piwik no script img

Straße von HormusWas, wenn es tatsächlich knallt?

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Wer den Handelsweg sichern will, muss sich um ein UN-Mandat bemühen. Denn ohne russische Zustimmung ist der Weltfrieden noch gefährdeter.

Soll in Zukunft vermieden werden: Ein britischer Tanker wird von einem iranischen Boot umkreist Foto: dpa

N ach dem Zweiten Weltkrieg hat die Staatengemeinschaft eine neue Institution geschaffen, die Älteren unter uns haben vielleicht schon einmal von ihr gehört. Man nannte sie Vereinte Nationen. Heute ist kaum noch von ihr die Rede, was betrüblich ist. Denn für bestimmte Aufgaben – wie beispielsweise die Sicherung von Handelswegen – wäre sie vorzüglich geeignet.

Genug des Spotts. Es ist bezeichnend für den Bedeutungsverlust der UNO, dass bei der Diskussion über einen internationalen Militäreinsatz in der Straße von Hormus von ihr überhaupt nicht die Rede gewesen ist. Der Grund dafür liegt ja auch auf der Hand: Wer sie ins Spiel bringt, setzt sich dem Verdacht der Naivität aus.

Es sei doch ohnehin klar, so der vorhersehbare Einwand, dass Russland gegen eine solche Mission im Weltsicherheitsrat ein Veto einlegen würden, jeder Versuch eine Einigung in diesem Gremium zu erzwingen, müsse scheitern. Und dann sei die Lage noch verfahrener als vorher.

Nun ist unbestreitbar, dass die UNO sich in den letzten Jahren immer wieder selbst gelähmt hat, weil die einzelnen Staaten eben nicht plötzlich aufhören, eigene Interessen zu verfolgen, nur weil sie Mitglied einer internationalen Institution sind. Daran wird sich auch nichts ändern, das sind die Gegebenheiten, von denen auszugehen ist. Aber das macht das Ringen um eine Einigung ja nicht weniger notwendig, im Gegenteil. Denn ohne die Zustimmung oder zumindest die Duldung Russlands ist ein Militäreinsatz in der Strasse von Hormus noch gefährlicher für den Weltfrieden als er es ohnehin wäre.

Die Alternative ist Krieg

Das einzusehen bedeutet nicht, die menschenverachtende Politik des russischen Diktators Putin in der Region zu billigen. Es ist lediglich die Anerkennung der realen Machtverhältnisse dort und andernorts auf der Welt, anders ausgedrückt: die Voraussetzung für jegliche Form der internationalen Diplomatie. Schöner ist eine friedliche Koexistenz mit Staatschefs, mit denen man privat nicht einmal einen Kaffee trinken möchte, nicht zu haben. Die Alternative ist Krieg.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Das Problem mit allen Militäreinsätzen entsteht da, wo etwas schief geht. Das gilt auch für eine rein europäische Mission. Der Vorschlag klingt so nett und friedlich. Aber es ist davon auszugehen, dass die Vereinigten Staaten ebenfalls in der Straße von Hormus unterwegs sein werden.

Was, wenn die USA auf eine – vermeintliche oder reale – Provokation seitens des Iran hin überreagieren? Wenn es tatsächlich knallt? Was tun dann die netten und friedlichen Europäer? Fallen sie ihrem NATO-Verbündeten in den Arm? Und falls ja – so unvorstellbar das auch erscheint –: auf welcher internationalen Rechtsgrundlage? Nein, wer die Straße von Hormus sichern will, muss sich um ein UN-Mandat bemühen.

Lustig ist an dieser Situation nichts – na ja, fast nichts. Was sich in Berlin abgespielt hat, war schon komisch. Da die Bundeskanzlerin im Urlaub weilt, fühlten sich alle möglichen Leute aufgerufen, die Richtlinienkompetenz an sich zu reißen und die Strategie der bedeutenden Seemacht Deutschland zu erläutern. Bei der Verteidigungsministerin und dem Außenminister wirkte das noch nachvollziehbar.

Aber dann kam plötzlich der Finanzminister um die Ecke – was hat denn Olaf Scholz mit dem Thema zu tun? Ach, richtig, er ist ja Vizekanzler. Und hielt dies offenbar für eine gute Gelegenheit, sich mal in Stellung zu bringen. Da hat jemand seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur angemeldet. So ernst kann eine Situation gar nicht sein, dass jemand von der SPD einen nicht trotzdem noch zum Lachen bringt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Bettina Gaus plädiert, wenn überhaupt, könne es in der Straße von Hormus nur ein Mandat für eine maritime Militärmission durch die UNO geben. Gut so. Zuvor sollte aber das an Instrumenten aktiviert sein, dass die UNO durch den Internationalen Strafgerichtshof Den Haag, Seegerichtshof Hamburg in der Internationalen Politik für Streitfälle, wie das Kapern von Schiffen implementiert hat. Will sagen, bevor wir in Kriegszenarien denken, wie es Iran, USA, England tun, von Kriegsgefahr sprechen, sollten wir Konfliktparteien, Iran, United Kingdom im Fall gegenseitig gekaperter Schiffe deeskalierend eine Nummer tiefer auf die Option zurückführen, den Seegerichtshof anzurufen, statt ins große Krisen Horn zu blasen, eine maritime Militärmission mit oder ohne Führung der USA auf die Agenda zu setzen.



