Gastkommentar Tampon-Tax: Runter mit dem Steuersatz
Die Mehrwertsteuer auf Tampons und Binden muss auf 7 Prozent gesenkt werden. Alles andere ist Frauen gegenüber ungerecht.
E lisabeth Selbert erkämpfte als eine von vier Müttern unseres Grundgesetzes die Gleichstellung von Mann und Frau mit dem Satz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“. So stolz wir zurecht bis heute auf unsere Verfassung sind, so wenig ist die Gleichberechtigung tatsächlich umfassend in allen Gesellschaftsbereichen umgesetzt. Denn es gibt noch immer Regelungen, bei denen Frauen das Nachsehen haben.
Eigentlich, so jedenfalls die Begründung der geteilten Mehrwertsteuer, sollten vor allem Güter des täglichen Bedarfs mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent besteuert werden. Eigentlich. Hygieneartikel für Frauen sind weiterhin mit dem regulären Steuersatz belegt.
Ein Umstand, der nicht nur in Deutschland aufgefallen ist, sondern seit längerer Zeit auch internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Weltweit schalten Frauenrechtler und Frauenrechtlerinnen Kampagnen, um gegen die deplatzierte Tabuisierung der Periode aufzubegehren und jungen Mädchen und Frauen den Zugang zu Periodenprodukten zu erleichtern. Mit Erfolg. Das gestiegene Bewusstsein für das Thema Periode hat in vielen Ländern, darunter als erstes Kenia, in den USA oder Kanada dazu geführt, steuerliche Ungerechtigkeiten zu beseitigen.
Die Perspektive der anderen einnehmen
Jahrgang 1952, ist Abgeodneter der FDP im Bundestag und Bundestagsvizepräsident. Außerdem ist er stellvertretender Parteichef.
Auch in Deutschland haben in den vergangenen Jahren Tausende die Aufrufe zur „Tampon Tax“ im Internet unterschrieben. Während die Große Koalition diesen Nachbesserungsbedarf verschläft, bringt nun eine Petition an den Deutschen Bundestag mit über 80.000 Unterstützern das Thema endlich dahin, wo es hingehört: ins Parlament.
Denn die „Anti-Tampon-Tax“-Bewegung ist im Kern eine Bürgerrechtsbewegung, eine die weltweit die berechtigte Forderung der Gleichberechtigung in den lange vernachlässigten Fokus bringt. Sie ist nicht nur ein Symbol für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, sie hat ein berechtigtes Anliegen.
Es muss für uns immer darum gehen, die Perspektive des anderen einzunehmen, ein Phänomen, das wir generell in unserer Gesellschaft zu häufig vernachlässigen. Barack Obama hat es auf den Punkt gebracht: „I have no idea why states would tax these as luxury items, I suspect it’s because men were making the laws when those taxes were passed.“ Besonders deshalb wäre es jetzt an der Politik Frauen zuzuhören, sich ihrer Stimmen anzunehmen und selbst auf Willkürlichkeiten aufmerksam zu machen.
1989 geboren, ist Abgeordnete der FDP im Bundestag. Sie ist Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.
Zur Wahrheit gehört auch: In Deutschland werden Frauen bei Hygieneartikeln generell nicht mehr oder weniger diskriminiert als Männer. Gleichberechtigte Besteuerung sollte dann aber bitte auch bei gleichberechtigten Produkten erfolgen. Tampons sind keine Rasierer, Tampons sind Produkte, die nur Frauen benutzen. Es ist eben ungerecht, wenn Männer sich aus biologischen Gründen die Freiheit erlauben können, zusätzliche Kosten für Periodenartikel nicht aufbringen zu müssen.
Ungerechtigkeit mit einer kleinen Maßnahme beseitigen
Allen sollte daran gelegen sein, von diesem Kern der Debatte – der ungerechten Besteuerung von Frauen – nicht abzulenken. Denn es gibt die einen, die den Diskurs nur hoch empört führen können und sich generell als Diskriminierungsopfer einer gesamten Gesellschaft gerieren, und die anderen, die sich hinter der Forderung nach einer Reform des gesamten Mehrwertsteuersystems verstecken. Die Kunst von Politik besteht genau darin, sich von einem hochempörten Mediendiskurs nicht beeindrucken zu lassen, sondern politisch zu handeln.
Es sollte deshalb keine absurden Vergleiche brauchen, dass Teebeutel, Bücher, Rennpferde und Schnittblumen mit 7 Prozent besteuert werden und Periodenprodukte mit 19 Prozent, um zu merken, dass Frauen ihre Periode nicht verhindern können. Es sollte genauso wenig die berechtigte Forderung brauchen, die Mitte der Gesellschaft endlich zu entlasten.
Es geht schlicht darum, gezielt eine der Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen mit einer kleinen Maßnahme zu beseitigen.
Allein das wird natürlich nicht reichen. Gleichberechtigung braucht Zeit, sie braucht aber auch Mitstreiter. Dies sollte uns nicht davon abhalten, sie genau jetzt einzufordern. Gesellschaftlich anzuerkennen, dass es sich bei Periodenprodukten um Güter des täglichen Bedarfs handelt und sie aus diesem Grund geringer zu besteuern, wäre dafür ein richtiger Schritt und ein gutes Signal.
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