Tester rügen Onlineshops: Gute Urteile billig zu kaufen
Stiftung Warentest findet jede Menge Schummelei bei Onlinebewertungen von Produkten – durch verdeckte Recherchen.
BERLIN taz | Auch beim Kauf einer Mausefalle in einem Onlineshop verlassen sich Käufer offenkundig auf die Bewertung anderer Kunden. „Zwei Mäuse sauber gefangen“, heißt es da in einer mit fünf Sternen versehenen Produktbewertung, „ging schnell“. Simone Vintz von der Stiftung Warentest wird bei derlei Lob skeptisch. Tatsächlich würde wohl kaum ein Kunde eine Mausefalle von sich aus bewerten.
Deshalb hat die Projektleiterin der Zeitschrift Test verdeckt recherchiert, ob bei den Bewertungen auch gemogelt wird – und wurde schnell fündig. Spezialisierte Agenturen bieten Rezensionen zum Kauf an. Bei sieben haben Mitarbeiter der Stiftung als verdeckte Ermittler Bewertungen geschrieben. 42-mal würdigten die Tester unterschiedliche Produkte vom Kopfhören über Perücken, Lichterketten und Datingvermittler bis hin zu Mausefallen.
Ergebnis: Es wird kräftig gemogelt. Bei zwei von drei Rezensionen mischten sich die Agenturen ein. Bei jeder vierten Bewertung bestanden sie auf die Vergabe von vier oder fünf Sternen. „In 21 Prozent der Fälle durften wir die Waren nicht einmal ausprobieren“, heißt es im aktuellen Test-Heft. Von den sieben Agenturen arbeiten demnach nur zwei sauber.
Seriöse Portale haben eigene Algorithmen entwickelt, um gefälschte Bewertung zu finden. Das gelingt aber nicht in jedem Falle, wie Vintz bemerkt. „Sie wollen ja, aber es klappt halt nicht“, sagt die Expertin. Drei Seiten spielen bei den Schummeleien mit. Am Ende stehen die nebenberuflichen Tester, die von den Agenturen mit Aufträgen versehen werden. Der Stiftung boten sie mal einen US-Cent pro Bewertung an, mal durfte sie die Produkte behalten oder günstiger erwerben.
Agenturen werden reich
Reich werden mit diesem Geschäft dagegen die Agenturen. Sie verlangen der Untersuchung zufolge rund 10 Euro pro Bewertung. Die Stiftung trat in einem Fall auch selbst als Kunde der Agenturen auf. Ein Unternehmer bestellte für sie bei vier Agenturen 120 gute Bewertungen. „Sie können bei uns problemlos Höchstbewertungen für ihr Google-Profil kaufen“, antwortete ein Anbieter unverhüllt.
Die Manipulationen haben verschiedene Methoden: Erstens gebe es klare Anweisungen, das Produkt mit fünf Sternen auszuzeichnen. Der zweite Trick ist, ihnen nur ein Foto zukommen zu lassen und auf positive Merkmale des Produkts hinzuweisen. Druck aufzubauen gehört auch zum Repertoire. Dabei ploppte bei einer nicht so guten Bewertung in roter Farbe die Frage auf, ob man sich mit der Bewertung sicher sei.
Die Stiftung Warentest rät: „Lesen Sie lieber die negativen Kritiken und suchen Sie nach Übereinstimmungen.“ Auch ein Klick auf das Profil des Rezensenten kann helfen. „Wer immer fünf Sterne vergibt oder in einer Woche zehn Handys bewertet, ist sehr wahrscheinlich kein normaler Verbraucher“, warnen die Experten.
Leser*innenkommentare
Achim Dräger
Und ich habe immer angenommen, dass ein paar gelangweilte Hartzer Bewertungen schreiben für Dinge, die sie nie gesehen haben. Nur so aus Wichtigtuerei ...
Jim Hawkins
Was Amazon anbelangt, da gibt es die Seite reviewmeta.com/. Die untersucht Bewertungen auf ihre Plausibilität.
Stutzig sollte man auch werden, wenn bei der Bewertung eines preiswerten Alltagsgegenstandes, etwa eines Schraubenziehers für ein paar Euro, fünf Fotos angehängt werden und dreißig Zeilen Text geschrieben werden.
Ich habe sogar schon gesehen, dass jemand ein gekauftes Buch fotografiert hatte.