das missfällt - ermittelt.

        • @Rudolf Fissner:

          Herr Bähner ist keinen originelleren Verletzungen des Prinzips der Unschuldsvermutung ausgesetzt, als das politische Milieu dem er sich offensichtlich nahe fühlt und solcherart Verletzung jeden Tag völlig selbstverständlich anwendet. In Köln weiss man ziemlich genau wer Herr Bähner und welch Geistes Kind er ist. Das hat die Dorf-Kommunalpolitik so an sich. Zymiak hat halt kalte Füsse gekriegt. Selbstverständlich riecht das nach der Katastrophe, die man ansonsten für überdreht-funktionales linksgrünes Soziologengeschwätz in der CDU hält: Aus der steten Hetze, dem steten Hass, den reich bebilderten Wahnvorstellungen alter reaktionärer und autoritärer Männer, zieht halt der eine oder andere dann die Waffe. Die glauben sich ihren Wahn ja wirklich selbst.



          Wobei wir erfahren: Das solche bewaffnet sind.



          Man will sich gar nicht vorstellen ein Kommunalpolitiker der DIE LINKE verlöre die Nerven, glaubte es sei einer der Nazis, der in den letzen 30 Jahren um die 200 mal tödlichen Ernst machte



          - und schiesst als Erster. Wobei ich klischee-vorurteilsbehaftet glaube - Kommunalpolitiker der DIE LINKE sind eher nicht bewaffnet. Irrtum?



          Und wessen bewusstlos Geschlagenen meinten Sie jetzt? Den, den Polizisten in Leipzig bewusstlos schlugen, oder den Polizisten der angeblich bewusstlos war? Wobei es welche Seite mit der Wahrheit aus Vorverurteilungsgründen nicht so genau nahm?



          Das ist alles so verwirrend. Wenn man die Fakten am meisten fürchten muss.

        • @Rudolf Fissner:

          Unterlassen sie ihre dreisten Unterstellungen!

  • Verwundert so etwas irgend jemanden ernsthaft?

    • @boidsen:

      Mich verwundert es nicht, dass die Kommentare hier sich überbieten in einer Polemik gegen diesen Anwalt, der völlig recht hat. Auch bei einem solchen Vorwurf gilt die Unschuldsvermutung.

      • @Monika Frommel :

        Ja mei Frau Frommel - wissen Sie denn gar nicht was das Anwaltsbüro Höcke-Maaßen in Köln so macht?



        Da ist "Unschuldsvermutung" was für die ganz Dummen. Jedenfalls solange es um irgendwelche linksgrünversifften Mainstream-System-Linken geht.



        Oder irgendwelche pauschal-kriminellen Ausländer.



        Die Unschuldsvermutung räume ich Herrn Bähner wirklich unumwunden ein. Aber als Politiker muss er eben hinstehen. Das ist nicht so verbreitet in der Disposition reaktionär-autoritär-Rechts. Die Pflegen die Kultur der Verantwortungslosigkeit. Sind es nie gewesen.

      • @Monika Frommel :

        In Connewitz spricht man von Notoperation und versuchtem Mord. Auch da müsste man sich eigentlich auf die Beschreibung der Fakten zurückziehen und die Wertung einem Richter überlassen.