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Warnung von Stiftung WarentestBlöder Bambusbecher

Die Stiftung Warentest warnt vor der Öko-Variante des Coffee-to-Go-Behälters: Der sei weder öko noch gesund. Was ist die ökologische Alternative?

Sehen harmlos aus, sind aber nicht ungefährlich: Einige Bambusbecher gaben in Tests Schadstoffe ab Foto: Zacharie Scheurer

Berlin taz | In der Nische herrscht Entsetzen: Bambusbecher, mit denen sich ebenso geschmackssicher wie guten Gewissens kaffeetrinkend durch die Stadt flanieren lässt, geben häufig Giftstoffe ab. Und ökologisch sind sie auch nicht. Bambusbecher bestehen nämlich, anders als ihr Name andeutet, nicht nur aus den Fasern der namensgebenden Familie der Süßgräser, sondern auch aus Klebstoffen, etwa Melaminharzen.

Die Stiftung Warentest hat mit den Bambusbechern einen ihrer berüchtigten Tests durchgeführt – dreiprozentige Essigsäure in die Prüfobjekte gefüllt, die Flüssigkeit für zwei Stunden auf 70 Grad gehalten und dann nachgemessen – und siehe da: In der Kaffeesimulation fanden sich Melamin und Formaldehyd, zwei gesundheitsschädliche Chemikalien, die Nieren, Atemwege oder die Haut schädigen und Krebs auslösen können. Ökologisch ist Bambusgeschirr auch nicht, wenn es – wie im Fall der Kaffeebecher – mit Kunstharzen vermischt ist. Das Zeug verrottet nicht, sondern ist am besten für den Müllverwertungsweg der Verbrennung geeignet.

Mit den Verbrauchertipps ist man in diesem Fall schnell fertig. Es gibt Coffee-to-Go-Becher aus Porzellan oder Metall, die keine Giftstoffe abgeben und, lange benutzt, nachhaltig sind. Der Konsumexperte des Heidelberger Ifeu-Instituts, Benedikt Kauertz, empfiehlt auf der Seite von test.de zudem, den Kaffee am allerbesten mit viel Zeit und Muße in einem Café zu trinken.

Die Tasse dort ist vermutlich aus Porzellan und wird wassersparend in einer Geschirrspülmaschine abgewaschen. In der Tat könnte man natürlich darüber nachdenken ob es nötig ist, ständig überall Kaffee zu trinken, oder ob man nicht zu Hause frühstücken und fairen Ökokaffee trinken und dann halt erst mal nicht mehr und so weiter.

Bioplörre aus Giftbechern

Aber wer bislang mit einem schicken Bambusbecher – die Exemplare auf der test-Seite sehen wirklich gut aus – herumläuft, der möchte ja nicht nur Kaffee trinken, sondern sich auch am hübschen Accessoire erfreuen und grünen Lifestyle demonstrieren. Mit dem Bambusbecher zeigt man die Zugehörigkeit zu einem Milieu, das man vor einigen Jahren noch als „Lohas“ bezeichnet hätte und das aus Menschen besteht, die einen so angenehmen wie ambitionierten „Lifestyle of Health and Sustainability“ pflegten, bis sie dann zum Bionade-Spießbürger verkamen.

Inzwischen ohne schmissiges Marktforschungsetikett, zeichnet sich das Milieu aber immer noch dadurch aus, dass es zum einen von außen mit Spott analysiert wird, um in Inneren erbitterte Kämpfe über den richtigen Weg zu führen. Noch Kuhmilch kaufen? Wenn ja, aus der Glasflasche oder dem Karton? Papier aus Gras oder Recyclingpapier mit blauem Engel? Klamotten nur Second Hand, kaufen, leihen, tauschen, selbst nähen? Tampons aus Biobaumwolle, oder ganz andere Technik?

Das Publikum jenseits der Nische verfolgt diese Debatten teils mit Argwohn – wollen die Besserwisser meinen Lebensstil madig machen? – teils mit Häme, à la: Schaut, die Ökos, trinken ihre Bioplörre aus Giftbechern. Auf Twitter ließ sich das am Dienstag ganz gut verfolgen. „Was zum Teufel haben sie den Ökos hier schon wieder angedreht“, twitterte einer, mit ein paar Smileys mit Lachanfall.

Das Publikum jenseits der Nische verfolgt diese Debatten mit Argwohn oder Häme

Diese Gemengelage ließe sich nun mit ein bisschen Abstand und vielleicht etwas Ironie beschreiben, als dankbares Thema, an dem sich die Befindlichkeiten eines Teils der deutschen Mittelschicht offenbaren – wenn sie nicht eingebettet wäre in eine Gesellschaft, die Ressourcen brutal ausnutzt, mehr Wasser und fruchtbare Böden verbraucht, mehr Kapazitäten der Atmosphäre, Kohlendioxid aufzunehmen, nutzt als ihr zusteht.