    Dass spätestens auf diesem Wege offenbar wird, dass die USA mit Anspruch auf globale Beinfreiheit die Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshof Den Haag auf Bill Clinton Regierungsebene zwar unterzeichnet, durch den US Kongress aber noch nicht ratifiziert wurde, Russland ebenfalls mit Anspruch auf globale Beinfreiheit seine Anerkennung suspendiert hat, sollte die Internationale Politik inspirieren, sonders EU, Deutschland, in Richtung Anerkennung Gerichtshof Den Haag, Anrufung Seegerichtshof Hamburg, USA, Russland, Israel, Iran, United Kingdom mit dem Druck der Weltöffentlichkeit im Namen der Friedensstiftung in der Region unter Zugzwang zu setzen.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Nein, wer die Straße von Hormus sichern will, muss sich um ein UN-Mandat bemühen."

    Vielleicht reicht es aber auch schon aus, einen Tanker freizugeben, der vor Gibraltar aufgebracht wurde?

    Die Sache hat nämlich einen unangenehmen Geruch:



    "Interessant ist, dass laut "The Syria Report" Gibraltar nur einen Tag zuvor, am 3. Juli, seine eigenen einschlägigen Verordnungen abgeändert hatte, die ihm am 4. Juli erlaubten, die Grace 1 zu stoppen: Demnach können Schiffe beschlagnahmt werden, die EU-Sanktionen brechen."

    www.derstandard.de...saten-in-syrien-an

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Hat eigentlich von den Experten jemals in seinen alten Weltatlas geguckt?



    Straße von Horus, ein fjordähnliches Gebilde, das man zum internationalen Handelsweg hochjubelt und wo es außer Erdöl nur Erdnüsse und Sand zu gewinnen gibt. Saudi- Arabien kann sein Erdöl auch über eine schon jetzt existierende Pipeline exportieren, der Iran über die Türkei genauso wie der Irak es jetzt schon macht. Wozu das Ganze? Eigentlich sollte man annehmen ,dass die Zeiten der Kanonenbootpolitik vorbei sind. Englands Boris Johnson faselt wieder von goldenen Zeiten des Empire, und Trump möchte den Europäern sein Flüssiggas aufs Auge drücken, das diese wesentlich billiger von Rußland bekommen. Und wenn die Europäer nicht wollen, dann werden eben Zölle erhöht und im Nahen Osten ein bißchen gezündelt . Die Straße von Hormus ist kein internationaler Handelsweg, eher das Tor zur Hölle.



    Ich fahre , wenn ich nach Indien und China will, jedenfalls daran vorbei.

  • Nach den bisherigen Erfahrungen halte ich es für eine Schnapsidee, den Weltfrieden in die Hände von Friedensnobelpreisträgern zu legen.

    btw.: Die Straße von Hormus steht - nach meiner Kenntnis - nach wie vor offen. Ich kann derzeit deshalb auch überhaupt keinen Handlungsbedarf erkennen. Wenn wahlweise iranische oder britische Schiffe blockiert werden, muss sich doch nicht gleich die ganze Welt angegriffen fühlen.

  • Falsch, liebe Frau Gaus.

    Stellen wir uns einmal eine gegengesetzte Konstellation vor. Die USA protegieren sagen wir einmal Saudi Arabien und SA beginnt nach und nach die Öltransportwege zu sabotieren um den Erdölpreis in die Höhe zu treiben und selbst natürlich weiterhin exportieren zu können.

    Eine UN-Schutzmission wird angedacht um die Schiffahrtswege offen zu halten. Doch oh Problem oh Problem logischerweise werden die USA es niemals zulassen das ihr Schützling Saudi Arabien angegangen wird und legen ihr Veto ein.

    Und nun? Da die USA folglich es so beschlossen haben müssen alle anderen mit ansehen was aus ihrem Kalkül folgt? Die gesamte Welt als Geisel eines starken Landes mit Veto-Macht im Sicherheitsrat welches nichts weiter als eigene Interessen verfolgt? Soll das ein Witz sein?!

    Und genau so sieht es hier aus. Eine freiwillige Unterjochung unter russisches Vetorecht macht diese Welt nicht sicherer sondern unsicherer.

  • Straße von Hormuz sichern?



    Vielleicht fangen wir ja mal vor der eigenen Haustür an, und sichern die Straße von Gibraltar gegen Übergriffe aus GB. Der Iranische Tanker ist immer noch nicht freigegeben, obwohl weder Syrien noch der Iran ein Mitglied der EU sind, und deshalb mit EU Sanktionen gar nichts am Hut haben.

    Ich habe in diesem Zusammenhang noch von keiner politischen Aktion gegen GB gehört. Aber ja, auch das würde im UN Sicherheitsrat am Veto aus GB scheitern.



    Was ist mit den US Sanktionen gegen den Iran. Der iran hatte alle Bedingungen erfüllt als ein US Präsident auf die Idee kam den Vertrag nicht zu mögen. Einfach einseitig kündigen, und ein souveränes Land mit Sanktionen überziehen. Nicht nur dass, sondern auch den Rest der Welt zur Teilnahme an diesen Sanktionen erpressen. Alles Völkerrechtswiedrig.

    Im Übrigen ist die Politik Russlands im Einklang mit dem Völkerrecht, die Aktionen der USA aber nicht. Sie sind auch nicht mehr Menschenverachtend, bloß weil die westliche Presse das so will.



    Also zurück auf null und politische Aktionen mit den Konfliktparteien u.A. GB zur Deeskalation, und nicht gleich mit Waffen vor fremder Leute Haustür ziehen. Die könnten sich sonst bedroht fühlen, und ihr Land und ihre Bevölkerung verteidigen wollen. Die Iraner können sich noch gut an den Iran/Irak Krieg erinnern, wo die USA fleissig Waffen und Giftgas an den Irak geliefert haben