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Erdoğans Syrien-PolitikTrump pfui, Putin hui

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Noch nie ist ein türkischer Präsident so mit den USA umgesprungen wie Erdoğan. Putin gegenüber zeigt er sich hingegen devot. Kein Wunder.

Trump spricht zu Erdoğan Foto: Monsivais/ap

E s kann sehr schnell gehen, vom Weltenlenker zur Witzfigur zu werden. Nachdem US-Präsident Donald Trump kürzlich per Tweet verkündet hatte, in seiner „großen Weisheit“ könne er entscheiden, die türkische Wirtschaft komplett zu zerstören, falls Erdoğan nicht sofort seinen Krieg gegen die Kurden stoppt, lässt Erdoğan ihn jetzt wissen, Trump twittere ja so inflationär, man könne das alles ja gar nicht mehr lesen.

Und bevor Vizepräsident Mike Pence überhaupt in Ankara gelandet war, um am Donnerstag bei Erdoğan die Wünsche des US-Präsidenten vorzutragen, ließ der türkische Staatschef bereits öffentlich wissen, was er von Trumps Forderung, er möge doch mit den syrischen Kurden in einen Dia­log treten, hält: überhaupt nichts nämlich – weil Erdoğan, wie es sich von selbst versteht, nicht mit „Terroristen“ redet.

So arrogant ist noch kein türkischer Präsident mit der vormals letzten Weltmacht umgesprungen, wie es Erdoğan jetzt tut. Erdoğan, und er ist nicht der Einzige, ist offenbar der Auffassung, dass die USA im Nahen Osten nichts mehr zu melden haben, nachdem Trump sich durch den Truppenabzug aus Syrien selbst aus dem Spiel genommen hat. So wie Europa bereits als heuchlerische Macht von Erdoğan geschmäht wird, wird nun auch Trump und seine Administration Gegenstand von Hohn und Spott.

Ganz anders verhält sich der türkische Präsident zu seinem russischen Gegenüber Wladimir Putin. So höhnisch er sich gegenüber Trump verhält, so devot ist er gegenüber Putin. Das hat im Moment vor allem damit zu tun, dass Putin der eigentliche Machthaber in Syrien ist, von dessen Entscheidungen die kommenden Einflusszonen an der türkisch-syrischen Grenze abhängen.

Aber nicht nur das ist es. Der irrlichternde Trump hat den Respekt der anderen Potentaten dieser Welt verspielt. Erdoğan sieht in Putin einen verlässlichen Partner, in Trump längst nicht mehr. Das Problem ist nicht, dass Trump keine Kriege mehr rund um die Welt führen will – das Problem ist, dass er außenpolitisch mal dieses oder jenes von sich gibt und ihn deshalb kaum noch jemand ernst nimmt.

Darüber hinaus hat nicht nur Erdoğan mehrfach die Erfahrung gemacht, dass Trump nicht hält, was er am Telefon verspricht. Das ist nicht souverän, und entsprechend lächerlich wirkt dieser Mann im Weißen Haus. Dabei wäre ein Abschied vom US-Imperialismus alter Prägung eigentlich sehr wünschenswert. Doch dazu gehören stringente politisches Strategien – und die hat Trump nicht zu bieten.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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6 Kommentare

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  • "Trump pfui, Putin hui"



    Nun ja, über das Ranking der USA beim Sultan kann man sicher trefflich spekulieren, sollte aber bedenken, daß er deren Außenminister noch nicht als Dilettanten bezeichnet hat.

  • Das die USA im Nahen Osten nichts mehr zu melden hätten, entspricht aus zwei Gründen nicht Tatsachen.



    1. Hat sich die USA aus Syrien freiwillig zurück gezogen, weil ein Wahlversprechen des US Präsident Trump das er in seinem Wahlkampf 2016 versprochen hatte, einzulösen war.



    2. Ist das US Militär immer noch mit einer Schlagkraft im nahen Osten vertreten, wie kein anderer Staat auf der Welt.



    Man denke nur an die stationierten Streitkräfte in Saudi Arabien, Jordanien, Türkei, Afghanistan, Flugzeugträger und und …..

    Und überhaupt, was das europäische Militär betrifft, wenn es den eines überhaupt gibt, ist doch wirklich –machen wir uns ehrlich- eine Lachnummer.

    Das Problem in Syrien ist doch, dass bisher unzählige Gruppierungen jeweils ihre eigenen Süppchen kochten. Und das ist ursächlich dafür, dass der Krieg in Syrien seit 2011 anhält und bisher 11,5 Mio. Flüchtlinge und lt. UNO ca. 500.000 getötete Menschen zu Folge hatte. Da muss doch irgendwann mal Schluss sein mit dieser Unmenschlichkeit!

    • @Nico Frank:

      für einen Krieg bedarf es heutzutage nicht mehr an vielen Soldaten, und die USA als auch Russland besitzen genügend an Waffen, die in kürzester Zeit islamistischen Terrorgruppen als auch anderen Feindbildern, ein Ende setzen können. Das Ganze ist , wie auch schon vorher, ein großes Szenario, mit unendlich viel Leid

  • Abwarten, denn wie es so schön heißt: wer zuletzt lacht, lacht am besten.

    Noch will Trump zwischen der Türkei und den Kurden vermitteln. Sollte Erdogan das weiterhin ausschlagen wird Trump mittels Sanktionen die Wirtschaft der Türkei empfindlich schädigen. Denn der Kongress hat ihm mit der Abstimmung zum Thema Truppenabzug, vielleicht sogar ungewollt, das Mandat dazu gegeben.

    • @Tobias Schmidt:

      "Abwarten, denn wie es so schön heißt: wer zuletzt lacht, lacht am besten."

      Ja, das wird schon ein doller Tag werden, wenn Trump es dann eines Tages allen zeigen wird, wie bei seiner Wahl, da haben ja auch alle gesagt...! Man muss nur durchhalten, dann wird sich der Glaube an Trump auszahlen!

      Ich glaub da kommt nix mehr. Trump ist kein unterschätztes Genie, sondern ein überschätzter Trottel der sich von Erdogan hat bequatschen lassen und nun keinen Gesichtswahrenden Weg zurück findet.

  • Verläßlichkeit

    Zitat: „Das Problem ist nicht, dass Trump keine Kriege mehr rund um die Welt führen will –, das Problem ist, dass er außenpolitisch mal dieses oder jenes von sich gibt und ihn deshalb kaum noch jemand ernst nimmt.“

    Da waren doch Trumps Vorgänger wie Bush sen. und jun., Clinton, Reagan, Nixon oder Johnson von ganz anderer Statur: Auf deren Kriegsentschlossenheit konnte man sich wenigstens verlassen...