Darum ist auch nächsten Montag Erdüberlastungstag. An diesem Tag hat die Menschheit so viel von der Erde beansprucht, wie alle Ökosysteme im gesamten Jahr erneuern können. Letztes Jahr war er noch am 1. August, dieses Jahr ist er schon am 29. Juli. Angesichts von Ressourcenübernutzung und Klimakatastrophe könnte einen das alles schon irre machen, dass sich diejenigen, die das Problem erkannt haben, so hingebungsvoll um den richtigen Mehrwegbecher streiten – während die Discounter die Paletten mit den Dosen ausrollen.

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9 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Mal ne generelle Frage: Warum alles to-go? Nen Eis auf die Hand - ok. Curry-Pommes habe ich immer am Stand gegessen. Schon wegen der Kleckerei. Kaffee im Pappbecher mag ich nicht. Meist verbrenne ich mir dann auch noch die Lippen und lauwarm schmeckt die Plürre dann richtig sch... . Mit ner Coladose in der linken Hand und ner vollfettigen Pizzaecke in der Rechten durch ne Innenstadt zu laufen halte ich für total dämlich. Südostasiatisches Nudelgedöns aus nem Pappkarton in der S-Bahn essen ist schon fast ne Körperverletzung - für die Mitfahrenden. Also was ist so supertoll am to-go essen und trinken?

    • @97088 (Profil gelöscht):

      Macht Spaß! Ich hole mir gern nen Kaffee und geh damit auf Arbeit und trink ihn da. Manchmal fahre ich irgendwo mit der Bahn hin und sitze dann in der Bahn und schlürfe einen Kaffee, mag ich total! Warum ist du Curry-Pommes? Versteh ich z.B. nicht. Aber muss ich auch nicht, du scheinst Curry-Pommes zu mögen und ich halt n Kaffee unterwegs. Und doch, ich mag durchaus ne gute Konopkecurrywurst, bin trotzdem noch nicht auf die Idee gekommen, die mit Pommes zu versauen, obwohl ich auch Pommes esse. Du siehst halt: Jedem Tierchen sein Pläsierchen...

      • 9G
        90118 (Profil gelöscht)
        @hsni:

        ich mag total, in der sonne zu sitzen und zu lesen.



        ich bin nicht sicher, ob ich meine wichtigkeit beim postulieren dieser vorliebe richtig einschätze.



        meinem kind mache ich immer klar, dass es der wichtigste mensch auf dieser welt ist - für mich.



        aber nicht für die anderen acht milliarden.

  • Würde ich Kaffee trinken und überdies auch noch das Bedürfnis haben, das auf der Straße oder im Bus tun zu wollen, dann würde ich einen Thermobecher aus Metall mit mir führen. Mache ich ja mit dem Methorn auch, beim Teutates!

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    über fragen der richtigen ernährung wurde schon früher bis hin zum krieg gestritten.



    wer den kapitalismus infrage stellt ist jedoch mittlerweile fast weltweit ein staatsfeind. deshalb trauen sich dies auch die mutigen besserwisser nicht, obwohl man es eigentlich mittlerweile besser wissen müsste.

  • Die erwähnten Inhaltsstoffe weisen schon darauf hin, dass Bambusbecher eigentlich keine Bambusbecher sind, sodern Plastikbecher mit Bambuseinlage.

    Man trinkt aus Plastik. Das Bild oben spricht ja Bände.

    Ebenso wird vermutlich scheitern, wer versucht, bei Bambus-Produkten von IKEA an das Bambus heranzukommen.



    Ist alles hinter dickem Plastik verborgen.

  • Warum nicht einfach mal einräumen, dass Bambusbecher keine gute Sache sind? Es gibt und gab viele Produkte, für die das gleiche gilt und deshalb verbannt gehören. Oder können Ökos nicht irren?

  • Für den lifestil meine Empfehlung: Kaffee TOGO nur aus Socken! Natürlich vom entsprechenden Marken-Fuzzi! Oder aus einem naturbelassenen ÖKO-Schwamm aus der Karibik, fürs noch bessere Gewissen!

    • @Drabiniok Dieter:

      Ein Öko-Lifestyler besitzt keine Socken.

      Ihre undurchdachten Vorschläge können gutgläubige MitbürgerInnen zu Anschaffungen verleiten, die in der Zielgruppe zu sozialer Ausgrenzung führen.

      Die Ökobilanz von Socken aus meist asiatischer Baumwolle ist aber nur nur dann akzeptabel, wenn man sie nach dem Kaffeetrinken (aus heimischem Anbau) auch weiter nutzt.

      Wie Sie diesen Widerspruch auflösen wollen, ist mir schleierhaft.